Marketingfehler triggern Retouren in Deutschland

von Joachim Graf

16.03.2023 Warenrücksendungen sind der größte Gewinnvernichter im deutschen E-Commerce. Doch viele Gründe, weswegen Kundinnen und Kunden gekaufte Produkte zurückschicken, sind hausgemacht, wie unsere repräsentative Studie ermittelt hat.

 (Bild: Falco/ Pixabay/ CC0)
Bild: Falco/ Pixabay/ CC0
Retouren sind seit Jahren ein kontinuierlicher betriebswirtschaftlicher Aderlass für Deutschlands Onlineshop-Betreibende. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie alle vorliegenden Untersuchungen belegen. Rund die Hälfte der Deutschen schickt beispielsweise laut der Statista Global Consumer Survey   Onlinebestellungen zurück. Besonders oft werden Bekleidung und Schuhe retourniert (32 Prozent), deutlich seltener gehen dagegen Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte zurück (jeweils fünf Prozent). Besonders niedrig ist die Quote beispielsweise bei Kosmetik und Lebensmitteln (jeweils drei Prozent).

Eigentlich wollen die Bundesdeutschen keine Onlinepakete zurüchschicken: Die Retourenabsicht der deutschen Online-KundInnen lag im ersten Halbjahr 2022 weiter auf signifikant niedrigem Niveau. Das zeigt ein Vergleich der seit 2017 wöchentlich vom Handelsverband bevh erhobenen Daten zum Konsumverhalten im Internet.

Demnach gaben zum ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich neun von zehn Online-KundInnen (89,9 Prozent) an, die von ihnen bestellte Ware behalten zu wollen. Dieser Wert wird auch von unserer jetzt durchgeführten repräsentativen Retouren-Deutschlandstudie bestätigt: Nur 11,7 Prozent der Befragten nutzen nach eigenen Angaben demnach Retouren, um das eigene Einkaufsverhalten zu optimieren - beispielsweise, indem gleich mehrere Größen von Textilien bestellt werden.

Das Hamburger Marktforschungsinstitut Splendid Research   hat für uns nach 2019 und 2020 zum dritten Mal 1.015 Bundesbürger und Bundesbürgerinnen in einer bevölkerungsrepräsentativen Erhebung gefragt. Ziel war es herauszufinden, warum die Deutschen online bestellte Waren überhaupt zurückschicken.

Wenig verwunderliches Ergebnis in unserer aktuellen Erhebung: Der Großteil der Retouren ist produktabhängig. Über 60 Prozent aller Retouren kommen daher - deutlich mehr als noch im Jahr 2019. Dabei sind es vor allem nicht passende Kleidung und schlecht verarbeitete Waren, die für die Rücksendung verantwortlich sind. Bedenklich ist, das immer mehr Menschen Produkte zurückschicken, weil sie schlicht kaputt sind. War das im Jahr 2020 noch einer von drei Befragten, so ist es inzwischen mehr als jeder Zweite, der Defekte als Grund dafür angibt, Produkte zu retournieren.

Falsche, irreführende oder missverständliche Produktbeschreibungen sind laut den Befragten für knapp jeden Dritten der Grund, online gekaufte Produkte zurückzuschicken, wie unsere kumulierte Analyse der Retourentrigger ergibt. Wenn man die Mehrfachbestellungen wegen alternativen Größen und Ausführungen zur Hälfte dem Marketing zuschlägt, dann sind es zwei von fünf Retouren, die man mit besseren Produktbeschreibungen, ausführlicheren Erklärungen und optimierten Größen- und Versionsanzeigen zumindest zum Teil in den Griff bekommen könnte. Vor allem mit der Optimierung der Darstellung von Größen und Passformen sollten sich Handelsmarketer intensiv auseinandersetzen, wenn sie mithelfen wollen, ihre Retourenquote zu senken.

In der Coronazeit hat sich offensichtlich das Retourenverhalten verändert: So haben deutlich weniger Befragte als zu Vor-Corona-Zeiten angegeben, dies wegen schlechter Verarbeitung zu tun. Auch die vorab geplanten Retouren - Mehrfachbestellungen wegen unterschiedlicher Größen, Farben oder Ausführungen - sind leicht zurückgegangen.

Deutlich gestiegen hingegen ist der Anteil derjenigen, die angegeben haben, dass sie online gekaufte Produkte zurückschicken würden, die kaputt seien - von zwei Fünftel der Befragten im Jahr 2020 auf aktuell mehr als die Hälfte. Mehrfachnennungen waren möglich.

Deutliche Unterschiede beim Retourenverhalten

In der demografischen Detailauswertung haben wir die Abweichungen nach Alter, Geschlecht, Einkommen, Familienstand, Ausbildung und Berufsabschluss ausgewertet. Einige Erkenntnisse kann man aus den Werten gewinnen:
  • Männer lassen sich von falschen Beschreibungen im Onlineshop weniger oft als Frauen dazu bringen, ein Produkt zurückzuschicken, dafür schicken Sie Modeprodukte öfter zurück, wenn diese nicht passen - Männermode muss wohl, was Größenangaben angeht, deutlicher gekennzeichnet sein als bei der Frauenzielgruppe.
  • Es sind vor allem Frauen, die Produkte in mehreren Ausführungen bestellen, um die nicht gefallenden dann zurückzuschicken.
  • Je höher das Haushaltsnettoeinkommen ist, umso wichtiger ist es, dass alles passt - und umso wichtiger ist die exakte Produktbeschreibung, die keine Fehlinterpretationen zulässt.
  • Je jünger ein Käufer ist, umso häufiger bestellt er gleich mehrere Versionen eines Produkts.
  • Die Generation 60plus macht deutlich seltener Mehrfachbestellungen, dafür ist das "passt nicht" hier ein überdurchschnittlicher Retourengrund.

Wie man Retouren senken kann

In seiner Studie "Die Psychologie der Retoure" hat die E-Commerce-Beratung Elaboratum gemeinsam mit dem Software-Anbieter Behamics   und der Universität St. Gallen   ein Feldexperiment mit mehr als 100.000 Online-Shoppern und Online-Shopperinnen durchgeführt. Dabei wurde empirisch untersucht, wie sich verhaltenspsychologische Interventionen auf das Rücksendeverhalten der KundInnen auswirken.

HändlerInnen und KundInnen sind sich im Prinzip einig: Es ist uneingeschränkt positiv, Retouren zu reduzieren. Doch in der Realität sind Rücksendungen immer noch gängige Praxis. Eine Erklärung für diesen Widerspruch liefert das so genannte "Intention-Action-Gap". Wir alle wollen nachhaltiger leben und dazu beitragen, das Paketvolumen zu senken - die "Intention" ist also vorhanden.

Dennoch sinkt die Retourenquote seit Jahren nicht signifikant - an der "Action" mangelt es offensichtlich. Denn im Entscheidungsmoment fehlt es an wirksamen Impulsen, die eigenen guten Intentionen in konkrete Aktionen zu überführen. Herauszufinden, ob verhaltenspsychologische Interventionen das Retourenverhalten beeinflussen können, war Ziel des verhaltensökonomischen Retouren-Experiments.

Hilfe durch verhaltenspsychologische Interventionen?

In der Studie sollte die Frage geklärt werden, ob verhaltenspsychologische Interventionen die Lücke zwischen "Intention" und "Action" schließen und das Retourenverhalten der KundInnen signifikant beeinflussen können.

Dazu wurde das echte Verhalten von NutzerInnen in verschiedenen Online-Shops analysiert und ausgewertet. Grundlage dafür waren randomisierte Experimentaldesigns: BesucherInnen der Online-Shops wurde nach dem Zufallsprinzip an einem bestimmten Kontaktpunkt (z.B. Bestellbestätigung bei Kaufabschluss) oder ausgelöst von einer bestimmten Aktion (z. B. wenn mehrere Größen eines Artikels in den Warenkorb gelegt werden) eine von mehreren hinterlegten Interventionen ausgespielt. Beispiele für solche Interventionen sind Verweise auf das Verhalten anderer KundInnen (Soziale Normen) oder auf den persönlichen Zeitverlust, der durch eine Retoure entsteht (Verlustaversion).

Die Reaktionen auf die Interventionen wurden dann mit dem Verhalten von KundInnen verglichen, die keine entsprechende Botschaft gesehen haben. Durch dieses Vorgehen ist sichergestellt, dass die gemessenen Unterschiede zweifelsfrei auf die Wirkung der jeweiligen Intervention zurückgeführt werden können. So konnte ermittelt werden, welche Intervention eine retouren-reduzierende Wirkung hat und wie stark diese ist.

Behavior Patterns senken Retourenquote um rund vier Prozent

Die Studienergebnisse belegen, dass verhaltenspsychologisch fundierte Interventionen zu signifikanten Verhaltensänderungen führen können - und das ganz ohne monetäre oder restriktive Maßnahmen. Quer über vier durchgeführte Experimente hinweg wurde ersichtlich, dass die Retourenrate bereits mit den im Rahmen dieser Studie verwendeten Mitteln um rund vier Prozent gesenkt werden kann.

Eine weitere konzeptionelle Verfeinerung der Interventionen, zusätzliche Behavior Patterns und Training des Interventionsalgorithmus könnten diesen Wert auf mindestens fünf Prozent steigern, so die Autoren. Doch allein vier Prozent weniger Retouren bedeuten in Zahlen jährlich 15,75 Millionen weniger Rücksendepakete in Deutschland und damit rund 13.000 Tonnen weniger CO2. Um diese Menge zu kompensieren, müssten wir ansonsten 13 Millionen große Bäume pflanzen.
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Kommentar von Susan Rönisch

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