Wir befinden uns im Jahre 2016 nach Christus. Ganz Deutschland ist im E-Commerce und Multichannel-Zeitalter angekommen… Ganz Deutschland? Nein! Denn der Multichannel-Handel treibt nach wie vor seltsame Blüten und verblüfft mit Online-Shops, die keine Lieferung nach Hause bieten oder Kunden mit Preisangaben verwirren. neuhandeln.de wagt sich in das Kuriositäten-Kabinett und zeigt drei Fälle, bei denen Multichannel-Händler verblüffend andere Wege gehen – und das zum Teil sogar erfolgreich.
Kuriosum Nr. 1: Der Online-Shop ohne Lieferung nach Hause
Seit nun schon drei Jahren betreibt die Drogeriemarkt-Kette Müller einen Online-Shop. Wobei sich das Angebot deutlich von dem Service unterscheidet, den man gemeinhin bei einem Online-Shop erwartet. So wirbt Müller zwar damit, dass Kunden online mehr Produkte finden als in einer Filiale, es keinen Mindestbestellwert gibt und die Bestellung kostenlos in ein Ladengeschäft geliefert wird. Allerdings werden Bestellungen von Müller prinzipiell immer nur in die hauseigenen Filialen geliefert – und nie zum Kunden nach Hause. Der muss für die Abholung in einer Filiale zudem etwas Geduld mitbringen.

So war bei einer Testbestellung heute morgen im Online-Shop zu lesen, dass die von mir gewünschte CD (Keith Richards: „Crosseyed Heart“) voraussichtlich ab dem 24.11.2016 ab 12:30 Uhr in der gewählten Filiale zur Abholung bereit liegt – also Donnerstag in einer Woche.
Zum Vergleich: Amazon liefert Prime-Kunden dieselbe CD bereits am Samstag – portofrei und sogar noch einen Euro günstiger. Im lokalen Media-Markt in Esslingen (bei Stuttgart) war das Album sofort abholbereit – warum also sollte der Kunde bei Müller zuschlagen?
Auf Nachfrage von neuhandeln.de hat sich der Drogeriemarkt bislang nicht dazu geäußert, wie das Multichannel-Geschäft läuft. Kurioserweise vielleicht aber gar nicht mal so schlecht. Denn trotz aller Hürden zieht Müller sein Multichannel-Modell nun ja schon drei Jahre durch. Wenn das Angebot überhaupt nicht ankommen würde, hätte es wahrscheinlich längst eine Kurskorrektur gegeben.
Kuriosum Nr. 2: Online-Shops mit kruden Preis-Angaben
Ungewöhnlich geht es auch im Online-Shop der Verbundgruppe Intersport zu. Wer sich hier für ein Produkt wie einen Laufschuh interessiert, hat prinzipiell zwei Möglichkeiten. Zum einen lässt sich der Artikel direkt online bestellen, zum anderen auf Wunsch beim Händler vor Ort reservieren.
Wer direkt online bestellt, muss beim Check-Out im Online-Shop den „favorisierten Intersport-Händler in der Nähe“ benennen. Warum der Kunde das tun sollte und was er davon hat, wird nicht verraten.

Vielleicht, weil es nichts zu sagen gibt? Denn wichtig ist dieser Punkt nur für die interne Verrechnung der Verbundgruppe. Denn von den Online-Umsätzen erhält immer derjenige Händler eine Provision, den der Kunde im Online-Shop als „favorisierten Händler in der Nähe“ nennt. Noch verwirrender wird es für Kunden, wenn sie die Ware bei einem Händler vor Ort reservieren. Dann erscheint im Online-Shop der Hinweis: „Es gilt der aktuell bei dem Händler gültige Preis. Dieser kann vom Online-Preis abweichen.“
Der Hintergrund: Wenn Kunden online bei Intersport bestellen, liefert die Intersport Multichannel GmbH als Tochtergesellschaft die Ware aus ihrem Zentrallager, die eigene Preise für die Produkte im Shop definiert. Bei einer Reservierung vor Ort dagegen wenden sich Kunden an die einzelnen Händler aus der Verbundgruppe. Diesen darf der Verbund wiederum keine Preise vorschreiben, weshalb der Hinweis im Online-Shop erscheint, dass sich der Preis vor Ort vom Online-Preis unterscheiden kann.
Festhalten an diesem Prozedere dürfte Intersport aber kaum. Denn bislang hat das Multichannel-Geschäft die Erwartungen enttäuscht, das Multichannel-Modell wird bereits überarbeitet.
Kuriosum Nr. 3: „Klick & Collect“? Ja, aber bitte nur vor Ort!
Unter dem Motto „Click & Collect“ verzahnen immer mehr Händler derzeit ihr Stationärgeschäft mit dem Online-Business. Der Grundgedanke: Verbraucher bestellen Ware im Online-Shop und lassen sich die Pakete dann in ein Ladengeschäft liefern, wo sie die Bestellung dann selbst abholen. Das lässt sich durchaus nachvollziehen. So besagen Studien, dass Abholservices rege genutzt werden und bei den Konsumenten ankommen. Das könnte wiederum daran liegen, dass Kunden bei der Selbstabholung nicht zu Hause auf den Paketboten warten müssen oder aus Versehen die Zustellung verpassen.
Händler wiederum dürften den Service nicht zuletzt anbieten, weil sie zusätzliches Geschäft wittern – schließlich kann man dem Kunden ja noch etwas verkaufen, wenn er das Geschäft besucht. Dennoch treibt längst nicht jeder Multichannel-Händler sein Abholangebot voran. Die Otto-Tochter myToys.de bietet zwar ebenfalls „Click & Collect“ an – das allerdings mit einer merkwürdigen Einschränkung.

Denn Kunden können zwar Produkte online bestellen und sich Ware in eine Filiale liefern lassen. Dieser Service gilt aber nur für Bestellungen, die in einem Ladengeschäft getätigt werden. Denn hier gibt es pro Filiale ein Online-Terminal, an dem Kunden solche Produkte ordern sollen, die vor Ort nicht vorrätig sind. Wer dagegen bequem zu Hause shoppen will und das Päckchen auf dem Heimweg von der Arbeit in einer Filiale einsammeln möchte, schaut in die Röhre. Denn wer zu Hause bestellt, kann sich die Ware nur dorthin oder an einen Hermes-Paketshop senden lassen.
Für die Otto-Tochter eine schlüssige Strategie. Denn „Click & Collect“ für Online-Bestellungen von zu Hause gibt es nämlich nicht, weil Kunden das bislang nur vereinzelt gewünscht hätten. Den Bestell-Service in den Filialen würden Kunden dagegen sehr gut annehmen. Vielleicht liegt es ja an den Goodies, die es bei den Filialbestellungen gibt? Denn hier spart man nicht nur das Porto von 2,95 Euro pro Bestellung, myToys.de verzichtet auch auf den üblichen Mindestbestellwert von 15 Euro. Was erklären könnte, warum zumindest diese Multichannel-Kuriosität in der Praxis tatsächlich ankommt.
Sie kennen weitere Multichannel-Kuriositäten? Dann freue ich mich auf sachdienliche Hinweise.
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Kuriosum Nr. 4 – Drogeriekette Müller (vor 1 Jahr).
Bestellter Artikel wird in einer Tüte in die Filiale geliefert. Anmeldung bei Info, dass man seine Sendung abholen möchte. Mitarbeiter läuft ins Lager und holt die Tüte. Sie ist verschlossen. Der Mitarbeiter weist daraufhin, dass die Tüte bis zum Bezahlen an der Kasse geschlossen bleiben muss.
1 Woche später „retouniere“ ich einen Artikel in der Filiale. Wieder muss mit 2 Mitarbeitern gesprochen werden. Die Erkenntnis: für Retouren gibt es kein Geld zurück, sondern nur Ersatzware oder ein Gutschein. Das heisst, Müller betreibt keinen Onlinehandel oder einen Onlineversand, sondern ergänzt die Palettenlieferung für die Filiale mit einem Versandpaket. Oder einer Versandtüte.
Click&Collapse kostete mich jeweils 15 Minuten pro Filialbesuch. Macht man nur fürs Kind. Und nur in der Vorweihnachtszeit.