Warum kostenlose Retouren beim Online-Handel nicht kostenlos sind
Gastbeitrag von Artjom Bruch
Viele Online-Händler achten aktuell stärker auf ihre Profitabilität. Die Retoure bietet besonders viel Potenzial für Einsparungen. Denn viele Online-Händler bieten kostenlose Retouren an, während der Rückversand allein ein großer Kostentreiber ist. Es lohnt sich also, diese Strategie zu überdenken. Zumal kostenfreie Retouren ohnehin ja nicht kostenfrei sind - weder für Käufer noch für Händler.
Die Kosten, die händlerseitig durch Retouren ausgelöst werden, sind leicht nachzuvollziehen: Retournierte Ware muss transportiert, gelagert und geprüft werden. All diese Schritte lösen aber Kosten aus und binden Ressourcen wie Mitarbeiterzeit, Lagerplatz und mehr. Dadurch kann der Retourenprozess eines Produkts im Extremfall sogar zu einem Negativergebnis in der Gesamtbilanz führen. Und besonders ärgerlich: Wenn bei der Prüfung des retournierten Produkts im Lager festgestellt wird, dass es sich nicht zum Wiederverkauf eignet, muss es auch noch entsorgt werden - auch das ist wieder mit Kosten für den Händler verbunden.
Ist kostenfreier Rückversand wirklich kundenorientiert?
Das Risiko, dass der Versand eines Produkts möglicherweise nachgelagerte Kosten auslöst, wenn dieses vom Kunden zurückgeschickt wird, ist vom Händler bei der Preisgestaltung meistens aber berücksichtigt worden. Dadurch tragen die Kunden als Kollektiv die versteckten Kosten der kostenlosen Retoure mit: Der Produktpreis ist für alle gleich, auch wenn nicht alle auf die Retoure zurückgreifen: von der Kleidung, die in unterschiedlichen Größen bestellt wird, um nur die passende zu behalten, bis hin zu Produkten, die gekauft wurden, nur um die tatsächliche Kaufentscheidung beim Erhalt zu treffen. Das bedeutet: In diesem Modell werden jene Kunden belohnt, die Produkte häufig retournieren. Diejenigen aber, die sich jeden Einkauf gut überlegen und bestellte Produkte nur bei einem wirklichen Problem zurückschicken, zahlen de facto drauf.Dass dieses Retouren-Modell großen Anklang findet, liegt größtenteils an einer Art Gruppenzwang: Unter den 100 größten Onlineshops in Deutschland bieten knapp 87 Prozent kostenlose Retouren an. In Zeiten der absoluten Kundenorientierung, wenn Kundenbindung und Neukundengewinn wichtiger ist als Effizienz und Wirtschaftlichkeit, ist dies auch völlig legitim. Wenn in einer angespannten wirtschaftlichen Lage allerdings Profitabilität das Gebot der Stunde für Online-Händler ist, lohnt es sich, diese Strategie zu überdenken.
Eine Re-Positionierung der Retoure und ihres Stellenwerts könnte bei Kunden gut ankommen. Frei nach dem Motto "was nichts kostet, ist nichts wert" bietet sie heutzutage als Schnittstelle zum Kunden wenig Services an, während in der Vergangenheit lebenslange Garantien und ein erstklassiger Kundenservice USPs waren. Zwar ist eine Kehrtwende in dieser Größenordnung nicht zwingend der einzige Weg, aber eine selektive und gezielte Diversifizierung bei Retouren anhand von Unterschieden wie Retouren aus dem heimischen Markt oder dem Ausland, Retouren aus Kulanz im Kontrast zu rechtlichen Gründen wie Widerrufsretouren, oder auch eine Segmentierung nach Kundengruppen sind Möglichkeiten der Diversifizierung. Sobald nicht jede Retoure kategorisch kostenlos ist, wird die Retourenquote fallen und Händler sparen Kosten. Dazu ist die Retoure auch nicht zwingend für jedes Problem, das ein Käufer mit einem Produkt hat, die beste Lösung.
Diversifizierung ein erster Schritt
Kundenorientierung muss neu gedacht werden. Eine Diversifizierung der Retouren-Möglichkeiten macht wirtschaftlich Sinn und erlaubt es Händlern, auch passgenauer auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Den Rückversand als Schnittstelle zum Kunden zu verstehen und auch zu nutzen, könnte in der Zukunft einen echten Unterschied darin machen, wie ein Kunde letztlich einen Online-Händler wahrnimmt. Denn wenn die Retourenstrategie eine Auswahl an Möglichkeiten bietet, fühlt sich der Kundenservice individueller an und Probleme können mit mehr Präzision gelöst werden als es der heutige One-Size-Fits-All-Ansatz erlaubt.Der simple Umstand, mehr als eine Möglichkeit der Retoure anzubieten, gibt Verbrauchern einen größeren Handlungsspielraum. Wenn sich dadurch dann sogar noch Kosten einsparen lassen, ist gut durchdachtes Retourenmanagement ein mächtiges Werkzeug für Profitabilität und Kundenzufriedenheit gleichzeitig.
Über den Autor: Artjom Bruch ist Gründer und Geschäftsführer der Trusted Returns GmbH
. Trusted Returns bietet mit returns.cloud
eine Plattform für ganzheitliches Retourenmanagement und optimierte Rückversandprozesse.
Umfassende Daten werden in Echtzeit aus internen und externen Quellen gespeist und ausgewertet, um eine durchgängige Customer Experience zu schaffen. Besseres Verstehen der eigenen Kunden und kundenorientierte Entscheidungen sind das Resultat eines proaktiven Customer-Services. Für Händler bedeutet dies mehr Umsatz sowie substanzielle Einsparungen.