Geoblocking: Neue Verordnung erschwert Händlern den E-Commerce

Am 20. November 2017 hat die EU die so genannte „Geoblocking-Verordnung“ auf den Weg gebracht. Dadurch soll künftig vermieden werden, dass Online-Inhalte nur für Verbraucher in einem speziellen EU-Land erreichbar sind. Grundgedanke ist, dass Verbraucher künftig nicht aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert werden sollen. Doch für Online-Händler bedeuten die Neuerungen nichts Gutes. Denn künftig bestimmt die Verordnung, an wen Händler verkaufen – und nicht mehr der Händler selbst.

Geoblocking EU
Geoblocking in der EU (Grafik: HDE)

Zum Verständnis: Mit Hilfe von Geoblocking können Händler ihre Online-Shops für bestimmte Länder einschränken oder Verbraucher auf eine Seite leiten, deren Inhalte speziell auf das Land zugeschnitten wurden. Wenn zum Beispiel ein Kunde aus Schweden einen deutschen Online-Shop besucht, wird er auf einen Länder-Shop in schwedischer Sprache geleitet (siehe Foto).

So können Online-Händler gezielt Kunden in Schweden ansprechen, wenn dieser Markt für sie lukrativ ist. Oder falls das nicht der Fall ist, zum Beispiel alle Zugriffe aus Schweden auf den deutschen Online-Shop blocken.

Denn für Versender gibt es gute Gründe, dass sie zum Beispiel nur in ausgewählte Länder liefern. So gibt es in verschiedenen Ländern unterschiedliche Mehrwertsteuersätze oder auch andere Regeln zu Elektroaltgeräten. Doch wegen der neuen Geoblocking-Verordnung können Online-Händler künftig ihre Zielmärkte nicht mehr anhand solcher sachlicher Kriterien selbst auswählen – wie es aktuell noch ist.

Denn die neue Verordnung verbietet, dass Online-Händler nur an Kunden aus bestimmten Regionen verkaufen. Vielmehr müssen Online-Händler künftig an alle Verbraucher verkaufen und ihnen einen uneingeschränkten Zugang zu den jeweiligen Online-Shops gewähren – egal aus welchem EU-Staat sie stammen. Ausländische Verbraucher sollen so genauso behandelt werden wie inländische Kunden.

Doch für Händler birgt die neue Verordnung zahlreiche Fallstricke. Nach Einschätzung des Handelsverbands Deutschland (HDE) stellen die Neuerungen nicht nur „einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit“ dar. Nach wie vor sei auch unklar, welches Recht bei einem grenzüberschreitenden Verkauf zur Anwendung kommen soll – also das des Händlers oder das des Verbrauchers.

Stephan Tromp HDE
Stephan Tromp (Bild: HDE)

„Das Verbot von Geoblocking führt zu einer Überforderung kleiner und mittelständischer Online-Händler“, mahnt Stephan Tromp (siehe Foto), stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE. Ihm zufolge machen gerade die vielen unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen im Verbraucherrecht in der EU das Geoblocking für Versender notwendig.

„Insbesondere kleinere Händler sind schlicht überfordert, wenn sie in alle EU-Länder verkaufen und die jeweils dort gültigen Rechtsvorschriften beachten müssen“, argumentiert der HDE-Chef.

Prinzipiell soll die neue Verordnung zwar nicht dazu führen, dass Händler an alle Verbraucher in der EU verkaufen und allen Kunden die gleichen Preise bieten müssen. Kunden aus dem Ausland dürfen aber von Online-Händlern nur unter den gleichen Voraussetzungen abgewiesen werden wie Kunden aus dem Inland. Dazu dürfen keine willkürlichen Preise für Produkte und Regularien aufgerufen werden.

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) konnte nach eigenen Angaben immerhin erreichen, dass eine Lieferverpflichtung in die Mitgliedstaaten der EU verhindert wurde. Künftig kann aber zum Beispiel ein Kunde aus Belgien einen Kühlschrank in einem deutschen Online-Shop erwerben. Der Verbraucher muss in diesem Fall aber die Ware selbst abholen oder den Transport organisieren.

Rolf Becker
Rolf Becker (Bild: eigenes Foto)

„Oft müssen die Checkout-Systeme dafür umprogrammiert werden“, klagt der auf Versandhandel spezialisierte Rechtsanwalt Rolf Becker von der Kölner Kanzlei Wienke & Becker. „Auch das Scoring und die Bezahlmodelle müssen auf die neue potentielle Zwangs-Kundschaft angepasst werden.“

Was unterm Strich an Mehrgeschäft dabei heraus kommt, bleibt mehr als fraglich. Denn aus Sicht der Verbraucher hat die neue Verordnung einen recht begrenzten Nutzen, da nun zwar EU-weit online eingekauft werden kann, der Kunde seine Käufe aber beim Händler selbst abholen muss.

Die neue Verordnung gibt es, weil nach Ansicht der EU-Kommission oft Kunden aus einem anderen EU-Staat der Kauf bei einem Händler in einem anderen Land verwehrt wird oder der Einkauf nur zu schlechteren Bedingungen möglich ist. Die bereits verabschiedete Verordnung wird im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt am 20. Tag danach in Kraft. Es ist eine Übergangsfrist von neun Monaten vorgesehen. Voraussichtlich ab Oktober/November 2018 ist die Verordnung dann direkt anwendbar.

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