eBay-Pilotprojekt zeigt: Local Commerce wird überschätzt

Hundert Tage nach dem Start des Pilotprojekts „Mönchengladbach bei eBay“ ziehen die Macher eine erste Bilanz. Demnach wurden bei dem Multichannel-Projekt bislang knapp 32.000 Artikel von Einzelhändlern über eBay verkauft, die aus der Stadt Mönchengladbach stammen, dort bereits ein lokales Ladengeschäft betreiben und nun zusätzlich online bei eBay zu finden sind.

Mönchengladbach bei eBayHändler aus Gladbach präsentieren sich online auf eBay.de (Bild: Screenshot)

In Summe nehmen nun rund 70 Händler aus Mönchengladbach am Pilotprojekt teil, die nicht nur ihre Artikel bei eBay einstellen, sondern sich auch zusätzlich noch auf der Einstiegsseite „Mönchengladbach bei eBay“ präsentieren (siehe Screenshot). Alle 70 Einzelhändler hätten zusammen einen Umsatz von einer Mio. Euro in den ersten drei Monaten über eBay erzielt.

Diese Zahlen muss man aber relativieren. So handelt es sich bei den Umsätzen zum Beispiel um Bruttowerte, die noch nicht um Retouren bereinigt wurden und die Mehrwertsteuer enthalten.

Der Netto-Umsatz nach Mehrwertsteuer und Retouren dürfte also spürbarer geringer ausfallen – auch wenn eBay gegenüber neuhandeln.de betont, dass man als Portalbetreiber nur bedingt die Transaktionen nach dem Kauf einsehen könne und das Thema Retouren bei den Händlern aus Mönchengladbach im Pilotprojekt bisher „nicht vermehrt zur Sprache gekommen“ sei.

Online einkaufen in der Innenstadt: „Eine Handvoll Idealisten“

Sicher ist aber: Gut die Hälfte der 70 Einzelhändler war bereits im Online-Handel auf eBay.de aktiv, bevor das Projekt im Oktober 2015 startete. Beim Start waren zudem bereits 50 Händler am Projekt beteiligt, so dass seitdem nur 20 weitere Einzelhändler dazu gekommen sind.

Aufhorchen lässt aber vor allem: Nach eigenen Angaben verkaufen nun die Einzelhändler aus Mönchengladbach auf eBay.de am erfolgreichsten, die neben einer Abholung von Artikeln in ihrem Ladengeschäft auch einen Versand anbieten. Und in diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob das Projekt nicht sein ursprüngliches Ziel verfehlt. Denn gestartet war man im vergangenen Herbst unter dem Motto „Online in der Innenstadt einkaufen„, damit Händler aus Mönchengladbach auch online ihre Kunden aus der Region erreichen und im Internet nicht Umsatz an überregionale Online-Pureplayer verlieren. Die Startseite des Projekts zeigt deshalb auch lokale Geschäfte, bei denen man „online shoppen“ und Ware „vor Ort abholen“ kann.

Doch wieviele Kunden nun tatsächlich auf eBay bei ihrem Händler um die Ecke bestellen, verrät man nicht. Stattdessen heißt es vielsagend, dass die am Pilotprojekt beteiligten Partner ihre Ware in über 53 unterschiedliche Länder geliefert und damit neue Kunden gewonnen hätten.

Gerrit Heinemann

Diese Entwicklung überrascht Professor Gerrit Heinemann nicht, der über das eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein am Pilotprojekt beteiligt ist. Ihm zufolge zeige das Pilotprojekt, dass Kunden im Internet nicht lokalbezogen suchen und das Trendthema Local Commerce zur Rettung von Innenstädten sicher überschätzt wird. „Wenn stationäre Einzelhändler über das Internet an Kunden aus ihrer Region verkaufen möchten, dann appellieren sie an eine Handvoll Idealisten„, verdeutlicht er im Gespräch mit neuhandeln.de.

Als Misserfolg bewertet er das Pilotprojekt dennoch nicht. Ganz im Gegenteil. „Wir wollen dem stationären Einzelhandel aufzeigen, wie er vom boomenden E-Commerce-Markt profitieren und die bröckelnden Umsätze in den Ladengeschäften wieder auffangen kann„, erklärt er. Es gehe also darum, die lokalen Händler überhaupt zu retten – und das gehe nur mit Umsatz. Ob dieser im Internet über Kunden aus der Region oder anderen Gebieten generiert werde, sei zweitrangig.

Profitieren werde von einem zusätzlichen Online-Vertrieb aber längst nicht jeder. „Gut die Hälfte der stationären Einzelhändler hat eine digitale Allergie und scheut zum Beispiel den Aufwand, um Produkte bei einem Online-Marktplatz einzustellen„, schildert Heinemann seine Erfahrungen.

Kein Wunder: Denn lokale Einzelhändler müssen den Online-Vertrieb immer zusätzlich zu ihrem stationären Tagesgeschäft stemmen. Viele Marktplatz-Modelle wie die Online City Wuppertal haben dazu den Ansatz, dass dort nur regionale Einzelhändler ihre Produkte präsentieren.

Hier droht dann schnell ein Teufelskreis: Wenn nämlich nur wenige Händler aus einer Region auf einem Portal verkaufen, fehlt für Kunden ein großes Sortiment. Ohne diesen Anreiz bleiben schnell die Kunden fern, ohne Reichweite scheuen Händler wiederum den Mehraufwand für einen zusätzlich Online-Vertrieb – wodurch das Angebot für Kunden weiter unattraktiv bleibt.

Wer als Einzelhändler daher ernsthaft in den Online-Vertrieb einsteigen will, dürfte mit eBay zwar besser fahren als mit dem Vertrieb über spezialisierte Regionalportale. Schließlich hat der Online-Marktplatz rund 17 Mio. aktive Käufer, so dass Händler mit ihrem Angebot gleich eine kritische Masse erreichen und sich der Mehraufwand schnell lohnen kann. Verabschieden muss sich der Einzelhandel aber wohl vom Gedanken, online Kunden aus der Region zu erreichen.

Denn das eBay-Pilotprojekt zeigt laut Heinemann auch, dass die Verkäufe der teilnehmenden Händler in erster Linie über die allgemeine Suche angestoßen werden – und kaum über die separate Einstiegsseite „Mönchengladbach bei eBay“, wo sich lokale Händler präsentieren.

Was wiederum die Frage aufwirft, warum man überhaupt diese Einstiegsseite konzipieren ließ. Denn gut die Hälfte der am Pilotprojekt beteiligten Einzelhändler war ja bereits vor dem Start des Projekts auf eBay aktiv – mit Ladengeschäft, aber ohne Lokalkolorit beim E-Commerce.

Schon gewusst? Jeden Freitag erscheint der kostenlose Newsletter von neuhandeln.de – so erhalten Sie alle Beiträge bequem in Ihr Postfach und verpassen keine Artikel mehr. Über 2.465 Kollegen aus dem Versand- und Multichannel-Handel beziehen bereits den Newsletter – hier geht es zum Abo.

7 Kommentare

  1. Lieber Kollege,

    das sehe ich als Mönchengladbacher etwas anders. Die Stadt hat insgesamt in den vergangenen 30 Jahren den Strukturwandel ziemlich verschlafen. Als Ex-Textil-Metropole wurde nicht rechtzeitig erkannt, was die Zeichen der Zeit sind.

    Wenn nun ein solches Projekt wie „MG bei ebay“ gestartet wurde, empfinde ich das erst einmal als einen erfreulichen Schritt des dortigen Einzelhandels in die richtige Richtung.

    Wie viel zusätzliches Geld nach Umsatzsteuer und Retouren dann de facto in den Kassen bleibt, werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Aber jeder zusätzliche Euro, der über den Online-Handel generiert wird, ist doch per se ein Gewinn. Oder nicht?

    Beste Grüße

    Frank Zimmermann

  2. Kann man so sehen. Wobei sich dann für mich die Frage stellt, in welchem Verhältnis letztlich Mehraufwand und Mehrumsatz stehen.

    Das Entscheidende ist aber doch: Das eBay-Projekt zeigt, dass es für Local Commerce im Sinne von „lokale Kunden kaufen online bei Händlern aus ihrer Innenstadt“ wenig Bedarf gibt. Und das ist schon eine interessante Erkenntnis in einer Zeit, wo regionale Online-Marktplätze mit diesem Local-Commerce-Gedanken zunehmend aus dem Boden schießen.

    • Lieber Herr Meixner, liebe Kommentatoren,

      leider kann ich nicht beurteilen, ob Sie (im Sinne der Praxiserfahrung) überhaupt in der Lage sind, zu beurteilen, ob ein lokaler Online-Marktplatz als lokales Kaufkraftbindungsmittel funktioniert oder nicht. Will Ihnen hier auch nicht zu nahe treten…

      Ich kann Ihnen als Projektmanager, Kümmerer und Berater der Online City Wuppertal jedenfalls sagen, dass die RoPo-Effekte in Wuppertal greifen. Mehr Sichtbarkeit im Netz führt zu signifikanten Frequenzsteigerungen in Geschäften, die auch auf dem lokalen Online-Marktplatz vertreten sind. Allerdings natürlich unter bestimmten Voraussetzungen: Mit 20 bis 50 Produkten sind diese Effekte nur in Ausnahmefällen zu registrieren. Hier handelt es sich dann meistens um besondere Produkte und keinen Feld-Wald-Wiesen-Handel. Bei Händlern mit 300 und mehr Produkten stellen sich Research online/Purchase offline Effekte ein – und natürlich nur deshalb, weil atalanda als Infrastrukturgeber von talMARKT.net entsprechend in SEO investiert hat. Und ich betone nicht zum ersten Mal: Jeder lokale Online-Marktplatz hat erstmal ein Henne-Ei-Problem. Er kann nur organisch wachsen. Das braucht Zeit.

      Aber ich will hier jetzt gar nicht die Zahlen allzu sehr strapazieren. Ich könnte Ihnen ja theoretisch auch den Umsatz nennen, den 7-9 OCW-Händler bereits jetzt bei Ebay einfahren. Das wird nicht wenig sein und höchstwahrscheinlich sogar mehr als über den lokalen Online-Marktplatz. Für Wuppertal galt immer: Wir halten mit dem Local-Commerce-Konzept keinen Händler davon ab, auch in anderen Kanälen zu verkaufen. Im Gegenteil, wir wollen ihnen in einem Moderationsprozess das rote Tuch Internet sanft aus dem Gesicht reißen – und können wohl auch behaupten, dass wir es bei vielen geschafft und die Chancen des Internets in den Mindset gehievt haben.

      Die Online City Wuppertal ist im Kern also CHANGE MANAGEMENT am lokalen (zuvorderst inhabergeführten) Handel. Wir haben mehrere Händler dazu gebracht, sich eine adäquate Warenwirtschaft zuzulegen oder zumindest in die Online-Produktwelt einzusteigen, zeigen im talKONTOR selbst wie Verkaufen im 21. Jahrhundert funktioniert (tabletbasierte WaWi von INVENTORUM mit One-Touch-Publishing für den lokalen Online-Marktplatz, Ebay oder eigenen Online-Shop) und haben bewusst die Schulungen ins Zentrum des gesamten Prozesses gestellt.

      Nun aber trotz allem zwei entscheidende Argumente gegen ein mitunter subventioniertes Marktplatzmodell mit eBay:
      1) Wenn alle Städte auf eBay gehen würden, was heißt das etwa für die Haushaltswarenhändler in Wuppertal, Remscheid, Solingen und Mönchengladbach. Sie können es sich denken. Preisfalle! Natürlich ist die Preisgestaltung ein heikles Unterfangen auch auf einem wie auch immer gearteten lokalen Online-Marktplatz jenseits von Ebay. Im lokalen Kontext stellen wir in Wuppertal aber sehr bewusst Convenience und Service in den Vordergrund (taggleiche Lieferung, Click & Collect, Reservierung, Umtausch etc.). Das man damit nicht alle Kunden, insbesondere nicht die preissensiblen erreicht, ist völlig klar und war auch von Anfang an so gesehen. Ich gehe von einem Potential von 25 % lokaler Konsumbevölkerung aus, die ein lokaler Online-Marktplatz – vorausgesetzt er wird entsprechend beworben – erreichen kann. 5 % sind Kunden, die ohnehin aus Mitleid im lokalen Handel einkaufen (oder eben wissen, dass sie mit ihrem Kaufverhalten die Qualität der City beeinflussen) und 20 % wissen schlicht und ergreifend nicht, dass auch der lokale Handel um die Ecke eine Online-Expertise, ja, vielleicht sogar Online-Exzellenz aufweist und das preisgebundene Buch genauso schnell und bequem liefern kann wie Amazon.

      @Karsten Werner An dieser Stelle vielen Dank für Ihren Kommentar zum Thema „Heimat“. Ich bin Kulturanthropologe und weiß etwas mit diesem Begriff anzufangen. Städte sind nunmal mehr als banale Vertriebsstellen des Handels. Sie sind identitätsstiftend.

      2) Die Online City Wuppertal versucht „digitales Dachmarketing für den Einzelhandelsstandort“ zu etablieren. Versuchen Sie mal mit eBay bestimmte Features umzusetzen, die im lokalen Umfeld online Sinn machen (z.B. talTIPP des Tages) oder versuchen Sie mal aus Ebay einen wirklichen Local Brand (z.B. talMARKT) zu machen. Das geht über das Whitelabeling von atalanda schon besser – auch wenn ich sehr gerne einen eigenen Marktplatz hätte. Denn natürlich kann man dann schneller bei der Umsetzung von Optimierungen arbeiten. Eine eigene Shoplösung inkl. Logistik im HIntergrund war und ist aber schlicht und ergreifend nicht finanzierbar. Städte sollten auch die Finger von lassen, eigene Multi-User-Shops bauen zu lassen. Das Geld ist in Marketing für den Marktplatz viel besser investiert.

      Und zum Abschluss noch etwas aus meiner Sicht Zentrales: Wieso gibt insbesondere die E-Commerce-Fachwelt dem Thema Local Commerce keine bis wenig Chancen, sich zu entwickeln. Nennen Sie mir einen E-Shop, der mit wenig Geld innerhalb von 100 Tagen oder 1 Jahr profitabel war. Ich kenne noch keinen. Die Konversionsrate des Wuppertaler talMARKTES im Weihnachtsgeschäft betrug 1,85 %. Wer die Durchschnittszahlen kennt, weiß, dass das kein schlechter Wert ist. Generell bin ich manchmal mehr als erstaunt, wie undifferenziert man sich in der sog. Fachwelt mit dem Thema Local Commerce auseinander setzt. Da werden digitale Branchenbücher und Multi-User-Shops in einen Hut geworfen, da werden der Moderationsprozess oder RoPo-Effekte total ausgeblendet und nur die Zahl der Online-Bestellungen als allein seligmachender KPI genannt oder man arbeitet sich an Frontend- und Usability-Kritik ab. Das ist wohlfeil, aber alles andere als substantiell, geschweige denn journalistisch besonders anspruchsvoll.

      Außerdem wurde in Wuppertal gerade der Online City Wuppertal talMARKT e.V. gegründet. Eine aus meiner Sicht alternativlose Institutionalisierung des im Sept. 2016 auslaufenden Pilotprojekts. Mit dieser „Interessengemeinschaft 2.0“, die sich jenseits der Stadtteile und Straßenzüge definiert, werden digitales Dachmarketing und das Erzeugen von „online-lokaler Relevanz“, worunter vor allem Betrieb und Management des lokalen Online-Marktplatzes fällt, in die Hände jener gelegt, die es betrifft: Händler der Stadt. Denn Verwaltungen alleine werden das nicht wuppen!

      Beste Grüße aus Frankfurt am Main
      Andreas Haderlein

  3. Der Testcase ist sicher kein schlechter. Ich frage mich allerdings, ob ebay der richtige Ansatz für den Einzelhandel ist!? In den USA ist ebay aus Verbrauchersicht sicher schon deutlich etablierter im Local Commerce. In Deutschland suchen die meisten Kunden doch eher bei Google und somit sind Google Shopping und Local PLAs der für mich vielversprechendere Ansatz, um den Vorteil des lokalen Händlers auszuspielen.

    • Guten Tag Herr Ritschel,
      zunächst einmal danke ich Ihnen dafür, dass Sie sich nicht anonym zu Wort melden wie viele andere sonst. Dennoch erlaube ich mir die Frage, ob Sie den Beitrag wirklich gelesen haben: Ich bewerte das Projekt MG-bei-eBay bisher als großen Erfolg und habe mit keinem Satz gesagt , dass wir damit nur ein paar Idealisten bedienen können. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Es geht um mehr Umsatz für die Einzelhändler in MG, damit diese überleben können. Und wie die ersten 100 Tage zeigen, scheint das zu gelingen, allerdings weniger mit Kunden aus MG, sondern eher mit Kunden außerhalb von MG. Denn im Internet wird kaum lokalbezogen, sondern überwiegend überregional gesucht. Das zeigen alle Studien zu dem Thema und hat nichts mit Besserwisserei zu tun, sorry! Wer als Internetnutzer lokalbezogen sucht, dabei weniger Auswahl in Kauf nimmt und auch bei den Preisen nicht vergleicht, ist erfahrungsgemäß eher ein Idealist. Davon gibt es aber leider nicht so viele, sonst würde es auch nicht Amazon, Aldi und Lidl geben, sorry!
      Beste Grüße, Gerrit Heinemann

      • Hintergrund zur Schärfe der Kritik von Herrn Ritschel: “ Handvoll Idealisten“ ist heute als Zitat, aus dem Kontext gegriffen, einmal viral „durchgelaufen“. Wer also den Ursprungsbeitrag nicht gelesen hat, der kommt natürlich schnell zu dem Schluss, dass „der Heinemann da einfach mal wieder rumpoltert“, a la „Manche Händler wollen sterben“.

        Zum Inhalt: Ob „Local Commerce zur Rettung von Innenstädten“ überschätzt wird oder noch nicht, das ist noch gar nicht ausgemacht: Viele dieser „Kauf in Deiner Stadt“-Initiativen wurden bisher halt aus der Not mit der heißen Nadel getrickt. Und: Von Städten/Gemeinden, alteingesessenen Handelsverbänden und Werbegemeinschaften sowie regionalen Medienhäusern. Unterschiedliche Stakeholder, für die diese Form von Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung zudem in der Regel auch noch Neuland ist. Das da auch Initiativen vor die Wand fahren, ist klar. Verschiedene Köche, wenig Expertise, erstmal wenig Erfolg. Das reicht also nicht, um „Local Commerce“ abzuschreiben.

        Insofern sehe ich ebay/Gladbach auch als positiven Start. Denn ob die Innenstädte jetzt tatsächlich voll werden, weil Online lokal verkauft und „collected“ wird, oder aber der Online-Radius einfach nur erweitert wird, das ist in der Tat nicht von Belang. Wichtig ist nur, dass Händler die Umsätze reinkriegen, so dass sie ihre Ladengeschäfte halten können und wollen. Egal über welchen Anteil im Mix. Das ist das gemeinsame Ziel aller Beteiligten und den Erreichungsgrad gilt es zu bewerten: Kriege ich all die „Händler um die Ecke“ animiert, sich ins Internet zu trauen, so dass wenigstens die Chance besteht, diesen gemeinsamen Nenner auch zu erreichen? So dass die Stadt nicht verödet.

        Insofern wird „Local“ eigentlich missverstanden: Das Ziel ist zuerst gar nicht, die Kunden aus der Region urplötzlich von Amazon in die eigenen Ladengeschäfte zu lotsen. „Local“ ist zuerst vielmehr als ein identitätsstifternder Cluster zu sehen, über den man Händler, die bisher noch in Offline vs Online, in „Wie lange kann ich gegen Amazon noch den Laden halten?“ denken, dazu zu animieren, sich auch ins Internet zu trauen. Unter Hilfestellung von Experten, die dahingehend Hilfe zur Selbsthilfe bieten.

        „Local“ ist „Deine Stadt“ ist „Heimat“ und „Heimat“ zieht beim Ladeninhaber der zweiten und dritten Reihe noch. Und erreicht man damit die Händler, reicht das vielleicht als Basis für regionale Tageszustellungs-Konzepte innerhalb solcher Verbände aus 70 bis 100 lokalen Händlern. Was wiederum eine Differenzierung gegenüber dem überregionalen Online-Handel darstellen würde.

        Was dann entsprechend beworben werden könnte und worüber man dann die Zielgruppe erreichen könnte, die letztlich alle haben wollen: Ein weniger preissensibles regionales Klientel, das für die Kombination aus „regionaler Tageszustellung“ und „Wir schaffen Heimat-Handel!“ – Kommunikation anfällig ist und zu dessen Gunsten tatsächlich einen Teil seiner „Amazon-Bequemlichkeit“ mit aufgibt.

        Der Zeitgeist spricht dafür: Alles will „Gesund“, „Sauber“, „Selbstwirksam“, „Ökologisch“, „Nachhaltig“, etc. sein. Und ist bereit, dafür mehr auszugeben, als es im Discounter kostet:
        Der Buchladen um die Ecke kommt wieder, es werden mehr alte CDs gekauft als neue, Vinyl kommt wieder, Rückbesinnung und transparante Wertschöpfung trenden, und jetzt geht es darum diesen Spin für den Handel zielführend unter einem „Local Commerce“-Konzept weiterzuspinnen…

        Bedingungslose Liebe zum lokalen Handel hätten wir dann immer noch nicht. Amazon ist gekommen, um zu bleiben. Aber wenigstens „Freundschaft plus“ wäre drin. Was schonmal besser ist als „eine Handvoll Idealisten“.

        Aufwand/Ertrag? Zumindest die werblichen Kosten sind bei solchen Anstrengungen zu vernachlässigen: Lokale Medien sind doch im Anzeigengeschäft auf Gedeih und Verderb an den Fortbestand des lokalen Handels gebunden. Wenn es darum geht, seine Brot und Butter-Kunden zu päppeln, werden im Rahmen solcher Initiativen beide (Preislisten)-Augen einfach zugedrückt.

  4. Das ist mal wieder typisch für Prof. Heinemann. Erst hebt er ein Online-Projekt gemeinsam mit der Stadt Mönchengladbach unter großem Tam Tam aus der Taufe und nach 100 Tagen hat er bereits vorher gewusst, dass er nur ein paar Idealisten bedienen kann. Mönchengladbach ist ihm ja nicht unbekannt. Das ist der Standort der Hochschule Niederrhein. Nur zwei Kilometer weiter, immer der Richard Wagner-Straße entlang liegt der Stadtteil Rheydt. Einstmals die reiche und fleißige Schwester von Mönchengladbach. Das war so, bis zur Eingemeindung am 1.1.1975. Von da an ging´s bergab. Heute ist die Innenstadt von Rheydt tot. Nirgendwo in NRW, außer vielleicht in Duisburg, gibt es mehr Leerstände und mehr zerschlagene Schaufensterscheiben. Die Hauptstraße, einst das blühende Centrum der Stadt, ist nur noch ein Trümmerhaufen. In Sichtweite davon, die Hochschule Niederrhein mit ihrem Professor Heinemann. Eher er nicht einmal vor seiner Haustüre vernünftige Konzepte entwickeln kann, sollte sich der Professor jegliche Besserwisserei und jeden Sarkasmus anderen gegenüber versagen. Das E-Bay-Projekt lässt grüßen.

Kommentare sind deaktiviert.