Zollstreit

Zollpause: Was hohe US-Zölle für den deutschen Online-Handel eigentlich bedeuten würden

von Christian Gehl

10.04.2025 Am 9. April 2025 verlangten die USA 20 Prozent Zusatzzoll auf alle Importe aus der EU - am 10. April nicht mehr. Donald Trump hat eine dreimonatige Zollpause verordnet. Was wären die Folgen für den E-Commerce, sollten mögliche Verhandlungen mit der EU scheitern und die USA die ursprünglichen Zollsätze doch einführen?

Donald Trump hat die Grenzbestimmungen für EU-Waren  erst einmal wieder gelockert. (Bild: tomwieden / pixabay.com)
Bild: tomwieden / Pixabay
Donald Trump hat die Grenzbestimmungen für EU-Waren erst einmal wieder gelockert.
Donald Trump versucht sich als der große Disruptor der Weltwirtschaft. Alle Augen auf mich, lautet seine Devise, und zumindest damit hat er großen Erfolg. Anders steht es um die Zollstrategie selbst. Noch sind nirgends positive Folgen zu erkennen, auch nicht in den USA - im Gegenteil. Der Gegenwind hat den US-Präsidenten jetzt dazu bewogen, eine 90-tägige Zollpause einzuführen, gültig auch für die EU. Der Dow Jones-Index   hatte durch die Ankündigung erst einmal 3.300 Punkte verloren und die US-Investmentbanken J.P. Morgan   und Goldman Sachs   sahen die Wahrscheinlichkeit, dass die USA in eine Rezession rutschen werden, als hoch an. Große Erleichterung daher an den Märkten, als Trump zurückrudert und die eben erst eingeführten Zusatzzölle von 20 Prozent für die EU wieder zurücknimmt. Zumindest für die nächsten drei Monate. Gültig sind jetzt nur noch 10 Prozent Basiszoll.

Aber was ist, wenn die möglichen Verhandlungen zwischen der EU und den USA zu keinem Ergebnis führen und Trump seine ursprünglichen Zollpläne doch umsetzt? Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA dürften darunter schwer leiden: Teurere Endverbraucherpreise in den USA führen zu einem geringeren Absatz der deutschen Exporteure und dieser zu einem Rückgang der einheimischen Produktion. Und das heißt, es geht es auch um eine Menge Arbeitsplätze. Bewahrheitet sich die Aussage des geschäftsführenden Bundesfinanzministers Jörg Kukies und das deutsche Exportvolumen in die USA sinkt aufgrund hoher Zölle tatsächlich um 15 Prozent, dürften es viele Tausende werden, die in Gefahr sind.

Setzt sich der Trend zum US-Protektionismus am Ende doch durch, was würde das speziell für den deutschen E-Commerce bedeuten? Erwägt wird für den Fall ja auch eine EU-Digitalsteuer für Big Tech und Nicht-so-Big Tech aus den USA. Was wären hier die Folgen?

Höhere Endverbraucherpreise

Stefan Genth , Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE)   , befürchtet aus der Politik Revanche-Zölle "von allen Seiten", was, wenn nicht sofort, so doch mittelfristig zu steigenden Verkaufspreisen führen wird, in den USA und, werden reziproke EU-Zölle eingeführt, auch in Deutschland: "Meist sind die Margen im Einzelhandel niedrig, solche Beträge können nicht einfach abgepuffert werden."

Doch möglicherweise werden die Folgen der Preiserhöhungen nicht allzu dramatisch sein, denn: "Nur ein vergleichsweise kleiner Teil der deutschen und europäischen Onlinehändler exportiert regelmäßig in die USA" gibt Ronny Freitag , 1. Vorstand des Bundesverbands E-Commerce (Buvec)   , zu bedenken. "Daher rechnen wir nicht mit spürbaren Auswirkungen auf den Gesamtmarkt des deutschen oder europäischen E-Commerce, sollte es tatsächlich zu einem pauschalen US-Zollsatz von 20 Prozent auf alle EU-Importe kommen."

Arbitrage-Handel vor dem Aus

Doch was für das große Ganze gilt, kann im Einzelfall natürlich ganz anders aussehen. Einige deutsche ECommerce-Händler sind auf den Export von europäischen Produkten in die USA spezialisiert. Sie leben von den Preisunterschieden zwischen den Märkten. "Diese sogenannten Arbitrage-Modelle", so Freitag, "stehen durch eine solche Zollerhöhung faktisch vor dem Aus." Was in der Folge wohl zu einer "strukturellen Verlagerung von Geschäftsmodellen" führen wird.

Stark erhöhen wird sich nach Freitags Einschätzung in jedem Fall das Retourenaufkommen in den USA. Der Grund: "Die Zollgebühren müssen bei Lieferung in der Regel von den Endkunden in den USA getragen werden - häufig mit DHL-Abrechnung bei Übergabe", so Freitag. "Für viele US-Konsumenten kommt diese Zahlung unerwartet, was zu Unmut und Rücksendungen führen kann."

Konzentration auf EU-Binnenmarkt

Beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (Bevh)   lenkt man den Blick auf die innereuropäische Entwicklung. Zölle und Gegenzölle würden Handelshemmnisse zwischen den USA und Europa entstehen lassen, die nur einen Ausweg lassen: die in Europa abzubauen. "Wir fordern daher", sagt Martin Groß-Albenhausen , stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bevh, "dass vor allem kleinere Onlinehändler von der kleinstaatlichen Bürokratieflut entlastet werden, damit sie endlich ungehindert die Absatzchancen nutzen können, die ihnen der Binnenmarkt bieten könnte." Bedingung dafür sei andererseits aber auch, dass die EU von reziproken Grenzgebühren gegen US-Tech-Firmen grundsätzlich absieht: "Strafmaßnahmen gegen Tech-Unternehmen mit Sitz in den USA würden die Erschließung von Potentialen im Binnenmarkt möglicherweise erschweren."

Auch Heidi Kneller-Gronen , Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Onlinehandel (BVOH)   , erwartet für den deutschen und europäischen Onlinehandel insgesamt keine gravierenden Auswirkungen: "Die USA spielen für viele unserer Mitglieder nur eine untergeordnete Rolle. Für die Händler, die in die USA exportieren, dürften die geplanten US-Zölle nach einer kurzen, möglicherweise turbulenten Übergangszeit in erster Linie zu höheren Endverbraucherpreisen in den Vereinigten Staaten führen. Die wirtschaftlichen Effekte träfen damit vor allem die US-Kunden selbst."

Als Gegenreaktion auf die Trump-Besteuerung nun Digitalzölle für US-Unternehmen zu erheben, wie derzeit in der Politik massiv diskutiert, hält Kneller-Gronen für falsch: "Diese träfen digitale Plattformen wie Amazon oder Ebay - also genau jene Akteure, die im europäischen Onlinehandel eine zentrale Rolle spielen. Deren Geschäftsmodell basiert zu einem erheblichen Teil auf Verkaufsgebühren, die sie von europäischen Marktplatzhändlern erheben. Eine Erhöhung dieser Gebühren durch zusätzliche Steuerlasten würde mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Händler und letztlich an die Endkunden weitergereicht."

Massenflucht zu Temu und Shein

Im Grunde also die gleiche Kettenreaktion, wie sie auf der anderen Seite des Atlantiks zu erwarten ist: Zölle erhöhen die Kosten für Importeure, letztlich aber für deren Kundschaft. Und das wiederum könnte die Menschen dazu treiben, sich von amerikanischen Online-Händlern abzuwenden, um auf chinesischen Plattformen einzukaufen. Mit den bereits jetzt sichtbaren negativen Folgen: "Anbieter wie Temu oder Shein", so Kneller-Gronen, "überschwemmen den europäischen Markt mit oft nicht oder nur unzureichend geprüften Produkten, die regelmäßig Sicherheits- und Gesundheitsstandards unterlaufen und nahezu unkontrolliert durch den Zoll gelangen."

Digitalzölle hätten nur negative Folgen, meint Knoller-Gronen zusammenfassend: "Ein solcher politisch motivierter Schlagabtausch würde nicht nur zu Preissteigerungen führen, sondern auch die Wettbewerbsbedingungen für seriöse europäische Händler verschlechtern und das Verbraucherschutzniveau weiter untergraben."
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