Viele Onlineshops betroffen

EU-Entwaldungs-Verordnung kippt in letzter Minute

von Joachim Graf

04.10.2024 Von der "EU-Entwaldungsverordnung" betroffen sind Möbel, Bücher, Papier, Schokolade, Kaffee, Tierfutter oder Leder: Doch statt zum Dezember 2024 soll die EUDR nun ein Jahr später in Kraft treten. Sie sollte unter anderem Onlineshops dazu verpflichtet, Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann zu verkaufen, wenn sie waldfreundlich sind.

 (Bild: European Wilderness Society)
Bild: European Wilderness Society
Die Verordnung 2023/1115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen   (EUDR) ist längst in Kraft. Doch die Übergangsfrist endete am 30. Dezember 2024. Wenn das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten dem Vorschlag zustimmen, würde die Regelung am 30. Dezember 2025 für Großunternehmen und am 30. Juni 2026 für Kleinst- und Kleinunternehmen in Kraft treten, so die EU-Kommission.

Mit dieser neuen Entwaldungsverordnung   sollen Sorgfaltspflichten gelten für den Handel mit sogenannten "relevanten Rohstoffen" wie Soja, Ölpalme, Rindern, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie daraus hergestellten Produkte. Bei Zuwiderhandlung drohen Sanktionen von bis zu 4 Prozent des EU-weiten Umsatzes.

Auch Landwirtschaftsminister Cem özdemir und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf gedrängt   , die EUDR auszusetzen.

Kritik kam wegen dem hohen bürokratischen Aufwand - und wegen der EU-weiten Produktdatenbank mit Millionen von Datensätzen, die aktuell laut dem Deutsche Raiffeisenverband (DRV   ) noch nicht einsatzbereit ist.

Die Belastung wird auf jeden Fall zunehmen

Doch langfristig ist es egal, ob die Entwaldungsverordnung dieses Jahr oder erst in drei Jahren in Kraft tritt - oder die EU-Kommission noch Ausnahmen für KMUs oder bestimmte Segmente einpflegt. Klar ist, dass es drei globale Trends gibt, die unaufhaltsam sind:

  1. Totale Produkttransparenz: Verbrauchende, Politik, NGOs - sie alle wollen zunehmend wissen, wie ein Produkt hergestellt wird. Welche Komponenten es enthält. Wie man es optimal anwendet, repariert, entsorgt. Diese Daten werden Verantwortliche in Herstellung und Handel ermitteln - und zur Verfügung stellen müssen.

  2. Totale Verantwortung: Auch wenn (wie beispielsweise beim Lieferkettengesetz) nur Großunternehmen im Fokus eines Gesetzes stehen: Angesichts der vernetzten Systeme werden auch Kleinunternehmen die geforderten Daten vorhalten müssen. Sei es, weil Großunternehmen entlang ihrer Lieferketten diese Daten anfragen. Oder sei es, weil potentielle Kundschaft es gewöhnt sein wird, diese Daten von großen Unternehmen zu erhalten - und dies bei KMUs auch verlangt.

  3. Totale Datendominanz: Damit diese Daten bereitgestellt werden können, benötigen alle Unternehmen ein Produktinformationssystem (PIM) oder ein anderes System (ERM, PXM, WaWi ...), in dem diese Daten zentral gespeichert werden können. Dazu nötig sind aber vor allem die Recherchedienste, um alle Daten für alle geforderten Anforderungen überhaupt zusammenzutragen. Wer hier entsprechende Datenservices anbieten kann, sitzt auf einer Diamantenmine.

Im Bereich der Customer Journey haben sich die großen Tech-Unternehmen eine Datenhoheit (und damit einen enormen Wettbewerbsvorteil) gesichert. Eine solche Datenhoheit werden sich Tech-Unternehmen, Consultingunternehmen, große Handelskonzerne und vor allem Marktplätze auch für den Produktbereich sichern wollen. So mancher Onlineshop wird vor der Alternative stehen, viel Personal mit der Recherche von (gesetzlich und konsumentenseitig verlangten) Produktdaten zu beauftragen. Oder viel Geld für zentrale Datendienste auszugeben. Oder eben sich einem Marktplatz anzuschließen, der diese Produktdaten zentral zur Verfügung stellt. Für kleine und mittelständische Unternehmen mit mehr als nur einer Handvoll Produkte werden die Herausforderungen auf jeden Fall zunehmen.
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