Produkt statt Händler: Was die eBay-Neuerungen bedeuten

Der deutsche Online-Marktplatz eBay.de hat in den vergangenen Tagen sein Online-Angebot immer wieder überarbeitet. Das Ergebnis sind neue Leistungen für Händler und Kunden, die sowohl Käufern als auch Verkäufern auf dem Online-Marktplatz einen besseren Service bieten sollen. Konkret hat eBay deshalb zwei grundlegende Neuerungen angestoßen, die einen nachhaltigen Effekt haben dürften:

  • Zum einen gibt es neue Verkäuferstandards, mit denen sich Händler auf eBay bewerten lassen
  • Zum anderen können Kunden nun auch erstmals Produkte bei eBay mit Rezensionen bewerten

Mit den neuen Verkäuferstandards reagiert eBay nach eigenen Angaben auf die Wünsche seiner Handelspartner. „Das Feedback unserer Verkäufer hat gezeigt, dass sie sich objektive und faire Verkäuferstandards wünschen – mit weniger subjektiven Bewertungen von Käufern“, argumentiert eBay gegenüber neuhandeln.de. Mit den neuen Verkäuferstandards ermögliche eBay seinen Händlern nun eine bessere Kontrolle über ihren Servicestatus – was auch tatsächlich in der Praxis passieren sollte.

eBay Produktbewertungen
eBay.de lässt seine Kunden nun erstmals Produkte bewerten (Bild: Screenshot)

Denn eBay bewertet den Service-Status seiner Händler über eine so genannte „Mängelquote“, bei der Transaktionen mit Mängeln im Verhältnis zu allen eBay-Verkäufen gesetzt werden (Anmerkung: Diese Quote ist nur für Verkäufer im System sichtbar, aber nicht für Kunden bei eBay öffentlich einsehbar).

Wenn diese Quote einen Anteil von 0,5 Prozent an allen Verkäufen übersteigt, können Händler zum Beispiel nicht mehr als „Verkäufer mit Top-Bewertung“ bei eBay verkaufen. Klettert der Wert über 2,0 Prozent, so stuft eBay den Service eines Handelspartners als „unterdurchschnittlich“ ein – und das hat Folgen. Denn im Anschluss werden die Angebote dieser Händler auf Suchergebnisseiten bei eBay.de schlechter platziert, im schlimmsten Fall werden Händler sogar vom Marktplatz ausgeschlossen.

Objektivere Bewertung: Händler gleichen ihre Standards an

Das klingt drastisch, hat aber seine Gründe. Denn über die Mängelquote will eBay nicht nur schwarze Schafe aussieben, sondern auch die kompetenten Händler mit mehr Sichtbarkeit belohnen. Das wiederum soll sich auf die Zufriedenheit der Kunden auswirken, die dann öfter über seriöse Händler stolpern. Mehr Kundenzufriedenheit wiederum sollte die Nutzer öfter zu eBay locken, wovon in einem zweiten Schritt dann auch wieder diejenigen Händler profitieren, die einen guten Service bieten.

Bislang war aber das Problem, dass die Mängelquote tatsächlich durch subjektive Bewertungen von Kunden beeinflusst werden konnte. Denn bei der Berechnung hatte eBay bis vor kurzem auch berücksichtigt, wie Kunden bei einer Transaktion einen Händler im Detail bewerten – so konnte die Mängelquote zum Beispiel steigen, weil Kunden nicht mit der Artikelbeschreibung, der Art bei der Kommunikation des Verkäufers oder Kosten für Verpackung und Versand einverstanden waren.

Diese Details können Kunden nun zwar immer noch bei eBay-Käufen bewerten. Für die Berechnung der Mängelquote wird jetzt aber nur noch berücksichtigt, ob:

  • ein Verkäufer einen Kauf abbricht (wenn etwa ein Artikel doch nicht lieferbar ist)
  • sich ein Kunde beschwert und der Fall ohne Klärung durch den Verkäufer geschlossen wird (wenn etwa ein Artikel von der Beschreibung abweicht oder nicht ankommt)

Beide Kriterien lassen sich objektiv bewerten und sind daher sinnvoll. Wenn etwa ein Kunde online bestellt und es den Artikel dann doch nicht gibt, ist das eine sehr schlechte Erfahrung für Käufer.

Gleiches gilt, wenn sich ein Kunde beschwert und der Händler nicht reagiert. Wer dagegen einen guten Service als Händler bietet, profitiert von den Neuerungen. „Durch die Änderungen wird unsere gute Leistung in der Kommunikation und in der Logistik besser honoriert und nicht mit möglichen Mängeln der Ware vermischt“, freut sich etwa Andreas Voswinckel, Geschäftsführer des eBay-Händlers Limal.

Entscheidender dürfte aber sein, was eBay langfristig mit seinem neuen Bewertungssystem erreicht.

eBay-Experte: „Aussage über Händler nicht mehr so wichtig“

Denn zum einen stärkt eBay seinen Händlern den Rücken, wenn sie vor subjektiven Bewertungen geschützt werden, die ihren Händlerstatus verringern können. Zum anderen sind die neuen Kriterien aber auch so bemessen, dass kein seriöser Händler über sie stolpern sollte. In der Folge dürfte eBay immer mehr Händler mit Top-Bewertung haben, wovon wiederum der Kunde profitiert. Denn Händler mit Top-Bewertungen gewinnen so an Sichtbarkeit, was laut eBay-Experten auch gewollt ist.

Mark Steier von Wortfilter.de
Mark Steier von Wortfilter.de

„Wenn immer mehr Verkäufer einen gleichen Standard bieten, rückt der Händler in den Hintergrund und das Produkt in den Fokus“, argumentiert stellvertretend Mark Steier (siehe Foto links), Herausgeber des Portals Wortfilter.de, das sich mit dem Handel auf eBay und Amazon beschäftigt.

Seiner Einschätzung zufolge eifere eBay damit dem großen Marktplatzen-Rivalen Amazon.de nach, wo sich Kunden bereits heute in erster Linie für das Produkt interessieren würden und die Bewertung eines einzelnen Marktplatz-Händlers für die Amazon-Kunden schon länger zweitrangig sei.

Recht gibt ihm eBay selbst, da die US-Amerikaner auf ihrem deutschen Online-Marktplatz nun auch erstmals Produktbewertungen anbieten. Momentan wird dieser Service zwar erst einzelnen Nutzern angeboten. Wie Bewertungen aber aussehen, zeigt beispielhaft ein Screenshot (siehe Foto oben).

Eine Sensation sind Produktbewertungen im Jahr 2016 sicher nicht, da sie bei Rivalen wie Amazon bereits seit Jahren zum Inventar gehören. eBay hat sich dennoch jetzt für diese Maßnahme entscheiden, damit Nutzer die Artikelqualität besser beurteilen, Produkte leichter miteinander vergleichen und Kaufentscheidungen aufgrund von Bewertungen anderer Käufer einfacher treffen können.

Was konkret bedeutet: Auch mit den Produktbewertungen rückt eBay den Artikel in den Vordergrund und den Händler in das zweite Glied. Für eBay-Experte Steier ist das eine genauso sinnvolle Maßnahme wie die neuen Verkäuferstandards, die letztlich ja auch das Produkt in den Fokus stellen. „Das Einkaufen im Netz ist sicherer geworden und daher die Aussage über den Händler nicht mehr so wichtig“, argumentiert er im Gespräch mit neuhandeln.de. „In der Tat konzentriert sich der Konsument nun auf das Produkt, welches er kaufen möchte und er möchte hierzu andere Nutzer-Erfahrungen lesen.“

Kritisch anmerken könnte man, dass eBay durch die Neuerungen enger zu Amazon aufschließt und das ehemalige Online-Auktionsportal damit zunehmend austauschbarer wird. Für Kunden sieht Steier aber den großen Vorteil, dass auf eBay.de derzeit deutlich mehr Marktplatz-Händler aktiv sind als bei Amazon.de. So kommt er bei seinen Berechnungen für eBay.de auf derzeit ca. 122.000 deutsche Anbieter, während der Vergleichswert für Amazon.de bei 27.000 deutschen Marktplatz-Händlern liegt.

Marktplatz-Händler wiederum können ihm zufolge bei eBay daraus Kapital schlagen, dass sie jede Produktdetailseite individuell anlegen können – während Amazon die Angebote von Dritten zentral auf einer Standard-Artikelseite listet. „Händler schaffen bei eBay.de einen Mehrwert für Kunden, wenn sie diese Möglichkeit sinnvoll umsetzen und bessere Aussagen über sich und ihr Produkt treffen.“

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