Sieben Trends: Wie das Marketing durch Corona neu gefordert wird

von Frauke Schobelt

06.11.2020 Die weltweite Covid19-Krise verändert in Unternehmen nicht nur Produktion und Vertrieb, sondern auch das Marketing. Denn die Erwartung der Kunden an Marken wandelt sich. Sieben Trends und Handlungsempfehlungen für CMOs.

 (Bild: Christo Anestev auf Pixabay)
Bild: Christo Anestev auf Pixabay
Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens und verändert auch die Wahrnehmung von Marken. Marketingverantwortliche müssen neue Wege zum Kunden finden und ihre Unternehmenskommunikation an die neue Normalität anpassen. Der 'Deloitte Global Marketing Trends-Report 2021'   der Unternehmensberatung Deloitte   listet sieben Schlüsselbereiche auf, die Markenkommunikation und Kundenansprache entscheidend prägen werden. Zugleich zeigt der Report, welche neuen Perspektiven sich CMOs eröffnen, deren Funktion mit der Krise eine erhebliche Aufwertung erfahre. Für die Studie wurden im April 2020 international mehr als 2.400 Konsumenten befragt und im Mai 2020 über 400 C-Level-Führungskräfte von global tätigen US-Firmen.

Der menschliche Faktor wird wichtiger

"Die Corona-Krise hat unser aller Realität spürbar verändert, das Leben der meisten Konsumenten ist mehr denn je von Unsicherheit geprägt. Viele Menschen beschäftigt und bedrückt vor allem das Spannungsfeld zwischen medizinisch notwendiger Distanz und dem Bedürfnis nach Nähe", sagt Egbert Wege , Partner bei Deloitte. In dieser Konstellation komme Unternehmen und Marketern eine neue Rolle zu. Die Studie zeige, dass Marken über ihre eigentliche Funktion hinaus in der Corona-Krise eine "nicht zu unterschätzende Rolle" spielten. Stärker als sonst seien sie als vertrauter "Begleiter und Tröster" gefragt. Dies stelle CMOs vor die Aufgabe, ihr Unternehmen entsprechend zu positionieren.

Kunden erwarten demnach von ihren Lieblings-Marken mehr als nur Funktionalität und Oberfläche - gefragt sei stattdessen gesellschaftliches Engagement und das Eintreten für Werte. So zeigen die Umfragewerte:

  • Fast vier von fünf befragten Konsumenten konnten eine Situation nennen, in der eine Marke positiv in der Pandemie reagiert hat, und jeder Fünfte stimmte nachdrücklich zu, dass dies seine Markentreue gestärkt hat.
  • Mehr als 25 Prozent der Verbraucher gaben an, sich von einer Marke abgewendet zu haben, wenn sie feststellten, dass diese nur in ihrem eigenen Interesse handelte.
  • Mehr als 70 Prozent wertschätzen digitale Lösungen, die ihre Verbindung zu anderen Menschen vertiefen.
  • 58 Prozent konnten sich an mindestens eine Marke erinnern, die sich schnell auf die Konsumenten-Bedürfnisse einstellte, und 82 Prozent gaben an, dass sie Produkte oder Services dieser Marke präferiert und mehr konsumierten

Laut Studie registrieren die Verbraucher sehr aufmerksam, wie sich eine Marke oder ein Unternehmen in der Krise verhält - ob es solidarisch, anteilnehmend und hilfreich agiert oder offensichtlich nur im Eigeninteresse handelt. Entsteht dieser Eindruck, muss es fürchten, viele Kunden zu verlieren - immerhin ein Viertel der Befragten bestätigt das. Digitale Kanäle spielen dabei eine zentrale Rolle: 70 Prozent der Befragten nutzen sie vor allem, um Verbindungen zu halten und zu vertiefen. Der Report legt jedoch nahe, dass sich in vielen Chefetagen diese Einsicht noch nicht durchgesetzt hat. Für 42 Prozent der befragten CMOs liegt die höchste Priorität bei der Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, 38 Prozent priorisieren die Optimierung des Risikomanagements und 35 Prozent eine intensivierte Digitalisierung ihres Unternehmens - womit sie jedoch auch die Weichen für ein modifiziertes Marketing stellen. Mit 33 Prozent Zustimmung folgt das Kundenengagement erst auf Platz vier, während es eine stärkere gesellschaftliche Orientierung nur auf Platz sechs schafft (28 Prozent).

Deloitte identifizierte sieben Trends und leitet daraus folgende Handlungsempfehlungen für CMOs ab:

Trend 1 und 2: eigene Verantwortung definieren und agil handeln

'Purpose' oder die Haltung eines Unternehmens rücken in den Fokus. Gemeint ist damit der eigentliche Daseinszweck eines Unternehmens bzw. einer Marke abseits der Profitgenerierung. Welche Aufgabe, welchen Auftrag verfolgt es? Wird dies deutlich und authentisch kommuniziert? Und besteht die Chance, vom Verbraucher als echtes, "menschliches" Gegenüber wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden? Hier wird auch die Agilität maßgeblich - vor allem im Hinblick auf den Kunden- und Stakeholder-Dialog. Basis ist auch hier eine entsprechende technische Ausstattung, die datengetrieben gezielt für ein positives Kundenerlebnis eingesetzt werden kann.

Trend 3 und 4: Kunden individuell ansprechen und Vertrauen generieren

Die Pandemie fördert Vereinsamungseffekte, daran ändert auch die fortschreitende digitale Technik nichts und wird überdies von nicht wenigen eher als Gefahr für 'echte' menschliche Nähe gesehen. Diesen Bedarf sollten Marken erkennen und entsprechend aktiv werden. Wenn sie ihren Kunden glaubwürdig signalisieren, dass diese als Individuen wahrgenommen werden ('human-centric'), wenn sie Angebote schaffen, die das Wertesystem ihrer Kunden aufnehmen und spiegeln, dann können sie sich damit im Wettbewerb effektiv differenzieren. Dazu gehört eine Vertrauensbasis, gestützt von Konsistenz und Authentizität. Marken geben ein Versprechen - und müssen es auch halten können. Wer nicht liefert, verliert schnell die Gunst der Käufer. Dabei gehört zum 'Liefern' laut Deloitte mehr als Produktqualität und klassische Liefertreue: Auch das Serviceverhalten und eine gelebte Ethik sind wichtig.

Trend 5 und 6: Kunden einbinden und Ökosysteme schaffen

Die Kunden möchten nicht nur gesehen, sondern auch befragt werden. Sie möchten sich interaktiv an Prozessen, Produkten und der Gestaltung 'ihrer' Marke beteiligen. Digitale Tools schaffen herfür die Voraussetzung. Den einzelnen Unternehmen obliegt es jedoch, diese adäquat zu nutzen und bewusst zu entscheiden, wie und wo sie ihre Kunden tatsächlich einbinden können. Dazu müssen sie ein spezifisches Verbraucherbedürfnis kennen und entsprechend nutzen können: den Wunsch nach möglichst ganzheitlichen Lösungen über selektive Produkte und Dienstleistungen hinaus. Dazu bedarf es eines kompletten Ökosystems. Unternehmen verschiedener Branchen können durch Kooperationen und gegenseitigen Austausch ein solches Fusions-Umfeld schaffen. Auch hier ist die Fähigkeit entscheidend, Daten generieren, analysieren und wertvolle Insights daraus ableiten zu können, um den Menschen eine ganzheitlich positionierte Marke zu bieten.

Trend 7: Talente machen den Unterschied

Die Kunden sind der erste Adressat eines Unternehmens. Doch ohne motivierte und qualifizierte Mitarbeiter nützt die beste Strategie wenig. Dabei geht es allgemein um eine entsprechende Unternehmenskultur, aber im Besonderen auch um den CMO und seinen Stab selbst. Er wird zum strategisch bedeutsamen Faktor im Unternehmen - mit Entscheidungen, die weit über Werbe- und Kommunikationsbudgets hinausreichen. Wie will er beispielsweise künftig Künstliche Intelligenz einsetzen? Was soll inhouse, was extern gemacht werden? Wie kann das Modell der Gig-Ökonomie genutzt werden? Und nicht zuletzt: Was braucht die Belegschaft, um sich wertgeschätzt zu fühlen? Dieser Themenkomplex bildet den siebten und letzten in der Studie herausgearbeiteten Trend.

"Die sieben Trends bedingen unter anderem eine erhebliche Aufwertung des CMO", betont Egbert Wege. "Er ist verantwortlich für das 'Gesicht' des Unternehmens - und braucht dazu heute auch und vor allem umfassende Kenntnisse über den smarten Einsatz von Daten, um seine Zielgruppen bestmöglich einschätzen zu können. Dann kann er sein Unternehmen als echten Partner der Kunden in guten wie in schwierigen Zeiten positionieren."
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