Der Versandriese Amazon bittet seine Premium-Kunden stärker zur Kasse. Ab Februar 2017 sollen daher Kunden erstmals 69 Euro im Jahr bezahlen, wenn sie das Treue-Programm „Prime“ nutzen möchten. Aktuell zahlen Prime-Mitglieder noch 49 Euro jährlich, so dass sich die Pauschale um satte 40 Prozent erhöht. Der neue Preis gilt aber zunächst nur für neue Mitglieder, während Bestandskunden eine Galgenfrist bekommen und erst ab 2018 die erhöhte „Prime“-Pauschale berappen müssen.

Mit dem neuen Gebührenmodell erhöht Amazon zum zweiten Mal in knapp drei Jahren den Preis für „Prime“, nachdem erst im Februar 2014 der Preis von zuvor 29 Euro auf 49 Euro angestiegen war.
Dass Amazon seine Premium-Kunden nun schon wieder mit einer Preiserhöhung bestraft, verwundert. Schließlich besagen Studien zum einen, dass Prime-Kunden mehr und öfter bei Amazon kaufen. Zum anderen passen Preiserhöhungen an sich wenig zu der Philosophie eines Versandriesen aus den USA, der nach eigenen Angaben den „Fokus auf den Kunden statt auf den Wettbewerb“ legt. So gesehen sollte Amazon seine Premium-Kunden nicht gerade mit einer erneuten Preiserhöhung behelligen.
In den vergangenen Jahren hat Amazon allerdings auch immer mehr Service-Angebote für seine Prime-Mitglieder entwickelt (siehe Grafik). So können sich Mitglieder inzwischen längst nicht nur Produkte umsonst liefern lassen, während andere Kunden ein Porto für die Lieferungen bezahlen müssen. Prime-Mitglieder können heute auch Streamings von Kino-Filmen und Serien abrufen. Zusätzlich gibt es seit einem guten Jahr mit „Prime Music“ einen kostenlosen Musik-Streaming-Dienst für die Premium-Kunden, die sich nun auch Produkte ohne Aufpreis noch am selben Tag liefern lassen können. Im Zuge der Preiserhöhung nennt Amazon daher „einige Verbesserungen in der letzten Zeit“.

Vor diesem Hintergrund rechnen Marktbeobachter nicht damit, dass Amazon mit der erneuten Preiserhöhung seine Premium-Kundschaft vergraulen wird. „Amazon sieht sich meines Erachtens schon lange nicht mehr als Preisführer, sondern als Preis-Leistungsführer“, argumentiert stellvertretend Kai Hudetz, Geschäftsführer beim Institut für Handelsforschung (IFH). „Und seit der letzten Preisanpassung wurden die Leistungen ja erheblich ausgebaut.“
Er geht sogar davon aus, dass Amazon gerade seinen Prime-Kunden zukünftig noch mehr Services und Angebote unterbreiten möchte.
Recht gibt ihm Amazon selbst. Schließlich bietet der Versandriese hierzulande seit einigen Monaten erstmals an, dass Prime-Kunden in ausgewählten Städten ihre Bestellungen unter dem Motto „Prime Now“ bereits innerhalb einer Stunde erhalten. Für diese Blitz-Lieferung müssen zwar auch Prime-Kunden noch ein Porto bezahlen, über die Preiserhöhung lassen sich aber natürlich auch solche Services finanzieren. „Gerade logistische Service-Leistungen sind nun mal teuer“, weiß Hudetz.
Gerrit Heinemann: „Auch Kundenzentralität hat ihren Preis“
Gegenüber den Endkunden gebe es zudem nicht so viele Stellschrauben und die Prime-Gebühren würden sich angesichts der Anzahl der Mitglieder als ein Rendite-Hebel eignen. „Dennoch bleibt die Preisanpassung natürlich nicht unerheblich“, relativiert Hudetz. „Ich bin mir aber sehr sicher, dass Amazon die Auswirkungen der Erhöhung prognostiziert hat und Reaktionen sorgfältig beobachtet.“

Denn ihm zufolge ist das Prime-Programm der zentrale Baustein für die weitere Wachstumsstrategie, wo sich Amazon keine Fehler erlauben sollte. Ähnlich sieht das auch Professor Gerrit Heinemann, der sich am eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein mit E-Commerce und Multichannel-Handel beschäftigt.
„Auch bei extremer Kundenorientierung gibt es nichts zu verschenken und auch Kundenzentralität hat ihren Preis“, kann er die höheren Gebühren gut nachvollziehen. „Aber selbst zum höheren Kostensatz gibt es bisher auf dem Markt keine echte Alternative zum Prime Modell.“
Deshalb glaubt er auch nicht, dass Amazon die Prime-Kunden wegbrechen. Im Gegenteil. „Die höhere Gebühr wird wahrscheinlich die Kunden zu noch mehr Käufen anstacheln“, prognostiziert er. Das klingt im ersten Moment kurios. Doch Amazon könnte es gut schaffen, dass Kunden mehr für das Prime-Programm bezahlen und die höheren Ausgaben mit zusätzlichen Käufen wieder reinholen möchten. Denn es gibt tatsächlich keine Alternative von anderen Händlern – auch nicht für verprellte Kunden.
Das sieht Georg Blum ähnlich, der als Inhaber der Agentur 1A-Relations auf CRM-Beratung spezialisiert ist: „Ich glaube, dass nur wenige Kunden kündigen werden.“ Die Steigerung sei prozentual zwar hoch. „Mein Eindruck ist aber, dass viele Prime-Kunden den aktuellen Preis als sehr günstig betrachten.“
Ansonsten sei ein Prime-Abo vergleichbar mit Flatrate-Tarifen für Telefon oder Internet. „Der einzelne Kunde wird kaum feststellen können, ob sich das für ihn lohnt“, argumentiert Blum. „Meist sagt das Gehirn: Ach komm, dann bestelle ich demnächst einfach noch etwas. Oder: Ich nutze das eh schon intensiv, also sind die Mehrkosten akzeptabel.“ So gesehen macht Amazon also alles richtig.
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Wenn die Kunden *sachlich* rangehen, dann werden sie feststellen, dass sich das bei 69 EUR nur dann lohnt, wenn sie als Prime-Kunde nicht nur Produkte bestellen und sich zusenden lassen, sondern auch die Zusatzdienste nutzen (also z.B. Amazon Video).
Nur dann lohnt es sich, sind doch Bestellungen auch für Nicht-Prime Kunden Bestellungen nur dann Versandkosten-pflichtig, wenn deren Wert unter 29 EUR liegt.
Was – so vermute ich – stattdessen passieren wird: Die meisten Kunden werden die oben vollzogene Rechnung nicht machen. Sie sind emotional inzwischen derart pro-Amazon, dass ihnen die 1,67 EUR monatlich mehr – so kündigte Amazon die Zusatzkosten ggb. Prime Kunden an – schlichtweg „nicht jucken“.
Wenn doch, dann ist sicherlich nicht die erste Reaktion: Ich bestell jetzt mal mehr. Die erste Reaktion wird sein: Ich lade jetzt mal (endlich oder mehr) Videos runter.
Naja,
das ist so ja nicht korrekt.
1) Prime bietet garantierte Lieferung am nächsten Tag – ist bei normaler Versandkostenfreier Lieferung auch von Amazon nicht der Fall
2) Prime bietet bspw momentan oft und noch gratis Evening_Express / Same Day
3) Amazon hat die Kunden / Verbraucher mittlerweile tatsächlich so erzogen, dass man Artikel-weise bestellt und nicht Bestellungen sammelt um gemeinsam zu bestellen. Zumal es ja selbst bei Kleinkram oft vorkommt, dass dieser in 2, 3 verschiedenen Paketen kommt. (Dass sich dies für Amazon et al wirklich rechnen kann bzw 1 Pick-Kommissionierung gegenüber mehreren Picks für ein Paket wirklich günstiger ist, glaub ich nicht) Ergo: Grad Alltagsartikel liegen eben oft unter 29 Euro.
4) Durch Prime durch Merchant weitet sich die auswahl Prime-fähiger Artikel auch im Nischenbereich nochmal deutlich aus
Insofern ist der Kundennutzen ausnahmsweise mal durchaus gegeben.
Die Gebühr muss sich am Ende auch tatsächlich lohnen. So werden sicherlich einige auf Dauer auch mehr dort bestellen.