Lieferkettengesetz verunsichert Unternehmen

von Susan Rönisch

17.01.2023 Seit dem 1. Januar 2023 gilt das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland. Doch in Hinblick auf die Umsetzung fühlen sich Unternehmen zunehmend unsicher: Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass viele Unternehmen bislang noch kein effektives Risiko-Management-System zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes haben.

 (Bild: Pixabay)
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Während im Februar 2022 noch 58 Prozent der Unternehmen angaben, über ein effektives Risiko-Management-System zur Evaluierung von Environmental Social Governance (ESG)-Risiken zu verfügen, sagen dies jetzt nur noch 42 Prozent. 73 Prozent können nicht einmal beurteilen, ob ihre direkten Lieferanten überhaupt ESG-Standards einhalten. Dieser Wert lag im Februar 2022 noch bei 60 Prozent. Der Business-Spend-Management-Anbieter Coupa   befragte im Dezember 2022 etwa 100 Entscheidungstragende für Supply-Chain-Themen in Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Deutschland zu ihrer Vorbereitung auf das neue Lieferkettengesetz.

Durch das neue Lieferkettengesetz werden Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten verpflichtet zum Schutz der Menschenrechte beizutragen, indem sie entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen einführen sowie Standards in Bezug auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance - kurz ESG) einhalten. Ab Januar 2024 gilt das Gesetz auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.

Bei der ersten Coupa-Befragung im Februar 2022 standen die meisten Unternehmen noch am Anfang ihrer Vorbereitungen auf das Lieferkettengesetz. Jetzt ist es da und den Unternehmen wird endlich - und wahrscheinlich schockierend - bewusst, was es wirklich bedeutet. Die schlechteren Werte der jetzigen Befragung zeigen, dass sie - nachdem sie sich eingehend mit den Anforderungen befasst haben - das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, das neue Gesetz einzuhalten, verloren haben.

Laut der Studie sind die Anforderungen des Lieferkettengesetzes für einige Unternehmen viel zu komplex: 27 Prozent, also fast ein Drittel der Unternehmen, wissen überhaupt nicht, mit wie vielen Lieferanten ihre Lieferanten zusammenarbeiten - doch die Sorgfaltspflichten erstrecken sich über die gesamte Lieferkette, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt.

Neue gesetzeskonforme Lieferanten zu finden, ist laut den Unternehmen noch langwieriger geworden: Im Februar sagten noch mehr als ein Drittel der Befragten (35 Prozent), dass sie innerhalb von wenigen Tagen neue Lieferanten finden können, um das Lieferkettengesetz einzuhalten. Heute sagen dies nur noch 19 Prozent. Durchschnittlich haben die befragten Unternehmen 2.245 direkte Lieferanten. In den vergangenen zwölf Monaten haben sie rund sechs Prozent ihrer Lieferanten (durchschnittlich 132 Lieferanten) gewechselt, um Risiken zu reduzieren oder das Lieferkettengesetz einzuhalten.

Lieferkettengesetz treibt Digitalisierung voran

88 Prozent der deutschen Unternehmen haben bereits in den Kauf bzw. die Entwicklung neuer Technologien investiert, um sich auf das Lieferkettengesetz vorzubereiten. Die meisten Unternehmen (61 Prozent) sehen dabei positive Auswirkungen des Gesetzes auf das digitale Beschaffungswesen. Das gilt insbesondere für Unternehmen mit 1.000 bis 2.999 Beschäftigten, von denen 72 Prozent dem Lieferkettengesetz zuschreiben, die Digitalisierung in diesem Bereich zu fördern. Dabei findet gerade jedes zweite dieser befragten Unternehmen (52 Prozent), dass seine bestehende Technologie nicht für die Einhaltung der Vorgaben des Lieferkettengesetzes ausgelegt ist und ein Hindernis darstellt. Bei Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten - also den Unternehmen, die seit Anfang des Jahres unter das Gesetz fallen - ist es auch immerhin mehr als ein Viertel (27 Prozent).

Insgesamt planen Unternehmen, je nach Größe durchschnittlich zwischen 1,2 und 3,6 Millionen Euro in die Maßnahmen zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes zu investieren. Davon haben sie heute bereits etwa zwischen 0,6 und 2,5 Millionen Euro ausgegeben.

Den Studienautoren zufolge arbeitet der Großteil der Unternehmen mit sehr verworrenen Datensätzen über ihre Zulieferer. Das bedeutet, dass sie weder genaue Informationen über ihre Lieferanten haben, geschweige denn die ESG-Details kennen, die sie jetzt sammeln müssen. Diese Situation sei ganz klar einer technologischen Lücke sowie einem fehlenden aktiven Risikomanagement-Prozess in ihren Unternehmen geschuldet.
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