Local Gourmet: Das nächste Start-Up scheitert mit E-Food

Unter dem Namen „Local Gourmet“ ist vor einem Jahr ein neuer Lebensmittel-Shop mit einem interessanten Geschäftsmodell gestartet. Das Sortiment: Frisches Rindfleisch aus artgerechter Haltung. Das gibt es nun aber nicht mehr, da der Shop keine Bestellungen mehr annimmt:

Local GourmetDer Bio-Rindfleisch-Shop (Bildquelle: Screenshot)

„Nach 8 Monaten, 12 verkauften Rindern und über 250 zufriedenen Kunden stehen wir vor der Schwelle, Localgourmet.de in Vollzeit mit einem festen Team betreiben zu müssen. Das kostet Geld, weil Wachstum vorfinanziert werden muss. Die bisherigen Finanzierungsgespräche waren nicht erfolgreich, so dass wir vorerst keine Bestellungen mehr annehmen.“

Betrieben wurde der Rindfleisch-Shop von der auf Online-Geschäftsmodelle spezialisierten Hamburger eTribes Connect GmbH, hinter der wiederum mein Branchenkollege Alexander Graf (Kassenzone.de) steht. Er betont zwar, dass er weiter an das Geschäftsmodell glaube. Doch das Projekt ist eigentlich aus mehreren Gründen unattraktiv – für Geldgeber und Portal-Betreiber.

E-Food nach wie vor ein Nischenmarkt

Denn laut einer Studie von AT Kearney (PDF-Download) ist der Online-Lebensmittelhandel nach wie vor ein absoluter Nischenmarkt. Demnach haben zwar schon 27 Prozent der befragten Verbraucher einmal Lebensmittel online gekauft. Doch nur zwei Prozent nutzen das Internet mindestens einmal im Monat, um Lebensmittel und Getränke einzukaufen. Dies schlägt sich in einem nach wie vor mickrigen Online-Marktanteil von gerade einmal 0,3 Prozent nieder.

Auf einem geringen Niveau sind zwar prinzipiell hohe Wachstumsraten möglich. Doch bei E-Food sehe ich diese nicht zwangsweise. So kommt dieselbe Studie nämlich auch zu dem Ergebnis, dass viele Verbraucher deshalb nicht online kaufen, weil sie schlichtweg mit den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten zufrieden sind (66 Prozent der Befragten). Kurzum: E-Food kann in erster Linie nur ein Problem des Kunden lösen, das diesen überhaupt nicht plagt.

Kunden sorgen sich um Qualität und Frische

Die Befragung von AT Kearney verdeutlicht auch stellvertretend: Kunden verweigern sich dem Online-Lebensmittelhandel, weil sie an der Qualität und der Frische der Produkte zweifeln. So wollen viele Verbraucher weiterhin direkt Einfluss auf die Produktauswahl nehmen und diese Verantwortung nicht an einen Händler abgeben. Meiner Meinung nach haben bekannte Händlermarken wie Rewe im Online-Lebensmittelhandel hier einen Vorteil, weil Kunden ihnen bereits im stationären Supermarkt vertrauen. Dass allerdings ein unbekanntes Start-Up mit einer unbekannten Marke die Kunden überzeugen kann, halte ich in der Praxis für schwierig.

Supermarkt.de offlineAuch Supermarkt.de war schnell wieder offline (Bildquelle: Screenshot)

So gesehen wundert es mich auch nicht, dass Online-Lebensmittelhändler wie Supermarkt.de oder Froodies.de inzwischen nach und nach wieder von der Bildfläche verschwunden sind.

Beim Hamburger Start-Up Supermarkt.de gingen zum Beispiel anderthalb Jahre nach dem Start im Herbst 2011 ebenfalls die Lichter aus, weil es mit der Anschlussfinanzierung nicht geklappt hat (siehe Screenshot). Nun kann man zwar entgehen halten, dass Local Gourmet mit seinem Bio-Ansatz ein anderes Marktsegment bedient als Start-Ups wie Supermarkt.de oder Froodies, die den klassischen Supermarkt um die Ecke ersetzen wollen. Doch macht es das einfacher?

Bio-Shops: Die Nische der Nische

Nach Zahlen vom Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat der Bio-Markt im Jahr 2012 am gesamten Lebensmittelmarkt in Deutschland gerade einmal einen Marktanteil von 3,9 Prozent erreicht. Ein Geschäftsmodell wie Local Gourmet bedient also die Nische der Nische.

Weitere Hürden: Bei Local Gourmet konnte man nicht einfach Steaks bestellen. Der Kunde kaufte immer einen Querschnitt eines Tieres, damit dieses komplett verwertet wurde und nicht nur die allerbesten Stücke. Das dürfte die Zielgruppe in der Praxis weiter schmälern. Bei Local Gourmet kaufte man zudem normalerweise Fleischpakete, bevor ein Tier geschlachtet wurde. Nach der Schlachtung lagerten Produkte durchschnittlich drei Wochen, bevor wir sie an Kunden geliefert wurden. Wer also spontan ein Bio-Steak ordern wollte, schaute ebenfalls in die Röhre.

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3 Kommentare

  1. Alexander Graf ist ein phantastischer Analyst – aber ein Fleischverkäufer?

    Ich hatte die Seite im Zusammenahng mit der Agenturwahl analysiert und stolperte schnell über viel zu vieles: Wieviele Bauern gab es da? Ja ich sah nur einen! Der reichte ja auch leicht für 250 Kunden und einige Rinder in 8 Monaten, und richtig satt wurden da weder Kunden noch der rührige Bauer. Und wie könnte das denn lokal sein, wenn ich nur bei einem norddeutschen Bauern bestellen kann?

    Man sah es der Seite an: Das war kein Geschäft, das war das Projekt eines Geschäfts. Dazwischen ist leider Gottes ein himmelweiter Unterschied…. Hätte es auch gerne anders, aber ist leider nicht…

    Noch was, nein, das muss ich jetzt auch noch etwas bösartigerweise anmerken: Die Jungs haben ganz offensichtlich bei Otto vor allem eines gelernt: Online gibt es nur 2 Fälle: Entweder hebt ein Projekt automatisch und wie von einem Wunder getragen ab, oder aber es wird mit sehr viel Geld aufgepäppelt. Und so habe ich Otto gefühlt vor allem in Erinnerung, dass er eigentlich alle Projekte früher oer später wieder einstampfte, weil sie nicht abhoben, oder weil man nicht das Geld in die Hand nehmen oder sonstwie aus dem Fenster schmeissen wollte. Und Aboutyou. Schaun wir mal, wie lange die Geduld, die ZHeit diesmal reicht…

    Zurück zu Local Gourmet: Es hat nicht abgehoben, den Kühen und den Bauern sind keine Flügel gewachsen, und der Investor ist auch nicht gekommen. also wird es leicht eingestapft. Denn es war ja auch nicht sehr viel…. Letztlich war das Scheitern von allem Anfang an eingebaut.

    Zwischen dem Wunder und dem vielen Geld gibt es vor allem eins: viel Zeit und viel Arbeit;-)

  2. Vielen Dank erst einmal für die Aufmerksamkeit zu Localgourmet! Das freut mich. Ein paar Sachen werden in der Diskussion über das Modell vermischt, die aus meiner Sicht zu falschen Schlüssen führen.

    – Das Modell an sich ist für die Kunden und Bauern schon sehr attraktiv, allerdings trägt sich ein Team erst bei 1-2 verkauften Rindern pro Tag und die Zwischenfinanzierung bis auf dieses Niveau hat leider nicht funktioniert. Ist es deshalb unattraktiv? Nein natürlich nicht. Ist es deshalb nicht finanzierungsfähig? Das scheint schon so zu sein, weshalb es als Side Projekt nicht geht. Man muss es Vollzeit subventionieren und lange daran arbeiten. Da hat Markus sicher recht. Das war aber in unserem Setup nicht möglich.
    – Ist der Markt zu klein? Das ist aus meiner Sicht nicht richtig abgeleitet aus den Statistiken. Localgourmet ist sicher eine Nische in der Nische, aber diese ist in sich groß genug und attraktiv. Der Weg von 200 auf 2.000 Kunden ist aber nicht mal eben so gemacht. Und der Markt wächst. Uns war allerdings auch bewusst, dass es nicht einfach ist, „komplette“ Rinder zu verkaufen. Insbesondere weil viele Kunden „nur“ ein Steak wollen/wollten steckt viel Arbeit in der Kommunikation zur Nachhaltigkeit. Steakkunden sind halt keine Localgourmet Kunden. Das ist aber in Ordnung.
    – Nur ein Bauer und 250 Kunden? Wir haben eine Pipeline von ca. 10 Produzenten, die jetzt schon gerne auf der Plattform wären, nur geht das nicht mal nebenbei. Für die Testphase, und in dieser befanden wir uns bislang, reichte der eine Bauer und der Schlachter aber aus.

    Die Seite ist zwar nicht mehr bestellfähig, aber die Rinder werden ja trotzdem weiter gehandelt. Nur halt direkt und nicht mehr über die Seite. Da stecken immer noch viele Ressourcen von uns drin, weshalb der Einwand des „einfach einstampfen“, insbesondere da es unser selbst erwirtschaftetes Geld ist, so nicht zutrifft.

    Ist Localgourmet damit am Ende? Nein, allerdings treiben wir es aktuell nicht voran. Die Rinder laufen uns ja nicht weg. Wenn wir ausreichend Puffer haben, dann wird das Geschäft sicherlich weiterentwickelt. Ich finde das Modell noch immer sehr sinnvoll und sehe noch viele Entwicklungsthemen. Am meisten Arbeit steckt noch in dem Angebotsmechanismus. Wie können jederzeit passende Angebote vorgehalten werden? Wie werden vielleicht doch noch die Steakkunden glücklich? Wie lässt sich überregional skalieren, wenn man neue Schlachtereien braucht? Wie lassen sich die Preise auf einem sinnvollen Niveau halten…. usw.

    • Das Beschaffungs- und Vermarktungsproblem der Bauern wurde im 19. Jarhhundert von Landwirtschaftlichen Genossenschaften gelöst. Da sich diese zu ganz normalen Konzernen entwickelt haben (und ihre Daseinsberichtung nicht mehr darin sehen, die auch margenmässige Distanz zwischen dem Erzeuger und dem Konsumenten möglichst klein zu halten), erfüllen sie ihre Funktion schon lange nicht mehr. – Inzwischen ist in den letzten 30-40 Jahren eine breite Bewegung von Landwirtschaftsbetrieben entstanden, die selber vermarkten, direkt zum Konsumenten. Sie kennen alle die Stände an der Strasse, den Hofladen, die dekorierten Hofeinfahrten. Ist dieses System effizient? Nein, für die Mehrheit der Betriebe gar nicht, es beruht letztlich auf der Selbstausnutzung und Solidarität der weiteren Familie und auf dem Gefühl., dass Bauer sein sowieso etwas Gutes ist (was es natürlich auch ist;-)

      Gegenüber normalen brick&mortar-Strukturen haben die Selbstvermarkter allerdings den Vorteil, dass sie günstige Infrastrukturen nutzen, die meist eh schon vorhanden sind und dass sie sozusagen per Definitionem sehr tiefe Logistikkosten haben…. Das heisst, es kann gut sein, dass das Problembewusstsein nicht sehr gross ist….Allerdings haben die meisten dieser Betriebe ein grosses verstecktes Problem: Fehlende Skaleneffekte. Sie hätten in sehr vielen Fällen viel mehr Ware,die sie über diesen Kanal verkaufen könnten… aber der Hofladen gibt nicht mehr her.

      Ist es effizient, jetzt die physische Selbstvermarkterstruktur auf das Internet zu übertragen, also Tauende von weiteren Shops zu errichten, werden sie je funtkionieren? Zweimal NEIN.

      Wäre es sinnvoll, diesen ganzen, sehr klein-kleinteiligen Markt online neu abzubilden und effizienter zu machen? Wahrscheinlich schon…

      Also eine Art Etsy für bäuerliche Selbstvermarkter. Das Problem wäre auch hier wieder der Kampf an zwei Fronten: einerseits genügend Anbieter mit guten Stories draufzubringen und diesen zu helfen, vernünftige Versandstandarts einzuhalten, andererseits genügend Kunden auf die Seite zu bringen. Passt allerdings gut zu Tends wie Landliebe (Ringier in der Schweiz) und Landlust (auch der Verlag ist gross geworden;-). Aber auf jeden Fall wird es wohl von beidem sehr viel kosten: Geld und Zeit.

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