Ökodesign-Verordnung der EU

Wie sich der Digitale Produktpass fürs Marketing nutzen lässt

von DDV Deutscher Dialogmarketing Verband e.V.

08.07.2024 Der Digitale Produktpass (DPP) ist beschlossen, für die Data Driven Economy eröffnet sich damit ein völlig neues Spielfeld - mit neuen Chancen für die Kundenkommunikation.

 (Bild: ViDI Studio_shutterstock)
Bild: ViDI Studio_shutterstock
Die Ökodesign-Verordnung der EU sieht vor, dass künftig nahezu alle auf dem europäischen Binnenmarkt in Verkehr gebrachten Waren mit einem DPP ausgestattet sein müssen. Der DPP ist so etwas wie Stammbaum, Geburtsanzeige und Lebenslauf eines Produkts in einem.

Rein technisch betrachtet handelt es sich um einen QR-Code oder einen NFC-Chip am oder im Produkt. Aus regulatorischen, Nachhaltigkeits- und Marketinggesichtspunkten ist ein DPP viel mehr: Für die EU ist er ein entscheidender Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz. Für nachhaltig agierende Unternehmen ist er der zentrale Beleg, dass im kompletten Wertschöpfungsprozess alles sauber gelaufen ist. Den KonsumentInnen ermöglicht der DPP informiertere Kaufentscheidungen. Und fürs Marketing könnte der DPP zum neuen Touchpoint zur Kundschaft werden.

Ein Datensammelpunkt für alles

Noch sind die Detailfragen von den Normungsgremien nicht abschließend geklärt. Voraussichtlich wird ein Pass aber Auskunft darüber erteilen, wo, wann, von wem, in wessen Auftrag und unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wurde, aus welchen Materialien und Rohstoffen es besteht, wie genau sein Weg von der Produktion bis zum Point-of-Sale aussah, welchen ökologischen Fußabdruck es hat, wie es sich am besten verwenden, reparieren, recyceln und entsorgen lässt. Er enthält außerdem Pflichtangaben wie etwa Zollformulare, lieferbegleitende Dokumente oder Zertifikate und auch Gebrauchsanleitung, Garantienachweis oder Pflegetipps. All diese Daten sind im DPP gebündelt und über den gesamten Lebenszyklus des Produkts transparent und abrufbar. In Zukunft könnte also eine Menge Papier wegfallen.

Marc Schmid, Manager Digital Identities & Blockchain bei Capgemini

Für Batterien wird der digitale Produktpass ab 2027 Pflicht, als nächstes folgen voraussichtlich Elektrogeräte, Textilien und Automobile. Allein der Batteriepass wird laut Technologieexperte Marc Schmid von der Unternehmensberatung Capgemini   Invent voraussichtlich rund 100 Datenpunkte erfassen, darunter lieferkettenübergreifende Produktionsinformationen, etwa zu Materialen und CO2-Fußabdruck, sowie dynamische Informationen, zum Beispiel zu Ladezyklen oder zu Extremtemperaturen, denen die Batterie ausgesetzt wurde. Wer beispielsweise ein E-Auto fährt, wird wohl in vielen Fällen über eine App auf den DPP seiner Autobatterie zugreifen können.

Bis 2030 sollen alle in der EU hergestellten und zum Verkauf gestellten Produkte mit dem Pass ausgestattet sein. Das Volumen ist enorm: Die Unternehmensberatung Deloitte schätzt in ihrer Studie "Impact of international, open standards on circularity in Europe   ", dass künftig fünf Billionen - und das ist kein Übersetzungsfehler! - Artikel jährlich einen DPP benötigen.

Die Chance für eine perfekte Beziehung

Marc Schmid von Capgemini   ist von den Vorteilen des DPP mit Blick auf einen verstärkten Wettbewerb um Transparenz, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und saubere Lieferketten überzeugt. Skeptisch ist der Manager allerdings, wenn es um den DPP als Marketinginstrument für Konsumgüter geht: "Es gibt eine kleine Kundengruppe, die sich dafür interessiert, was genau sie konsumiert. Entscheidend für das Kaufverhalten der breiten Masse ist weiterhin der Preis."

Dr. Inga Ellen Kastens, zuständig für Strategie und Kommunikation bei Narravero

Das sieht Dr. Inga Ellen Kastens , zuständig für Strategie und Kommunikation bei Narravero   , anders. Das Tech- und Sustainability-Unternehmen bietet ein Publishing-System, mit dem sich DPP erstellen und pflegen lässt - und es wirbt dafür, die neue Pflicht unbedingt als Chance zu begreifen, und zwar insbesondere mit Blick auf die Kundenbeziehung: "Der DPP wird der erste One-to-One-Kommunikationskanal sein, in dem Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen und Medien exakt zu ihrem Produkt erhalten", sagt Kastens. Damit hätte aufwändiges Suchen ein Ende und zeitraubende Call-Center-Anrufe gehörten für immer der Vergangenheit an. Der DPP ermögliche es, das Produkt mit den Konsumenten "sprechen" zu lassen.

Es leuchtet ein, den DPP nicht nur als Sammelstelle für Pflichtinformationen zu begreifen, wenn dort relativ mühelos auch Markenbotschaften untergebracht werden können. Wer auf dynamische Inhalte setzt, kann kontinuierlich aktuelle Texte, Bilder und Videos auf den DPP spielen - zum Beispiel über die einzelnen Stationen der Lieferkette des Produkts, Werbung zu ergänzenden Produkten oder direkte Links zu Online-Shop und Social Media.

Die Unternehmen sind mit dem DPP sehr nah an ihrer Zielgruppe. Wenn es gelänge, dass die Produktkäufer ihrerseits den DPP als Rückkanal öffnen und ihre Daten sowie ihre Erfahrungen mit dem Produkt teilen, dann wäre die One-to-One-Beziehung zwischen Marke und Konsument perfekt. Dafür braucht es Vertrauen. Greenwashing und Falschinformationen dürften dank dem DPP in Zukunft ohnehin rarer werden, denn - und dafür ist der Pass ja ursprünglich gedacht - alle Angaben lassen sich leicht nachprüfen.

Ob Pflicht oder Kür: ohne Datenmanagement geht's nicht

Ob sich Unternehmen nur für die Pflichtvariante oder auch für die Marketingkür entscheiden: Die Basis für rechtssichere DPP sind valide Daten und ein professionelles Datenmanagement. Im ersten Schritt zum DPP müssen Unternehmen deshalb klären, welche Daten zwingend erforderlich sind, wie sie an welchen Stationen der Wertschöpfungskette erhoben und wie sie intern gesammelt und strukturiert werden. Das ist zweifellos ein hoher Initialaufwand.

Marc Schmid sagt: "Der digitale Produktpass ist ein Paradebeispiel für den Einfluss von IT auf die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit, bei gleichzeitiger Schaffung von Mehrwerten und neuen Chancen für die Wirtschaft." Er rät Unternehmen, sich bereits jetzt mit dem DPP zu befassen, denn der "digitale Produktpass kommt, um zu bleiben".

Es gilt also, sich frühzeitig vorzubereiten, um Wachstumschancen zu nutzen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit der Wirtschaft zu leisten. Wem es dann auch noch gelingt, den DPP zum Dreh- und Angelpunkt einer 1:1-Beziehung zur Kundin oder zum Kunden zu machen, der hat doppelt gewonnen.
Thema: Wie sich der Digitale Produktpass fürs Marketing nutzen lässt

Kommentar von Dominik Grollmann

Eine Einladung zum Dialog

Wird der Digitale Produktpass zum Marketing-Booster? Sicher nicht, wenn es um Abverkauf, Markenbekanntheit oder Verkaufsdruck geht.

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Dominik Grollmann, Analyst iBusiness (Timo Bierbaum)
Bild: Timo Bierbaum
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