Wie ausländische Shops deutsche Online-Händler bedrohen

11.03.2017

 (Bild: Philip Durrant)
Bild: Philip Durrant
Bild: Philip Durrant unter Creative Commons Lizenz
Der deutsche Online-Handel boomt ungebrochen. Dieses Bild zeichnen zumindest immer wieder Studien zum E-Commerce-Markt in Deutschland. So besagt etwa eine aktuelle Verbraucherbefragung   durch den Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel   (BEVH), dass deutsche Verbraucher allein im vergangenen Jahr insgesamt Ware für 46,90 Mrd. Euro (inkl. MwSt.) online eingekauft haben. [wysija_form id="2"] Im Vergleich zum Vorjahr hätten deutsche Verbraucher damit im Online-Handel rund zwölf Prozent mehr Geld ausgegeben als im Jahr zuvor. Das klingt gut, hat aber einen kleinen Haken. Denn der BEVH befragt bei seiner Studie zwar, was deutsche Konsumenten bei ihren Online-Einkäufen in Deutschland ausgegeben haben. Der Verband analysiert dabei allerdings nicht, ob Kunden bei einem einheimischen Anbieter kaufen oder bei einem deutschen Online-Shop eines ausländischen Online-Händlers ordern.

Berater: "Deutsche Online-Händler müssen auf der Hut sein"

Doch genau hier lauert Zündstoff. Denn verschiedene Marktanalysen legen nun nahe, dass von dem boomenden E-Commerce-Markt in Deutschland zunehmend ausländische Wettbewerber profitieren - und zwar zu Lasten der deutschen Online-Händler. "Deutsche Online-Händler müssen auf der Hut sein, ihre Kundschaft nicht an die Konkurrenz aus dem Ausland zu verlieren", warnt etwa Gerd Bovensiepen, Leiter des Bereichs Retail & Consumer bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers   (PwC).
PwC Grafik
Jeder zweite deutsche Online-Shopper kauft bereits im Ausland (Grafik: PwC)
Seine Warnung untermauert er mit Zahlen, die PwC gerade bei einer Online-Umfrage unter 1.200 deutschen Internetnutzern ab 18 Jahren ermittelt hat. Das alarmierende Ergebnis: Mehr als die Hälfte der deutschen Online-Käufer (56 Prozent) habe demnach bereits einmal etwas bei einem ausländischen Online-Anbieter gekauft (siehe Grafik links), in der Gruppe der 18- bis 39-Jährigen betrage dieser Wert sogar schon zwei Drittel. Tendenz steigend. So könne sich der Umfrage zufolge ein Drittel der Befragten vorstellen, in einem Online-Shop mit Sitz im Ausland einzukaufen. Dagegen will nur jeder zehnte deutsche Online-Shopper auch in Zukunft ausschließlich bei solchen Anbietern einkaufen, die auch aus Deutschland stammen. Das große Interesse an ausländischen Anbietern lässt sich durchaus nachvollziehen. So zeigen weitere Ergebnisse der PwC-Umfrage: Bei ausländischen Online-Händlern kaufen deutsche Konsumenten vor allem Kleidung und Schuhe (53 Prozent der Befragten), am liebsten schlagen deutsche Käufer dabei bei Anbietern aus Großbritannien zu. Das dürfte wiederum mit daran liegen, dass in Großbritannien viele Fashion-Versender wie Asos   , Boden   , Next   oder Marks&Spencer   aktiv sind, die inzwischen auch allesamt Online-Shops für Kunden in Deutschland betreiben. Über diese Shops vermarkten gerade die Briten gerne ihre Eigenmarken, an die deutsche Verbraucher sonst nicht so einfach kommen. Dazu drängen auch ausländische Anbieter fernab von Fashion in den deutschen Markt. Bestes Beispiel dafür ist der britische Elektronik-Versender AO   , der seit einem Jahr in Deutschland aktiv ist   und sich hierzulande sogar eine eigene Lieferflotte   leistet, um Haushaltsgeräte auszuliefern. Denn deutsche Verbraucher gelten als versandhandelsaffin und sind daher interessant für ausländische Anbieter.

Günstige Preise und exklusive Produkte ködern deutsche Kunden

Viele deutsche Verbraucher dürften allerdings auch bei ausländischen Anbietern kaufen, ohne dass ihnen das so richtig bewusst ist. Diese Vermutung legt jetzt jedenfalls eine aktuelle Statistik   nahe, die der auf den Handel auf eBay und Amazon in Deutschland spezialisierte Experte Mark Steier   von Wortfilter.de   nun veröffentlicht hat. Konkret untersuchte er, aus welchen Ländern eigentlich die derzeit 135.000 registrierten Handelspartner auf dem deutschen Amazon-Marktplatz kommen. Demnach stammen unter den derzeit 55.310 aktiven Partnern von Amazon.de nur 53 Prozent der Händler auch tatsächlich aus Deutschland. Weitere 20,61 Prozent der aktiven Händler auf Amazon.de kommen dagegen aus Großbritannien, viele weitere Händler außerdem aus Asien bzw. China (siehe Grafik).
Nur jeder zweite Handelspartner von Amazon.de stammt aus Deutschland (Grafik: Wortfilter.de)
Nur jeder zweite Händler bei Amazon.de stammt überhaupt aus Deutschland.
Natürlich sagen diese Zahlen zunächst einmal nichts darüber aus, welchen Umsatz die ausländischen Anbieter letzten Endes auch tatsächlich bei Amazon.de machen. Die Statistik legt aber nahe: Viele deutsche Verbraucher dürften auf Amazon.de bei ausländischen Anbietern kaufen, ohne sich das immer auch bewusst zu machen - schließlich kaufen sie ja nach wie vor bei Amazon in Deutschland, auch wenn ein Anbieter wie zOverstocks   aus Großbritannien stammt. Insofern dürften deutsche Verbraucher vielleicht sogar schon mehr bei ausländischen Online-Händlern liegen lassen, als es die Umfrage von PwC besagt. "Es ist erschreckend, dass lediglich knapp 27.000 Marktplatzhändler auf Amazon.de auch aus Deutschland kommen", argumentiert auch Wortfilter-Herausgeber Steier. Doch was können deutsche Online-Händler tun, um sich im Wettbewerb zu behaupten und keine Kunden an Konkurrenten aus dem Ausland zu verlieren? "Um Kunden zu binden, ist der beste Weg ein wettbewerbsfähiger Preis", rät PwC-Berater Bovensiepen. Seine Begründung: Knapp zwei Drittel der befragten Auslands-Shopper kaufen nicht zuletzt deshalb bei Anbietern aus dem Ausland, weil diese bessere Preise bieten als die deutsche Konkurrenz. Wichtig sei Bovensiepen zudem ein breites Produkt- und Markenangebot, um Kunden an deutsche Online-Shops zu binden.
Was deutsche Kunden im Ausland kaufen Grafik: PwC)
Was deutsche Online-Shopper bei ausländischen Anbietern kaufen (Grafik: PwC)
Ich stimme hier mit ihm allerdings nur bedingt überein, da für mich Preis und Sortimentsvielfalt keine Wettbewerbsvorteile auf Dauer sichern. Schließlich kann immer wieder ein ausländischer Anbieter die eigenen Preise unterbieten oder sein Sortiment erweitern. Sinnvoller wäre vielmehr, wenn deutsche Händler verstärkt in einen schnellen oder kostenlosen Versand investieren. Denn in der Regel dauert es schließlich einige Werktage, bis ein ausländischer Anbieter seine Ware an Kunden in Deutschland liefern kann. Denn meistens wird die Ware aus dem Heimatland verschickt, ein eigenes Warenlager in Deutschland ist bei ausländischen Anbietern nach meiner Beobachtung auch heute die Ausnahme.

Gegenmittel: Eigenmarken und Kooperationen

Ein schneller Versand bringt aber auch dann nichts, wenn Kunden die gewünschte Ware ohnehin nur bei ausländischen Online-Anbietern bekommen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Fashion-Fans die Eigenmarke eines ausländischen Fashion-Versenders wie Asos kaufen möchten. Hier könnte es sich für deutsche Versender vielmehr lohnen, Kooperationen mit ausländischen Konkurrenten einzugehen.
Michael Heller (Bild: Otto Group)
Michael Heller (Bild: Otto Group)
Ein Pionier ist in diesem Zusammenhang der Otto-Versand aus Hamburg, der bereits seit Dezember 2010 in seinem Online-Shop die Mode der britischen Fashion-Marke Next   verkauft. Diese Kooperation bringt allen Beteiligten nur Vorteile, wie Michael Heller (Foto, Vorstand Categories) bereits vor über einem Jahr im Gespräch mit neuhandeln.de erklärt hatte   : „Viele internationale Anbieter schätzen die Reichweite von otto.de und sind bereits als Partner bei uns gelistet. Sie profitieren von unserer Plattform und sparen sich Investitionen in ein eigenes CRM und Performance-Marketing. Im Gegenzug bereichern sie die Sortimentsvielfalt, die wir Kunden bieten.“ Deutsche Versender könnten ausländische Konkurrenten aber auch einfach mit ihren eigenen Waffen schlagen. Soll heißen: Exklusive Produkte anbieten und den Bedarf daran schüren, so dass deutsche Konsumenten gar nicht mehr woanders kaufen möchten. Vor diesem Hintergrund sind Investitionen in Eigenmarken   eine sinnvolle Strategie - allerdings wohl nicht für jeden deutschen Händler. „Der Markt für Eigenmarken ist begrenzt„, warnt stellvertretend Kai Hudetz, Geschäftsführer beim Institut für Handelsforschung   (IFH). „Bei Sortimenten wie Mode ist neben etablierten Herstellermarken nur Platz für eine Handvoll zusätzlicher Eigenmarken.“ Doch wer sich über sein Sortiment nicht vom Wettbewerb differenzieren kann, wird es zunehmend schwerer haben mit der Konkurrenz aus dem Ausland. Ein Grund mehr, der dafür spricht, dass sich der deutsche E-Commerce-Markt konsolidieren wird   .