„Amazon Fresh“ in Deutschland: Nur die Konkurrenten expandieren

Im Mai 2017 ist der Online-Supermarkt „Amazon Fresh“ in Deutschland gestartet. Zwar hatte Amazon seinen neuen eFood-Service zunächst nur Kunden in Teilen von Berlin und Potsdam angeboten, doch wenige Monate später wurden weitere Liefergebiete erschlossen und „Amazon Fresh“ sowohl Kunden in Hamburg (Start: Juli 2017) als auch Verbrauchern in München (November 2017) verfügbar gemacht.

Amazon Fresh
Lager für „Amazon Fresh“ (Bild: Amazon)

Anderthalb Jahre später ist es vergleichsweise still um den Online-Supermarkt geworden, der zwar nach wie vor in Deutschland angeboten wird. Weitere Liefergebiete sind seit dem Start in München aber nicht dazu gekommen.

Weil das Geschäft vielleicht doch nicht so läuft wie erhofft? Davon kann laut Amazon keine Rede sein. „Wir sind sehr zufrieden und freuen uns über die vielen positiven Rückmeldungen“, betont Amazon Deutschland auf Nachfrage von neuhandeln.de. „Wir überlegen uns sehr spezifisch und methodisch, wie wir den Service erweitern und nehmen uns Zeit, ihn weiter zu verbessern.“

Wann „Amazon Fresh“ in den nächsten Gebieten startet, bleibt so aber weiter im Dunkeln. Offensiver vermarkten ihre Liefer-Services dagegen die Online-Supermärkte GetNow.de und Picnic. Die GetNow GmbH hat erst im vergangenen Herbst einen dritten Standort in Neuss (bei Düsseldorf) eröffnet und beliefert damit nun auch Kunden im Rheinland, nachdem das Start-Up im Jahr 2017 in München und Berlin an den Start gegangen war. Langfristiges Ziel von GetNow ist die deutschlandweite Expansion.

Eine schnelle Expansion in Deutschland verfolgt letztlich auch Konkurrent Picnic (siehe Video), der aus Holland stammt und seit dem vergangenen Jahr in Deutschland aktiv ist. Hierzulande beliefert der Online-Supermarkt nun erstmals auch Kunden über einen Hub in Krefeld, nachdem es bisher solche Standorte in Neuss und Mönchengladbach gegeben hat. Ködern will Picnic die Kundschaft mit einer prinzipiell kostenlosen Lieferung – was es ja so weder bei GetNow.de noch „Amazon Fresh“ gibt.

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Zur Erinnerung: Bei „Amazon Fresh“ können nur Kunden kaufen, die über eine kostenpflichtige Prime-Mitgliedschaft verfügen (Gebühr: 69 Euro pro Jahr) und zusätzlich eine Pauschale von 9,99 Euro im Monat berappen. Dann können Prime-Kunden zwar beliebig oft im Online-Supermarkt bestellen, eine Gratis-Lieferung gibt es aber nur ab einem Bestellwert ab 40 Euro (Berlin, Potsdam und Hamburg) bzw. 50 Euro in München. Sonst beträgt das Porto auch noch 5,99 Euro. Kommissioniert wird in eigenen Depots, die Zustellung erfolgt über DHL. Auf diesen Logistik-Dienstleister vertraut auch GetNow.

Im Gegensatz zu Amazon werden Bestellungen hier aber in vorhandenen Märkten bei der auf Großhandel spezialisierten Metro Deutschland GmbH kommissioniert und mit DHL den Kunden zugestellt. Lieferkosten betragen jeweils 4,99 Euro, ab 60 Euro Bestellwert entfallen sie ganz.

Bitkom

Das ist bei Picnic wiederum immer der Fall – bei einem Mindestbestellwert von 25 Euro. Möglich macht dieses kundenfreundliche Pricing nach eigenen Angaben ein selbst entwickelter Algorithmus für die Routen-Planung, der unter anderem die Artikelzahl einer Bestellung sowie Gewicht und Lage der Wohnung eines Kunden berücksichtigt. So könne Picnic exakt planen und dem Kunden ein präzises Zustellfenster angeben. Bearbeitet werden Bestellungen über eigene Mitarbeiter in einem Fulfillment Center in Viersen sowie Hubs in Neuss, Mönchengladbach und Krefeld, von wo aus eigene Fahrer die Ware in Elektro-Vans zu Kunden bringen. Die Ware stammt unter anderem von Edeka Rhein-Ruhr.

Die Angst der Verbraucher vor der Gammel-Tomate

Unterschiedlicher könnten die Konzepte kaum sein, mit denen die eFood-Anbieter um die Kundschaft buhlen. Dabei spricht für Amazon die bekannte Marke, die Wettbewerber erst aufbauen müssen. GetNow hat dafür ein schlankes Geschäftsmodell, während Picnic bei der Lieferung punkten kann.

Die zentrale Frage bleibt aber, welche Kunden diese Online-Supermärkte überhaupt erreichen. Denn laut einer aktuellen Verbraucherbefragung vom Digitalverband Bitkom kaufen aktuell zwar 80 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren online ein – umgerechnet rund 56 Mio. Bundesbürger. Lebensmittel haben im vergangenen Jahr dennoch erst 29 Prozent der Befragten bestellt. Vor zwei Jahren lag der Vergleichswert bereits bei 28 Prozent, so dass sich hier seitdem wenig getan hat. Kein Wunder. Denn laut Bitkom schrecken Verbraucher gerade davor zurück, frische Lebensmittel online zu bestellen.

Bereits in den vergangenen Jahren hatten Marktstudien immer wieder ergeben, dass Verbraucher frisches Obst, Wurst und Käse vor dem Kauf selbst einmal gerne begutachten wollen. Gut möglich daher, dass der Markt für e-Food hierzulande an der Mentalität der Deutschen scheitert. Dazu gibt es gerade in Städten vor Ort viel Angebot und daher wenig Bedarf, online Lebensmittel einzukaufen.

Für Picnic gelten diese Argumente trotzdem nicht. „Wir haben in sehr vielen Gesprächen festgestellt, dass die Bereitschaft der Deutschen, Lebensmittel online zu bestellen, prinzipiell schon hoch ist“, argumentiert Frederic Knaudt aus dem Gründerteam von Picnic in Deutschland. „Allerdings fehlte es bislang an attraktiven und erschwinglichen Angeboten auf dem Markt.“ Das klingt zwar plausibel. Außer das eFood-Angebot fehlt leider halt doch, weil es von den Konsumenten zu wenig Nachfrage gibt.

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3 Kommentare

  1. Wir haben Amazon Fresh auch nur mal probehalber getestet. Aber generell eine Gebühr dafür zu zahlen und dann noch höhere Preise für einzelne Artikel als im Geschäft zu zahlen, ist es mir nicht wert. Da schlender ich doch lieber durch den Supermarkt.
    Viele Grüße
    Daniel

  2. Wer wird wohl in 3 Jahren noch da sein und Lebensmittel versenden?

    Zitat Amazon: „Wir überlegen uns sehr spezifisch und methodisch, wie wir den Service erweitern und nehmen uns Zeit, ihn weiter zu verbessern.“

    Zitat Picnic: „Wir haben in sehr vielen Gesprächen festgestellt, dass die Bereitschaft der Deutschen, Lebensmittel online zu bestellen, prinzipiell schon hoch ist.“

    Ich nehm „jede Wette“ an, dass es anders kommt wie der Artikel vermuten läßt.

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