E-Commerce-Recht: Händlern droht Abmahnwahn bei Amazon

von Stephan Randler

25.07.2017

 (Bild: NH-Pressebild)
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Bild: NH-Pressebild unter Creative Commons Lizenz
Wer als Händler auf Amazon aktiv ist, kann derzeit nicht sicher vor Abmahnungen sein. Händler können im Grunde nichts tun, außer von geschäftlichen Kontakten mit Amazon abzusehen. Warum ein Gericht das empfiehlt und welche Hintergründe aktuelle Abmahnwellen bei Amazon haben, berichtet der renommierte Rechtsanwalt Rolf Becker in einem aktuellen Gastbeitrag. Früher hat es Online-Händler hauptsächlich bei Angeboten auf eBay erwischt, nun ist man auch auf Amazon in der Realität der Abmahnungen angekommen. Es trifft aber kaum Amazon selbst, sondern Händler auf dem Amazon Marketplace. Warum soll man es sich auch mit dem Riesen verscherzen? Allein aktuell sind mindestens zwei Abmahnvereinigungen und eine Reihe Vielfachabmahner dabei, Händler wegen fehlender Angaben zu Garantien oder Testergebnissen oder irreführenden Angaben und Abbildungen bei Amazon-Angeboten abzumahnen. Dabei scheut man auch nicht davor zurück, mehrere Abmahnungen hintereinander gegenüber dem gleichen Händler auszusprechen oder auf Verfügungen hin Ordnungsgelder zu beantragen - selbst wenn man auch Amazon-Händler ist.

Rechtlicher Hintergrund

Das Fernabsatzrecht fordert über 20 Kerninformationen vom Händler für Kunden und die müssen vor Abgabe der Bestellung realisiert sein. Dazu gehören die Garantiebedingungen, wenn im Amazon-Angebot mit einer Garantie geworben wird. Hinweise wie "3 Jahre Herstellergarantie" ohne weitere Angaben führen direkt in die Abmahnfalle. Da muss etwa ein Händler mit seinen 15.000 bei Amazon gelisteten Artikeln schon sehr aufwändig hinschauen, wenn er seine Daten bei Amazon einstellt. [wysija_form id="2"] Hersteller und Plattformen liefern Händlern zudem oft Datensätze mit Tretminen. Das kann man bedauern. Doch ein Händler muss nach der Rechtssprechung auch mehr Aufwand betreiben, wenn er sein Geschäft ausdehnt und über Marktplätze verkauft. Mit Such- und Filterprogrammen kann man jedenfalls reizwortbehaftete Datensätze ausfiltern und korrigieren. Hersteller sollten dies schon tun und entweder Angaben zur Garantie komplett herausnehmen oder gleich vollständig liefern.

Amazons strukturelle Abmahnunterstützung

Schwierig wird die Sache aber dadurch, dass sich Händler bei Amazon an die Daten von Dritten anhängen. Da bieten oft gleich 20 Händler zum gleichen Datensatz einen USB-Stick an. Wenn jetzt einer der Beteiligten mit Schreibrecht die Sequenz "mit Herstellergarantie 2 Jahre" in den Datensatz einschleust und dann ein anderer befreundeter Händler erbost seinen Anwalt mit der Abmahnung wegen fehlender Angaben zur Garantie beauftragt, trifft es die übrigen 18 Anbieter dieses Artikels. Selbst wer einmal in einer Woche seine Amazon-Angebote kontrolliert, kann sich damit vor Gericht nicht entschuldigen. Denn das reicht den Gerichten nicht aus. Ob man nur täglich oder gar stündlich prüfen müsste, ist ungeklärt. Vieles spricht dafür, dass aus Rechtsgründen schon im Moment, in dem die Angaben eingestellt werden ein Abmahngrund geschaffen wird, der nicht mehr aus der Welt zu bekommen ist. So wird durch die Datenbereitstellung bei Amazon ein wunderbares Abmahnfeld geschaffen. Selbst ursprünglich ordnungsgemäße Angebote können so schnell zu einer Falle werden.

Abhilfe möglich

Nun kann Amazon einwenden, dass durchaus nicht jeder die Daten ändern kann. Aber Schreibrechte haben mehr Händler, als es einem lieb sein kann. Amazon verzichtet offenbar auch auf wirksame Datenkontrollen. Amazon gibt in aller Regel weder preis, wer die letzte Datenänderung durchgeführt hat, noch welche es war. Was spricht dagegen, Änderungen durch einen Händler kenntlich zu machen? Und was spricht dagegen, dass solche Änderungen von weiteren Anbietern eines Artikels innerhalb einer Frist bestätigt oder geblockt werden müssen? So ein Verfahren würde sicherlich dafür sorgen, dass saubere Datensätze nicht so leicht in Abmahnfallen verwandelt werden können wie bisher. Das alles dürfte Amazon nicht neu sein. Allein es tut sich nichts, obwohl sich viele Händler beschweren, Verbände angehen und um Abhilfe ringen. Wirklich bewegen könnte sich wohl erst etwas, wenn Amazon mit in die Haftung genommen wird als Mittäter von wettbewerbswidrigen Handlungen. Doch Händler haben Angst, bei einer Klage von Amazon ausgelistet zu werden. Aber hier könnten Verbände einmal ihrer Funktion nachkommen. Es dürften sich jedenfalls genügend Händler finden, die Klagen finanziell unterstützen und Amazon durch Hinweise auf falsche Angebote bösgläubig machen. Besser wäre natürlich, wenn Amazon selbst die Situation für die Händler verbessert. Bis dahin helfen nur Gegenabmahnungen - oder der Abschied von Amazon. Gerichte haben jedenfalls eine klare Empfehlung an Händler, wie ein Urteil des LG Arnsberg (Aktenzeichen I-8 O 10/15) zeigt. Demnach "dürfte es auch zumutbar sein, von weiteren geschäftlichen Kontakten mit Amazon abzusehen". Angesichts der großen Reichweite von Amazon   kann sich diese Option aber kaum ein Händler leisten.
Rolf Becker
Rolf Becker (Bild: eigenes Foto)
Rechtsanwalt Rolf Becker   (siehe Foto) ist Mitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. GRUR und Mitglied des ECC-Club, eine Vereinigung zur Unterstützung des ECC-Handel und ständiger Teilnehmer in der Expertenrunde Recht der Stiftung Warentest (Finanztest). Neben der Beratung im Werbe- und Wettbewerbsrecht sowie zu Urheber- und Markenrechtsfragen im Distanzhandel und dem E-Commerce liegen weitere Schwerpunkte in der Beratung zum Direktmarketing, IT-Recht und dem Datenschutzrecht.
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