E-Commerce

Verbraucher misstrauen Amazons Marktmacht

von Frauke Schobelt

09.10.2019 Viele Konsumenten halten die Marktsituation im deutschen Onlinehandel für problematisch. Sie fürchten vor allem, dass andere Händler unter Amazons Marktmacht leiden und der Handelsriese die Preise frei bestimmen kann. Nur jeder dritte Deutsche vertraut noch Kundenbewertungen bei Amazon.

Das Bundeskartellamt dokumentiert die Marktmacht und Umsätze von Amazon. (Bild: Bundeskartellamt)
Bild: Bundeskartellamt
Das Bundeskartellamt dokumentiert die Marktmacht und Umsätze von Amazon.
Schlechte Arbeitsbedingungen, Plagiate, gefälschte Bewertungen, Vernichtung von Retouren - Amazon   steht wegen dieser Themen immer wieder in der Kritik. Wettbewerbshüter, Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Verbände sehen zudem die Marktmacht von Amazon als Problem. Diese Negativschlagzeilen hinterlassen auch Spuren bei den Verbrauchern, wie eine repräsentative Umfrage des Verbraucherforums Mydealz   zeigt, für die Statista Mitte September 1.000 Konsumenten befragte.

Demnach finden 43,7 Prozent der Befragten Amazons Marktmacht bedenklich, 40,9 Prozent sehen darin kein Problem. 87,4 Prozent der Skeptiker kaufen deshalb bewusst weniger bei Amazon ein.

Vor allem 16- bis 24-jährige sehen Amazons Marktmacht kritisch: 46,2 Prozent von ihnen finden sie bedenklich und nur 39,3 Prozent unbedenklich. Weniger kritisch bewerten die Situation die 35- bis 44-Jährigen, hier finden 45,8 Prozent Amazons Marktmacht nicht problematisch, gegenüber 42,3 Prozent, die sie für bedenklich halten. In allen anderen Altersgruppen sind die Kritiker jedoch in der Mehrzahl.

Verbraucher befürchten, dass Amazon seine Marktmacht missbraucht

Befragt nach den Gründen für ihre Skepsis antworten 70,7 Prozent der Skeptiker, dass Amazon seine starke Position missbrauche und andere Online-Händler darunter leiden. 68,2 Prozent fürchten für sich selber Nachteile und denken, Amazon könne "die Preise so hoch ansetzen wie sie wollen", wenn der Wettbewerb fehlt. Und 68,0 Prozent gaben bei der Umfrage zu bedenken, ein zu starkes Amazon könne Zulieferern die Preise diktieren. Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten möglich.

Daran, dass Amazon in Deutschland kaum oder keine Steuern zahlt, stören sich 64,5 Prozent der Skeptiker. 62,5 Prozent von ihnen beanstanden, dass Amazon "kein besonders ethischer Arbeitgeber" sei. Rund jeder Zweite fürchtet scheinbar, dass auch er beim Einkaufen bald Abstriche machen muss. Als Grund, weshalb sie Amazons Marktmacht bedenklich finden, antworteten jedenfalls 48,1 Prozent der Befragten: "Als Verbraucher habe ich weniger Auswahl und Möglichkeiten, wenn Händler sterben".

40,9 Prozent der von Statista Befragten empfinden Amazons Marktposition dagegen nicht als problematisch, entsprechend befürchten 69,2 Prozent von ihnen auch keine Nachteile. 60,6 Prozent der Befragten - auch hier waren Mehrfachantworten möglich - sehen es pragmatisch und denken, Amazon könne nur dank seiner Größe so ein "gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten". Und rund jeder Zweite (49,4 Prozent) meint durchaus anerkennend: "Der hohe Marktanteil zeigt nur, wie gut Amazon im Vergleich zur Konkurrenz ist". Jedem vierten Verbraucher (23,7 Prozent) ist hingegen einfach nicht klar, "weshalb Amazons Marktposition schlecht für andere Händler sein sollte".

Viele Verbraucher haben ihr Einkaufsverhalten angepasst

Amazons Dominanz hat Auswirkungen auf das Konsumverhalten. Neun von zehn Verbrauchern (87,4 Prozent), die Amazons Marktmacht als problematisch empfinden, haben ihr Einkaufsverhalten bereits entsprechend angepasst. Am stärksten profitiert der klassische Einzelhandel von diesem Trend: Jeder dritte Verbraucher (33,9 Prozent) kauft als Reaktion auf Amazons Dominanz "prinzipiell so viel wie möglich im klassischen Handel" und "nur" jeder Sechste (14,9 Prozent) kauft "prinzipiell so viel wie möglich bei anderen Online-Händlern".

Nicht alle Verbraucher sind aber so konsequent: Viele Konsumenten, die Amazons Marktposition bedenklich finden, kaufen nur immer dann bei anderen Händlern ein, wenn sie diese als annähernd gleichwertige Alternative wahrnehmen. Der Preis ist für sie dabei entscheidender als das Angebot und die Lieferzeit. Jeder Fünfte (19,9 Prozent) kauft immer dann bei anderen Händlern ein, wenn der Preis ähnlich günstig ist wie bei Amazon. 14,4 Prozent geben anderen Händlern den Vorrang, wenn sie das gesuchte Produkt vorrätig haben. Und 4,4 Prozent kaufen immer dann bei anderen Händlern ein, wenn sie "ähnlich schnell liefern können".

Amazon ist für Jüngere Synonym für Onlinehandel

Je älter Verbraucher sind desto konsequenter wenden sie sich von Amazon ab: Neun von zehn Deutschen im Alter über 65 Jahren (90,7 Prozent), die Amazons starke Marktposition bedenklich finden, lassen sich hiervon in ihrem Einkaufsverhalten beeinflussen. 43,5 Prozent von ihnen kaufen so viel wie möglich im klassischen Handel ein und 14,8 Prozent so viel wie möglich bei anderen Online-Händlern. Weniger strikt handeln ganz junge Konsumenten: Von den 16 bis 24-jährigen, die Amazons Marktmacht kritisch sehen, lassen sich "nur" 77,8 Prozent in ihrem Einkaufsverhalten beeinflussen. Nur 3,7 Prozent von ihnen kaufen so viel wie möglich bei anderen Online-Shops, jeder Dritte (29,6 Prozent) aber so viel möglich im klassischen Handel. Ein Fazit der Umfrage: Amazon könnte für viele Verbraucher aus dieser Generation zum alternativlosen Synonym für den Onlinehandel geworden sein.

Verbrauchern befürworten die Einführung einer Digitalsteuer

43,7 Prozent der Verbraucher finden Amazons Marktmacht problematisch und 64,5 Prozent von ihnen kritisieren, dass Amazon in Deutschland keine Steuern bezahle. Dies spiegelt auch ein weiteres Stimmungsbild wider: 67,9 Prozent der Deutschen befürworten die Einführung einer Digitalsteuer für ausländische Internetkonzerne nach französischem Vorbild und denken, dass diese zu einem faireren Wettbewerb beitragen könnte. Nur 13,4 Prozent stehen einer Digitalsteuer ablehnend gegenüber. 18,7 Prozent hatten sich wenigstens zum Zeitpunkt der Umfrage Mitte September noch kein Urteil gebildet. Die größten Befürworter einer Digitalsteuer finden sich dabei unter den 55- bis 64-Jährigen (74,4 Prozent). Am wenigsten Zustimmung findet diese Idee indes bei Verbrauchern im Alter von 35 bis 44 Jahren (62,0 Prozent) und 16 bis 24 Jahren (64,1 Prozent) von ihnen lehnen eine Digitalsteuer ab.

Nur jeder dritte Deutsche vertraut Bewertungen bei Amazon

Kritik musste Amazon in den letzten Monaten auch von Verbraucherschützern einstecken. Einem im April veröffentlichten Report der britischen Verbraucherschutzorganisation Which   zufolge seien ganze 87 Prozent der Bewertungen bei Amazon nicht glaubwürdig. Und obwohl Amazon gekauften Bewertungen inzwischen öffentlichkeitswirksam den Kampf angesagt hat, sitzt das Misstrauen bei vielen Verbrauchern tief. Nur jeder Dritte (34,5 Prozent) vertraut den bei Amazon abrufbaren Kundenstimmen. 65,5 Prozent halten sie indes für nicht vertrauenswürdig.

Andererseits sind sie für viele Verbraucher ein wertvolle Orientierungshilfe: Für 7,8 Prozent der Verbraucher tragen Kundenbewertungen zu ihrer Kaufentscheidung "wesentlich" bei. 26,7 Prozent der Verbraucher erklärten bei der Mydealz-Umfrage, Kundenbewertungen seien für sie "einer der Faktoren, von denen ich meine Kaufentscheidung abhängig mache". Und weitere 42,3 Prozent der Verbraucher vertrauen Kundenbewertungen zwar nicht, lesen sie aber immerhin, um einen "ersten Eindruck" zu erhalten.

Rund jeder Vierte (23,2 Prozent) zieht keinen Mehrwert aus den bei Amazon veröffentlichten Kundenstimmen - und dies aus verschiedenen Gründen: Jeder Achte (12,2 Prozent) vertraut "generell keinen Bewertungen im Internet". 6,0 Prozent der Deutschen vertrauen nur Bewertungen auf Amazon nicht und jeder Zwanzigste (5,0 Prozent) hat durch die Skandale der letzten Zeit das Vertrauen in die von Amazon bereitgehaltenen Kundenstimmen verloren. Von den Verbrauchern im Alter von 25 bis 34 Jahren erklärte jeder Zehnte (9,3 Prozent): "Ich habe Bewertungen auf Amazon früher vertraut, aber vertraue ihnen nun nicht mehr".

Verbraucher im Alter von 16 bis 24 Jahren orientieren sich hingegen besonders stark an den bei Amazon veröffentlichten Bewertungen. Jeder Achte (12,8 Prozent) von ihnen erklärte, sie trügen wesentlich zu seiner Kaufentscheidung bei. Einen ähnlich starken Einfluss haben die Kundenstimmen sonst nur auf die 25- bis 34-jährigen und 35- bis 44-jährigen. Von ihnen lassen sich jeweils 11,3 Prozent wesentlich in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen. Für ältere Verbraucher im Alter von 55 bis 64 Jahren und über 65 Jahren sind die bei Amazon veröffentlichen Kundenstimmen hingegen nicht sonderlich relevant. Gerade einmal 5,0 Prozent beziehungsweise 3,8 Prozent von ihnen erklärten bei der Umfrage, bei Amazon veröffentlichte Bewertungen trügen wesentlich zu ihrer Kaufentscheidung bei.
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