Marktplätze: Was Rakuten weiter das Geschäft erschwert

Vor drei Jahren hat der japanische ECommerce-Riese Rakuten das Shopping-Portal Tradoria übernommen, um daraus den führenden Online-Marktplatz in Deutschland zu formen. Dieses wahnwitzige ausgesprochen ambitionierte Ziel hat Rakuten bislang zwar nicht erreichen können, wie die Japaner kürzlich auf ihrer Hausmesse Rakuten Expo in Berlin zugegeben haben. Dank Neuerungen wie einem überarbeiteten Shop-Checkout soll das Marktplatz-Geschäft in Deutschland aber an Fahrt aufnehmen – doch wirklich ändern dürfte sich wohl nur wenig.

RakutenBildquelle: Screenshot

Meiner Einschätzung zufolge begeht Rakuten in Deutschland mindestens drei strategische Fehler, an denen ECommerce-Angebote in der Praxis leider immer wieder scheitern:

  • Rakuten steckt in einem Teufelskreis:
    Ein Online-Marktplatz braucht viel Angebot, um für Kunden interessant zu werden. Für Händler wiederum ist ein Portal dann interessant, wenn sie dort viele (potenzielle) Kunden erreichen. Ein Marktplatz-Betreiber muss also an zwei Fronten kämpfen und sowohl Händler als auch Verbraucher für sein Angebot begeistern. Über Rakuten.de verkaufen aber nach wie vor erst rund 7.000 Händler, während beispielsweise eBay in Deutschland auf 175.000 gewerbliche Verkäufer kommt. Wenig Händler bedeuten wenig Angebot und damit unattraktive Preise für Verbraucher, wenn unter den Anbietern auf einer Plattform zu wenig Konkurrenz herrscht und Händler damit wenig Preisdruck ausgesetzt sind. In der Folge wird es naturgemäß schwer, Kunden zu begeistern. Und wenn diese ausbleiben, kommen auch keine Händler. Um so einem Teufelskreis zu entkommen, hat die Otto-Gruppe das Marktplatz-Modell von Quelle begraben und aus dem Portal einen Online-Shop mit eigenem Sortiment gemacht (nach eigenen Angaben auch mit Erfolg).
  • Rakuten fehlen Alleinstellungsmerkmale (für Kunden):
    Wenn Dickschiffe wie Amazon und eBay den Markt dominieren, hat es jeder Nachzügler schwer – vor allem mit einem autauschbaren Me-Too-Angebot. Ein Kardinalproblem von Rakuten ist aus meiner Perspektive, dass dem Online-Marktplatz ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal fehlt. Nun kann man dagegen halten, dass sich Händler über eigene Shop-Designs bei Rakuten prinzipiell individueller präsentieren können als etwa bei Amazon. Für den Kunden dürften in letzter Konsequenz aber Produkt und Preis entscheidend sein. Doch Artikel wie diese Digitalkamera von Canon gibt es eben auch bei Amazon. Wichtig wird dadurch wieder der Preis, wo ein Anbieter wie Amazon prinzipiell im Vorteil ist. Schließlich herrscht hier große Konkurrenz unter den Händlern, so dass diese schnell einen Preiskampf führen müssen – der zu Gunsten des Kunden ausgefochten wird.
  • Rakuten verfolgt den falschen Fokus:
    Von anderen Playern will sich Rakuten nicht zuletzt dadurch unterscheiden, dass man Handelspartner in den Mittelpunkt der eigenen Aktivitäten rückt und beim Online-Verkauf maßgeblich unterstützt (Motto: „Empowerment“). So will sich Rakuten von Anbietern wie Amazon differenzieren, die selbst auf ihren Online-Marktplätzen verkaufen und damit in Konkurrenz zu ihren Handelspartnern treten. Aus Händlersicht ist dieser Ansatz sicher nachvollziehbar und schlüssig. Der Kunde hat meiner Meinung nach aber wenig davon, dass Rakuten seine Handelspartner stärkt. Denn mehr Angebot durch ein eigenes Sortiment bedeutet letztlich wieder mehr Konkurrenz auf einem Portal und damit wieder bessere Preise für die Endkunden. Konkurrent Hitmeister verkauft auf seinem Marktplatz jedenfalls selbst und ist damit nach eigenen Angaben auch erfolgreich.

Was also kann Rakuten tun? Meiner Meinung nach müssten sich die Japaner mit ihrem Sortiment entweder auf eine Nische konzentrieren, um eben nicht mehr austauschbar zu sein. Dass diese Strategie aufgehen kann, verdeutlicht DaWanda. So vereint der Berliner „Online-Marktplatz für Selbstgemachtes“ knapp acht Jahre nach dem Start nach eigenen Angaben bereits 280.000 Hersteller und 4,3 Mio. Mitglieder auf seiner Plattform.

Eine Spezialisierung halte ich aber für unrealistisch, da sie einerseits nicht zur Zielsetzung des ECommerce-Unternehmens passt („führender Online-Marktplatz in Deutschland“) und die übrigen Marktplatz-Angeboten von Rakuten im Ausland auch allgemein gehalten sind (den Japanern gehören unter anderem auch Play.com in UK und Priceminister in Frankreich).

Bleibt als zweite Maßnahme für Rakuten, selbst auf dem Portal als Verkäufer aktiv zu werden und den Marktplatz durch ein eigenes Sortiment zu beleben. Gegenüber iBusiness.de hat Deutschland-Chef Christian Macht aber erst diese Woche erklärt, dass man auch in Zukunft nicht in Konkurrenz zu den eigenen Handelspartern treten wird. Kein Wunder: Denn dieser Ansatz widerspricht grundsätzlich der hauseigenen ECommerce-Philosophie („Empowerment“).

Wenn Rakuten aber nicht das grundlegende Henne-Ei-Problem seines Marktplatzes in den Griff bekommt (wenig Angebot, wenig Kunden), dürften auch Verbesserungen auf operativer Ebene wie dem Checkout-Prozess wenig bewirken. Für deutsche Online-Händler kann Rakuten dennoch prinzipiell als Partner interessant sein, wenn sie über die ausländischen Marktplätze der Japaner verkaufen wollen (mehr Hintergrundinformationen gibt es bei iBusiness.de).

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2 Kommentare

  1. Solange die Customer-Journey wie so oft über Amazon-Rezensionen abläuft werden es andere Marktplätze einfach immer schwer haben. DAS ist meiner Ansicht nach das alles entscheidende große Defizit.

    Bei Amazon gibt es zwar kaum eine Beratung über Händler, dafür aber meist etliche Erfahrungswerte von Kunden. Wer seine Kaufgewohnheiten selbst einmal analysiert wird erkennen, dass Kundenmeinungen zu einem Produkt oftmals viel aussagekräftiger sind als ebenso zweifelhafte Testergebnisse.

    Liebe Grüße! Ihr Sascha Ballweg

  2. Volle Zustimmung! Viele Anbieter/Händler haben meiner Meinung nach immer noch nicht verstanden, dass Beratung im Internet schlichtweg anders funktioniert als in einem Ladengeschäft. Der Kunde informiert sich zunehmend selbst über Rezensionen, Blogs und Foren, so dass ein klassisches Beratungsgespräch gar nicht mehr nötig ist – vor allem, wenn der Kunde durch seine Recherche zu einem konkreten Produkt vielleicht ohnehin mehr weiß als der Händler, der Fragen zu vielen Produkten beantworten können muss.

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