So setzen Sie Gender-Marketing im E-Commerce ein

von Susanne Broll

22.09.2022 Die Kaufentscheidungsprozesse von Männern und Frauen unterscheiden sich. Daher kann es sinnvoll sein, den Onlineshop gezielt auch auf die Bedürfnisse von Frauen auszurichten. Was E-Retailer dabei beachten sollten.

 (Bild: Pixabay)
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Was ist Gender-Marketing?

Frauen und Männer unterscheiden sich nicht nur körperlich, sondern auch im angeborenen oder erlernten Verhalten. Gender-Marketing leitet von diesen unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorlieben Erkenntnisse ab, die bei der Produktentwicklung, im Vertrieb, im Preis, in der Kommunikation und allgemein bei der Vermarktung berücksichtigt werden.

Gender-Marketing + E-Commerce = She Commerce

Das Konzept des Gender-Marketings lässt sich natürlich auch im Onlinehandel anwenden, wo es häufig unter dem Namen 'She-Commerce' oder 'Female Commerce' auftaucht. Lange sind Webseiten vorwiegend von Männern nach männlichen Bedürfnissen und Vorlieben entwickelt und gestaltet worden - zum Beispiel im Shop-Design und im Content. Glaubt man den Untersuchungen, die hierzu in den letzten 20 Jahren gemacht wurden, lassen sich Unterschiede im Kaufverhalten und in den Bedürfnissen bei Männern und Frauen auf folgende Punkte konzentrieren.

Einkaufserlebnis
  • Frauen shoppen: Sie erleben das Einkaufen grundlegend als freudiges Ereignis.
  • Männer kaufen ein: Sie erfüllen eine Aufgabe, die abgehakt werden muss.

Einkaufsprozess
  • Frauen justieren in den Phasen des Einkaufsprozesses ihre Auswahlkriterien öfter nach, der Kaufprozess verläuft quasi in Spiralen.
  • Bei Männern verläuft der Kaufprozess eher linear, d. h. in der Regel nur einmal.

Produktsuche
  • Frauen verwenden oft Longtail-Keywords. Sie konzentrieren sich auf die obersten Ergebnisse und kehren auch zurück zu bereits besuchten Seiten.
  • Männer formulieren Suchanfragen oft allgemein. Sie erhalten daher eine große Spannbreite an Ergebnissen und schauen sich oft auch das untere Ende der Suchergebnisseite an.

Allgemeine Produktdarstellung
  • Frauen sind eher auf Subjekte fixiert: Sie bevorzugen daher Produktdarstellungen im Kontext von Menschen und Situationen.
  • Männer sind eher auf Objekte fixiert und empfinden freigestellte Produkte mit wenig Kontext oft am angenehmsten.

Vertrauenselemente
  • Nach aktuellen Untersuchungen bewerten Frauen das Risiko beim Onlinekauf höher als Männer und reagieren daher sehr positiv auf Gütesiegel.
  • Für Männer spielt das Risiko keine so große Rolle. Bewertungen sind aber für Männer wie Frauen gleichermaßen ein hoher Kaufanreiz.

Ist Gender-Marketing diskriminierend oder sinnvoll?

Viele Marken und Unternehmen haben sich diese Erkenntnisse bereits durch die Differenzierung ihrer Produkte zunutze gemacht. Ein Unternehmen, das aus biologischen Unterschieden und den geschlechterspezifischen Vorlieben zwei getrennte Produktlinien entwickelt hat, ist Gillette   . Hier wurden sowohl eine männliche als auch eine weibliche Variante von Rasierern von Körperbehaarung entwickelt und unterschiedlich vermarktet.

Eine andere Herangehensweise hatte die Firma Bosch   , als sie 2003 durch Marktforschung auf die Zielgruppe 'Sporadische Heimwerker' stieß, deren Mitglieder größtenteils weiblich waren. Das Wunschwerkzeug dieser Zielgruppe war klein, leicht und einfach zu bedienen. Dafür entwickelte Bosch den Akkuschrauber 'Ixo', der sich zum meistverkauften Elektrowerkzeug mauserte - und zwar bei Frauen und Männern. Das Design war weder pink noch mit Glitzer, sondern in den klassischen Bosch-Farben gehalten.

Gender-Marketing wird oft missverstanden

Damit sind wir bei der Form von Gender-Marketing, wie es leider auch häufig missverstanden wird. Nach dem Prinzip "Mach es klein und mach es rosa" werden Produkte für Frauen vermarktet, bei denen es keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Bedürfnisse im Vergleich zu Männern gibt.

Parallel dazu werden Produkte als typisch männlich mit einem technischen Kontext und Begriffen wie "Power" und "Turbo" versehen. Das fängt schon im Babyalter mit dem rosa Prinzessinnen-Schnuller für Mädchen und dem blauen Feuerwehrmann-Schnuller für Jungs an.

Wie lässt sich Gender-Marketing sinnvoll einsetzen?

Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen einem Marketing, das auf wirklich bestehende Bedürfnisse der KundInnen eingeht oder aber diese Bedürfnisse konstruiert, nur um das gleiche Produkt doppelt zu vermarkten. Um nicht in die Falle von Rollenklischees und Stereotypenbildung zu tappen, sollten sich alle, die im E-Commerce tätig sind, also ganz genau überlegen, wie sie die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen sinnvoll umsetzen - und zwar ohne Menschen wegen ihres Geschlechtes auszugrenzen oder zu diskriminieren.

Für die Gestaltung eines Onlineshops kann das bedeuten: Analysieren Sie Ihren Webshop. Wenn Sie feststellen, dass das Design und die Funktionen in erster Linie auf die Bedürfnisse männlicher Personen ausgerichtet sind, können Sie Ihren Fokus erweitern und versuchen, auch die Bedürfnisse Ihrer weiblichen Kundschaft miteinzubeziehen. Das erreichen Sie z. B., indem Sie unterschiedliche Ansichten Ihrer Produkte anbieten, einmal in übersichtlicher Listenform und vielleicht zusätzlich mit einem Mouseover, das die Produkte in weiteren Darstellungen zeigt.

Statistiken, Daten, Fakten, Suche und Filter können Sie weiterhin anbieten, aber eben zusätzlich auch mehr Stöber- und Inspirationselemente, Geschichten ums Produkt, Testimonials und Beratungsangebote. Einen Schritt weiter geht Zalando   : Der Onlinemodeshop versucht sich von Rollenklischees zu verabschieden und präsentierte in einer Kampagne das Gegenstück zu klassisch männlichen und weiblichen Stereotypen: die 'Zerotypes'.

Stichwort gendergerechte Sprache

Damit greift Zalando ein Thema auf, das auch über das reine Marketing hinausgeht und unsere Sprache betrifft. Es gibt längst ein breiteres Spektrum von Geschlechtern als Mann und Frau. Wer langfristig Erfolg haben will, sollte das als Unternehmen auch in der Ansprache seiner Kundschaft berücksichtigen.

Nachgewiesenermaßen sprechen Personenbezeichnungen im generischen Maskulin (z. B. der Kunde / die Kunden für alle Geschlechter) auch nur Männer an und grenzen alle anderen Geschlechter aus. Wenn Sie mit Ihren Produkten und Dienstleistungen alle Menschen erreichen möchten, dann sollten Sie auch in der Sprache niemanden ausgrenzen. Das können Sie z. B. mit neutralen Formulierungen tun, die alle ansprechen, oder Sie machen die Vielfalt mittels Gendersternchen deutlich. Möglichkeiten gibt es hier viele, denn es gibt dafür noch keine bindenden Vorgaben.

Fazit: Gender-Marketing im E-Commerce ist sinnvoll

Letztlich ist ein gendersensibles Marketing für E-Retailer eine gute Möglichkeit, sich von der Konkurrenz positiv abzugrenzen. Und damit hat eine entsprechende Veränderung nicht nur positiven Einfluss auf immer noch sehr präsente Stereotypen und Rollenklischees unserer Gesellschaft, sondern auch auf die eigene Umsatzentwicklung.


Autorin: Beate Eckstein ist Corporate Language Managerin bei Trusted Shops   und schreibt über Markenkommunikation, Sprache im Marketing oder auch gendergerechte Sprache.
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