Überblick: Darauf müssen Versender bei Lieferzeitangaben achten

„Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar“: Diese Angabe zur Lieferzeit eines Artikels genügt nicht den rechtlichen Anforderungen an den Versandhandel. Das hat aktuell das LG München entschieden (Az. 33 O 20488/16). Doch wie texten Online-Händler nun rechtssichere Angaben zu Lieferzeiten? Der auf Versandhandel spezialisierte Rechtsanwalt Rolf Becker fasst für neuhandeln.de zusammen, auf was Online-Händler generell achten müssen.

Generell gilt: Im BGB regelt Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 7, dass Versandhändler die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen zur Verfügung stellen müssen und den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss. Dabei muss nach häufig vertretener Ansicht kein Datum angegeben werden, dafür aber eine Lieferfrist. Die Pflichtangabe zum Liefertermin in jedem Angebot (wo man Ware in den Warenkorb legen kann) gilt also auch, wenn Ware sofort lieferbar ist.

Tatsächlich ist es fast nicht möglich, einen Liefertermin bei gedruckten Werbemitteln (Katalog, Flyer) anzugeben. Hier reicht auch nach unserer Auffassung die Angabe einer Lieferfrist (Lieferzeit 2 Tage, 3 Werktage, 4 Wochen usw.). Online ist eine dynamische Angabe möglich. Beispiel: „Wenn Sie in den nächsten 3 Stunden bestellen, erfolgt die Lieferung bis spätestens Freitag, den 11. März 2018.“

Solche Angaben erwartet der Verbraucher direkt beim Produktangebot (so z.B. LG Koblenz, Urteil v. 07.02.2006, Az: 4 HK O 165/05). Also sollte überall dort, wo er bestellen kann (Warenkorb-Symbol), zumindest per Link auf die Information zur Lieferzeit geführt werden. Wenn Lieferzeiten kürzer sind als angegeben, kann dies auch problematisch werden – wenn der Kunde (noch) nicht mit einer Lieferung rechnet. Zu empfehlen ist ein Hinweis. Und was ist, wenn die Ware doch verfügbar ist, obwohl im Angebot eine Verfügbarkeit verneint wird? Kein Problem – sagt das LG München (Az. 21 O 13020).

Aber Achtung: Gibt man eine Lieferzeit an, dann muss man das präzise formulieren. Unbestimmte Angaben wie „in der Regel“ oder „voraussichtlich“ sind nach vielen Urteilen zu unbestimmt. „Ca.-Angaben“ wurden dagegen meist toleriert (LG Frankfurt, Az. 2-31 O 128/07; OLG Bremen, Az: 2 U 42/09). Das Kammergericht Berlin hatte schon 2007 eine Angabe mit „in der Regel“ als nicht hinreichend bestimmt angesehen (5 W 73/07), da „ein Durchschnittskunde ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung in der Lage sein muss, das Ende einer Lieferfrist selbst zu erkennen“.

Auch Klauseln sind meist unzulässig (OLG Frankfurt, 1 U 127/05). Demnach ist die Aussage „Angaben über die Lieferfristen sind unverbindlich, soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt wurde“ wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers unwirksam.

Die Angaben zur Lieferzeit müssen selbstredend immer und zu jeder Zeit stimmen. Waren, die nicht oder nicht mit Lieferzeit angegeben werden können, dürfen schon nach aktueller Rechtslage gar nicht online angeboten werden bzw. es muss deutlich auf die Nichtverfügbarkeit der Ware hingewiesen werden. Wird etwa angegeben „Lieferzeit 2 bis 4 Tage“, obwohl weder Händler noch Zulieferer über Lagerbestand verfügen, dann ist dies irreführend (LG Hamburg, Urteil v. 12.05.2009, Az: 312 O 74/09).

Bei einem großen Versender wurde auch mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer“ gearbeitet. Diese Angabe erscheint uns zu unbestimmt (so auch OLG Bremen, Az: 2 U 49/12). Auch Widersprüche können in die Abmahnung führen, wie ein Urteil des LG Bochum zeigt (I-13 O 55/13). Dort war bei einer Bestellung bis werktags um 11 Uhr eine Versendung am gleichen Tag angekündigt, an anderer Stelle hieß es „gewöhnlich versandfertig in 3-5 Wochen“. Laut dem Urteil überzeugt „die Differenzierung zwischen Lieferfrist, Warenverfügbarkeit und Versandfertigkeit“ nicht. Denn es geht um die Angabe, wann Ware beim Kunden eintrifft – und nicht etwa um die Zeit, in der die Ware versandfertig ist.

Wenn erst noch Bedingungen eintreten müssen, sollten Sie darauf hinweisen, z.B. mit „Lieferzeit 2-5 Tage; bei Vorkasse ab Zahlungseingang“ (LG Hamburg, 312 O 733/08). Möglich ist auch die Angabe „Lieferung innerhalb von 24 Stunden“ in einer Adwords-Anzeige, wenn sofort auf der Startseite des Shops erklärt wird, dass die Bestellung bis 16:45 Uhr eingehen muss (OLG Hamm, 4 U 19/09 WB-K).

Solche Informationen müssen Verbraucher auch „auf dauerhaftem Datenträger“ erreichen. Infos zur Lieferfrist gehören damit nicht nur in den Shop, sondern z.B. auch in die Bestelleingangsbestätigung.

Rolf Becker
Rolf Becker (Bild: eigenes Foto)

Rechtsanwalt Rolf Becker (siehe Foto) ist Mitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. GRUR und Mitglied des ECC-Club – ein Netzwerk für E-Commerce und Cross-Channel – und ständiger Teilnehmer in der Expertenrunde Recht der Stiftung Warentest (Finanztest).

Neben der Beratung im Werbe- und Wettbewerbsrecht sowie zu Urheber- und Markenrechtsfragen im Distanzhandel und dem E-Commerce liegen weitere Schwerpunkte in der Beratung zum Direktmarketing, IT-Recht und dem Datenschutzrecht. E-Mail-Kontakt: rbecker@kanzlei-wbk.de

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