Projekt „Collins“: Otto-Gruppe sieht 4 Pluspunkte für Kunden

„Entscheidend wird sein, ob Kunden in den Collins-Shops einen Mehrwert für sich gegenüber Angeboten von Wettbewerbern wie Asos und Zalando sehen.“

Mit diesem Fazit habe ich zu Beginn dieser Woche meine Analyse beendet, warum der App-Store von Collins (k)ein Killer-Feature ist. Denn bei allen Vor- und Nachteilen des neuen Ökosystems für die Otto-Gruppe und ihre Partner gilt: Wenn Collins-Shops wie Aboutyou keine kritische Masse an Kunden erreichen, dürften die Portale für Entwickler uninteressant bleiben.

About YouBildquelle: Screenshot

Interessant ist vor diesem Hintergrund ein Blick in den gerade frisch veröffentlichen Bericht für das abgelaufene Geschäftsjahr 2013/2014 (Stichtag: 28. Februar). Denn dort beschreibt die Otto-Gruppe auf Seite 15 (PDF), welche Kundenvorteile man beim Online-Shop Aboutyou sieht:

  • State of the Art-Shop im Responsive Design mit 50.000 Artikel beim Start
  • Nahtlos integrierte Apps
  • Personalisierung und Empfehlungsmatrix auf allen Ebenen des Shops
  • Lieferung innerhalb von 2 Werktagen, alle Bezahlarten, 100 Tage Rückgaberecht

Damit bestätigen die Hanesaten indirekt alle Zweifler, die bei Aboutyou.de & Co. aus Sicht der Kunden kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern wie Asos und Zalando sehen. Denn ein State of the Art-Shop ist kein Vorteil, sondern halt nur Standard. Das gleiche Fazit kann man bei Personalisierungen ziehen, die ebenfalls zunehmend zum Standard werden.

Eine Lieferung innerhalb von 2 Werktagen ist auch kein Wettbewerbsvorteil, sondern mehr oder weniger üblich momentan. 100 Tage Rückgaberecht gibt es auch bei Zalando. Der Hinweis auf „alle Bezahlarten“ stimmt zudem nicht, da beispielsweise weder Vorkasse noch Lastschrift angeboten wird (was aber nicht der kriegsentscheidende Punkt sein dürfte). Bei vielen Apps stellt sich dazu die Frage, ob Kunden in den Anwendungen wirklich einen Mehrwert sehen.

Die Otto-Gruppe jedenfalls sieht im Projekt Collins einen „Internet Pure Play, mit dem wir den Markt verändern können“ (Seite 13 im Geschäftsbericht). Ist das realistisch? Momentan wird meiner Meinung nach nach wie vor zu viel über das Ökosystem an sich diskutiert und zu wenig über die Vorteile für (potenzielle) Kunden. Oder sind alle Zweifel unangebracht? Denn nach eigenen Angaben liegt „das Team seit den ersten Tests stabil über dem Plansoll„. Zudem habe man erst ein Fundament gebaut, „das mit jeder Idee, jedem Partner und jeder Kundin wächst“ – wie ebenfalls auf Seite 15 im brandneuen Geschäftsbericht der Otto-Gruppe (PDF) zu lesen ist.

Kurz notiert: Mehr zum Collins-Projekt gibt es von mir gerade auch nebenan bei iBusiness.de.

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8 Kommentare

  1. Ich sehe das ebenfalls etwas kritisch, wie das Konzept umgesetzt wurde.
    Das Hauptproblem sehe ich darin, dass das App-Thema Entwickler-Zentriert und nicht User-Zentriert umgesetzt wurde und sich insofern an Entwickler (die oftmals eher Feature-Verliebt sind) richtet und nicht an User.
    Dies ist auch der Kernunterschied zu Projekt2.0/Bandeln von Arcandor aus dem Jahr 2007/2008 (welches aufgrund der Arcandor-Insolvenz leider nicht ganz fertig wurde).

    Bei Projekt2.0 stand der User im Fokus (also Userzentrierung). Anstatt Apps in einem Developer-Center mit SDK zu bauen konnten sich bei Projekt2.0 Otto-Normal-User einen eigenen Shop funktional und sortimentstechnisch (auf Basis des gesamten Arcandor- und Partner-Sortimentes) mit einfachem WYSIWYG-Editor zusammenklicken. Der daraus entstandene UGS (User Generated Store) konnte von dem User entweder als eigenständiger spezialisierter Shop oder integriert in seinen Blog betrieben werden.

    Zielgruppe für die Ersteller der UGS waren also nicht Entwickler wie bei Otto, sondern normale User bzw. Experten zu einem bestimmten Themengebiet. Natürlich gab es auch die professionelle Zielgruppe. So konnten bspw. Shopping-Widgets für Einzelprodukte dann auch bspw. von Verlagen in ihre Online-Auftritte eingebunden werden oder auch Firmen eigene Spezialshops bauen. Zu denken war hier bspw. an Spezialshops für Kindersitze, Baby-Bodys, etc. , die einfach „zusammengeklickt“ – und dann unter eigenem Brand vermarktet werden konnten. Das gleiche gilt natürlich auch für Vereine, die so auf einfachste Weise einen Vereinsshop, auf dem man dann seine Ausrüstung etc. kaufen kann, zusammenklicken und in die Vereinswebsite integrieren konnten, etc. Möglichkeiten gab es unendliche.

    Hauptzielgruppe waren aber User – denn jeder Mensch ist in irgendetwas Experte und weiss nicht nur, welche Produkte für sein Thema die richtigen sind, sondern auch, welche Funktionalitäten Käufer bei diesem Thema als Kaufunterstützung benötigen.
    Ein einfacher Yoga-Trainer, der Ahnung von Yoga hat und sich über Verkaufsprovisionen noch etwas hinzu verdienen wollte, sollte die einfache Möglichkeit haben, einfach sein KnowHow und seine Kompetenz zu seinem bestimmten Thema einzubringen und somit als Experte für seine Zielgruppe (und nicht als Entwickler) auf einfachste Weise einen bedarfsgerechten Shop speziell für seine Zielgruppe zu bauen.

    Damals lief das Ganze noch unter dem Schlagwort „SocialCommerce“. Die User zu Verkäufern machen. Aber auch mit der Möglichkeit, Content hinzuzufügen – also warum diese oder jene Yoga-Matte so gut ist, was man beachten muss, Video hinzufügen, etc und der Möglichkeit seine eigene Community rund um sein Thema aufzubauen.
    Der Grundgedanke war der, dass sowohl die Qualität des Contents als auch die Glaubwürdigkeit eine viel höhere ist, wenn bspw. ein Yoga-Trainer ein Produkt auswählt und etwas zu diesem Produkt oder Thema sagt, als bspw. ein Quelle Einkäufer (oder bei Otto ein App-Entwickler… 😉 ), etc…

    Also mein Fazit:
    Der Grundgedanke und das Grundkonzept sind gut. Allerdings sehe ich in der Tat ein Problem, dass die Apps eher technikgetrieben anstatt kundenorientiert umgesetzt werden. Man kann natürlich sagen, dass ja der Entwickler Geld verdienen will und er dies nur kann, wenn er kundenorientiert denkt. Aber ein Entwickler, der ggf. nicht vom Fach ist, wird es nicht einfach haben, sich in den Kunden hinein zu versetzen.

    • Nein – da hatte Quelle zusammen mit ePages nur einen kleinen Teilaspekt des Projektes selbst umgesetzt. In Anlehnung an Projekt2.0 und den Amazon aStores…

  2. Ich denke, dass durchaus der Nutzen der Kunden mit der Technologie zusammenpassen. Eine App ist ein Werkzeug für den Kunden – deswegen performen auch Shops als App so schlecht, wenn sie nur das bieten, was auch eine mobil optimierte Seite könnte. Einfach nur mit Yoga-Expertise einen Yoga-Shop zusammenklicken bzw. ins Umfeld eines Yoga-Blogs stellen (wir hatten da ja lange drüber diskutiert, Hagen) war vor Jahren ein erster logischer Schritt. Aber auch da ist dann die bislang leider immer noch typische Social Commerce-Hürde zu nehmen – richtig ans Laufen kommt so ein Ansatz nicht, wenn nicht dahinter auch die Sortimentstiefe, die SEO-Kompetenz etc. stehen.

    Die besondere Chance von Collins läge darin, wenn die Produkte in den Kontext einer Nutzen-App gestellt werden. Das finde ich an „Nachteule.de“ interessant. Ob so was Skalieren kann, lasse ich mal dahin gestellt. Viele kleine Apps machen vielleicht auch mal ganz ordentlichen Umsatz. Aber da sprechen wir m.E. nicht über Monate, sondern eher über 2-3 Jahre, und das hängt m.E. auch ganz entscheidend davon ab, wie sehr überhaupt erst Mal Aufmerksamkeit auf die kleinen Apps und die Plattform gelenkt wird. Bin mal gespannt, ob dafür Geld in die Hand genommen wird.

    Ich frage mich allerdings, was wohl passiert, wenn Zalando den gleichen Weg geht – dem Vernehmen nach denken die Berliner über einen ähnlichen „Move“ nach. Dann hat man das überlegene Search- und Display-Knowhow UND die aus dem Berliner Treibhaus generierte Developer-Community, die für Apps sorgen.

    Also – ich halte Collins für einen in sich tollen Ansatz, um das Sortiment mal ganz anders und wirklich hart am Kundennutzen zu inszenieren (siehe auch mein Blog-Post von heute). Aber: Programmierer ohne Gespür für Kunden-Nutzen haben genau deshalb auch schlechte Karten. Und Kunden-Versteher ohne Programmier-Knowhow leider auch. Wenn nur haufenweise kleine „me-too-Stores“ oder technische Spielereien ohne Mehrwert bei rauskommen, dann bleibt AboutYou hinter den Möglichkeiten des Ökosystems zurück.

  3. Ja, Collins ist sicher eing guter Ansatz.
    2 Fragen stelle ich mir diesbzgl. allerdings:
    Warum hat Amazon seine aStores quasi eingestellt hat – und was passiert, wenn amazon das Ganze dann ganz neu doch wieder zum Leben erweckt??? (außer Zalando, die evtl. Gleiches machen werden.)

    Wie wird aktuell bei Collins das Thema Sortimentsaktualisierung gehandhabt bzw. Sortimentswechsel?
    Wenn eine App wie bspw. Nachteule die richtigen Outfits vorschlägt und die Produkte dann nicht mehr verfügbar sind, sind dann die Apps solange leer, bis der Entwickler Zeit gefunden hat, die App wieder zu aktualisieren?
    Besteht nicht die Gefahr, dass dann überall inhaltslose Apps herumgeistern?
    Wie das Problem der Verfügbarkeit und Sortimentsaktualisierung aktuell gelöst wurde habe ich noch nicht gelesen…

  4. Es stellt sich ja dann zudem die Frage nach Aufwand/Nutzen für den App-Entwickler.
    Beispiel:
    Angenommen ein App-Entwickler betreibt eine Blog mit vllt. 100 Besuchern täglich (meist viellicht sogar Wiederkehrende, die sicher nicht immer wieder bestellen – aber blenden wir das einmal aus) in den die App mit eingebaut wurde. Der Blogbesucher kommt ja anders als bei Online-Shops nicht zum Kaufen. Wenn er also eine Conversion-Rate von 0,1% hat, dann ist das sicher schon gut.
    Wir reden also von 0,1 Bestellungen pro Tag – Also bei 3.000 Besuchern im Monat – was ja nicht schlecht ist – hat er 3 Bestellungen im Monat. Bei einem durchschnittlichen Bestellwert von 100€ wären das also bei 10% Provision 30€/Monat für einen nicht schlecht frequentierten Blog.
    Die Frage ist, ob der App-Betreiber nicht durch den damit verbundenen Aufwand irgendwann die Lust verliert.
    Sicher ist das so, wie bei Affiliate im Allgemeinen – Es gibt gute und schlechte. Ich will damit nur sagen, dass das alles auch für die Entwickler nicht unbedingt ein Selbstläufer sein muss…

    • Wichtig wird es daher sein, eine echte Fanbase zu entwickeln, die das ganze aus intrinsischer Motivation heraus machen und weil sie AboutYou toll finden – und nicht aus der Motivation heraus, damit Geld verdienen zu wollen.
      Das Thema Entwickler-Community- und passendem Marken-„Management“ (Kultmarke entwickeln) wird daher aus meiner Sicht einen herausragenden Stellenwert einnehmen müssen.

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  1. Otto will mit dem Modell “Collins” und z.B. “About You” Gas geben – Wird es funktionieren? |

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