Corona-Krise: Warum Amazon profitiert – und andere Online-Händler leiden

Eine aktuelle Mitgliederbefragung vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) zeigt, dass viele Online-Händler durch die Corona-Krise bereits weniger Bestellungen verzeichnen. Amazon dagegen braucht nun zusätzliche Mitarbeiter, um die steigende Nachfrage zu bewältigen. Warum die Corona-Krise den Online-Handel spaltet, erklärt Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung (IFH).

Kai Hudetz
Kai Hudetz (Bild: IFH Köln)

neuhandeln.de: Profitiert der Online-Handel, wenn die Läden zu sind?

Kai Hudetz: „Der Handel wird aktuell von zwei gegenläufigen Trends geprägt. Auf der einen Seite gibt es eine große Nachfrage nach Gütern des täglichen Bedarfs bis hin zu Hamsterkäufen. Auf der anderen Seite geht der darüber hinausgehende Konsum quasi gegen null. Denn jetzt ist schlichtweg für viele Verbraucher nicht mehr der richtige Zeitpunkt, um sich Mode, Möbel oder Elektronikprodukte anzuschaffen. Viele Verbraucher haben zudem Angst vor Kurzarbeit oder fürchten sich vor Arbeitslosigkeit. Doch der Einzelhandel leidet eigentlich nicht erst seit diesen Tagen unter der Corona-Krise.“

neuhandeln.de: Geschlossen sind die Geschäfte doch aber erst seit kurzem?

Hudetz: „Bereits in den vergangenen Wochen sind immer mehr Menschen den Innenstädten und den Einkaufszentren fern geblieben, weil sie Angst vor einer Ansteckung haben. Doch von der aktuellen Krise profitieren auch einige Player. Zum einen verschieben sich jetzt auch Lebensmittel-Käufe verstärkt ins Internet und Verbraucher bestellen bei Online-Supermärkten, um sich so den Gang in ein Geschäft zu ersparen. Zum anderen profitiert Amazon als Online-Plattform von der Krise, da Kunden hier eben nicht nur Mode oder Elektronik bekommen. Denn Amazon bietet als Universalist quasi alle Produkte an. Dazu hat Amazon so viel Vertrauen bei Kunden aufgebaut, dass Kunden hier auch in der Krise erwarten, schnell und zuverlässig beliefert zu werden. Was sich aber auch noch ändern kann.“

neuhandeln.de: Die Großen werden also größer – und die Kleinen?

Hudetz: „Die Corona-Krise beschleunigt Entwicklungen, die momentan ohnehin im Handel stattfinden. Und bereits heute wird der Online-Handel in Deutschland von Amazon dominiert. Der Leidtragende ist sicher der inhabergeführte Facheinzelhandel, der aktuell noch keinen Online-Vertrieb aufgebaut hat. Hier jetzt noch in den E-Commerce einzusteigen, dürfte kaum zu stemmen sein. Schließlich haben die Einzelhändler genug damit zu tun, ihr angeschlagenes Stationärgeschäft zu retten. Es gibt aber noch andere Tendenzen. So könnte die Krise dazu führen, dass der Markt für e-Food in Deutschland doch einmal ins Rollen kommt. Bislang waren vielen Verbrauchern hier die Mehrkosten für die Lieferung zu teuer. Jetzt lernen sie vielleicht die Vorzüge zu schätzen, wenn Lebensmittel bequem nach Hause geliefert werden. Wenn allerdings Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit drohen, dürften Kunden künftig noch mehr auf jeden Cent schauen – der aktuelle eFood-Boom wäre dann sicherlich schnell wieder vorbei.“

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2 Kommentare

  1. Die aktuelle Situation ist wie gemacht für Amazon und offenbart die Versäumnisse des deutschen Einzelhandels, der es bisher versäumt hat, seinen Stammkunden neben einem attraktiven Angebot im stationären Verkauf gut funktionierende Online-Angebote zu machen. Für den Kunden lautet das Synonym für Internet schon lange Amazon, das dürfte sich nun endgültig verfestigen.
    Wenn es nicht endlich zu einer ernst zu nehmenden Gegenoffensive in Kooperation mit den Herstellern kommt, wird der Weg zu einem Monopolisten Amazon und zunehmend unattraktiven Innenstädten unumkehrbar werden. Wieso tun sich Produzenten und Einzelhändler nicht endlich zusammen, um ihre Stärken zu bündeln? Wieso gibt es keine gemeinsam betriebenen „showrooms“ mit attraktiver Ausstattung in Innenstadtlage, in denen Kunden die Vorteile des stationären Handels erleben können: exzellente Beratung durch geschultes Einzelhandelspersonal, Produkte zum Ausprobieren und Anfassen (die vom Hersteller gestellt werden) in einer Atmosphäre, die den Einkauf zum Erlebnis macht? Der Transport der dort georderte Ware könnte über Lieferservices direkt zum Kunden oder zu Paketstationen erfolgen, die Bevorratung von Waren und die damit einhergehende Kapitalbindung durch den Handel könnte entfallen.
    Eine solche Win-Win-Win-Situation wäre eine echte Alternative zu einem Monopolisten, der es schon viel zu lange auf ruinösen Wettbewerb und Sammlung von Kundendaten angelegt ist.

    • „der es bisher versäumt hat, seinen Stammkunden neben einem attraktiven Angebot im stationären Verkauf gut funktionierende Online-Angebote zu machen“
      Er muss noch nicht mal online präsent sein. Es reicht schon, wenn er online Umsätze macht. Die Erträge aus diesen zusätzlichen Abverkäufen können dann ins stationäre Geschäft investiert werden oder auch schlechte Zeiten (wie aktuell) abmildern. Es gibt diese Lösungen für stationäre Händler schon lange, nur halten das viele für unnötig oder eine Raketenwissenschaft. Dabei kann man als Händler innerhalb von kürzester Zeit mit diesen Verkäufen starten. Meines Wissens werden bspw. bei gaxsys die Händler innerhalb von 24h angemeldet und können loslegen. Auch wenn der Laden selbst zu ist (wie jetzt gerade). Es gibt sie noch, die unternehmerische Freiheit, man muss sie aber auch nutzen. Denn sonst kommt es so wie Du meintest, es kommt ein Riese wie Amazon und schreibt alles vor, festigt die eigenen Strukturen und daran müssen sich dann alle zwangsläufig anpassen.

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