So gelingt Kundenbindung während der Corona-Pandemie

von Frauke Schobelt

04.06.2020 E-Retailer im Krisenmodus müssen die enormen Herausforderungen der Gegenwart meistern und die Weichen für das wirtschaftliche Überleben in der Zukunft stellen. Dazu ist ein Gespür für die aktuellen Stimmungen nötig - und ein Gespür für Daten.

 (Bild: Werner Moser auf Pixabay)
Bild: Werner Moser auf Pixabay
Die grundlegende Fragestellung des Kundenmanagements gelte auch in der Krise, betont Markus Weber , Manager bei Muuuh Consulting   . "Wie kann ich die Bedarfe und Bedürfnisse meiner - potenziellen - Kunden erkennen und besser erfüllen als meine Wettbewerber? Allein die Antworten sind aktuell andere als noch vor zwei Monaten." Unternehmen brauchen gerade jetzt ein gutes Gespür für die Situation ihrer Kunden, so Weber. "Der beste Ansatz ist, den Dialog zu suchen und herauszufinden, in welcher Form man Kunden in ihrer jetzigen Situation mit den eigenen Angeboten und Kompetenzen bestmöglich unterstützen kann. Hier sind Voice-of-the-Customer-Programme sicherlich ein hervorragender Ausgangspunkt: Wer jetzt auf die Stimme des Kunden hört und glaubhaft vermittelt, mit den eigenen Ressourcen ein verlässlicher Partner zu sein, der wird Kundenbeziehungen durch und über die Krisenzeiten hinaus positiv weiterentwickeln können", so Weber.

Daten nutzen, um neue Kundenbedürfnisse zu verstehen

Haben sich viele Unternehmen zu Beginn der Krise zwangsweise noch stark mit sich selbst und der Organisation der Arbeitsstrukturen beschäftigt, gilt es nun, den Konsumenten wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Erst recht, wenn er schwieriger zu erreichen ist und sich seine Gewohnheiten ändern.

Der Alltag der Kunden hat sich radikal gewandelt und damit auch die Bedürfnisse und Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen. Diese Bedürfnisse gilt es zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. Wichtige Basis dafür sind valide Daten. Um diese zu gewinnen, rät Peter Kuhlmann , Chief Operating Officer der Omnicom Media Group   , alle verfügbaren Datenquellen zu nutzen, etwa offizielle öffentliche Daten von Regierungen und Instituten, Datenangebote von Dienstleistern und Unternehmen, individuelle und spezifische Befragungen, Frühindikationen aus Marketing-Tools (Leads oder Auftragsbestand), Daten aus dem Web-Tracking oder Daten aus Social Listening-Tools sowie Apps und Geo-Diensten.

In Unternehmen wachse derzeit das Bewusstsein dafür, so seine Erfahrung. "Wenn Unternehmen vom reinen Überlebensmodus in den Gestaltungsmodus wechseln, nimmt die Nachfrage und das Bedürfnis an Daten zu. Allerdings sind wir da noch in einer sehr frühen Phase", berichtet Kuhlmann im neuen Marketing-Podcast "Let's Make Lemonade"   der Agenturgruppe. "Wir spüren eine Zunahme, aber wir sehen noch nicht den Bedarf, den es eigentlich geben müsste, um die bestehenden Marketingherausforderungen entsprechend adäquat beantworten zu können."

Wer jetzt auf die Stimme des Kunden hört, wird Kundenbeziehungen über die Krisenzeiten hinaus positiv weiterentwickeln können.
(Markus Weber, Manager, Muuuh Consulting)
Markus Weber, Manager, Muuuh Consulting (Bild: Muuuh Consulting)
Bild: Muuuh Consulting

Welche Produkte werden derzeit verstärkt nachgefragt? Welche Art von Kampagne hat meine Kunden mobilisiert? Welche Kunden kauften bisher nur stationär, sind aber jetzt online aktiv? Daten können wichtige Fragen beantworten und Unternehmen dabei unterstützen, auf die sich täglich verändernde Situation in Echtzeit reagieren zu können. Gerade in diesen Zeiten ist agiles Handeln wichtig. Die Insights von heute können morgen bereits nicht mehr aktuell sein. Alle zielgruppenspezifischen Maßnahmen müssen daher laufend angepasst und feinjustiert werden, um weiterhin für Kunden relevant zu sein. Kuhlmann: "Es geht nicht nur darum, Dinge zu messen und in Dashboards zu integrieren, sondern es geht vor allem darum, zu verstehen, warum sich der Konsument so verhält, wie wir es gemessen haben."

Zielgruppensegmentierung neu hinterfragen

Wer in klassischen Zielgruppen- und Geschäftsmodellen denkt, nutzt vorher definierte Dimensionen für den Aufbau einer Segmentierung. "Jetzt kommen neue durch die Krise entstandene Dimensionen dazu", so Kuhlmann. Wer zählt bei den Menschen zu den Optimisten und den Pessimisten, bei den Unternehmen zu den Gewinnern und Verlierern? Eine "clevere, neu hinterfragte Segmentierung" sei ein Weg, darauf Antworten zu finden. Ist der Kunde eher ein ängstlicher Typ, stark von der Krise betroffen oder weniger stark? All dies habe Einfluss auf Kaufentscheidungen und die Kommunikation.

Schnell verfügbare Daten liefern die Grundlage für unterschiedliche strategische Handlungsoptionen. "Wenn ich schnell eine bessere Antwort auf existentielle Fragen geben kann, habe ich eine bessere Überlebenschance", so Kuhlmann. Das Adaptieren und Anpassen nach Intuition sei machbar, wenn man auf erlernte Erfahrungen zurückgreifen kann. "In neuen Situationen wie dieser Krise bin ich viel essentieller auf Daten angewiesen. Intuition und Emotion sind wichtige Aspekte, aber häufig ein schlechter Berater. Wichtige Entscheidungen erfordern das Wissen über die Faktenlage."

Wenn Unternehmen vom reinen Überlebensmodus in den Gestaltungsmodus wechseln, nimmt die Nachfrage und das Bedürfnis an Daten zu.
(Peter Kuhlmann, COO, Omnicom Media Group)
Peter Kuhlmann, COO, Omnicom Media Group (Bild: Omnicom)
Bild: Omnicom

Wahrnehmung von Marken und Werbung in verschiedenen Phasen der Krise

"Daten sind eine wichtige Input-Quelle. Keiner von uns trifft ausschließlich auf Basis von Daten alle Entscheidungen. Aber ohne Daten wäre das auch grob fahrlässig", ergänzt im Omnicom-Podcast Janina Mütze , Geschäftsführerin des Marktforschungsunternehmens Civey   . Sie hat überrascht, wie agil auch sonst eher träge Unternehmen in der Krise agieren, wie sie Effekte beobachten und basierend darauf ihre Geschäftsmodelle oder die Kommunikation entsprechend anpassen.

Ging es in der ersten Phase zunächst darum, Solidarität zu zeigen und starke emotionale Messages zu senden, verzeichne Civey jetzt eine verstärkte Nachfrage von Marketern, die verstehen wollen, wie viel corona-basierte Werbung noch richtig ist, wie viel Emotionalität und Betroffenheit ihre Kommunikation enthalten sollte. Wurde nach dem ersten Schock - auch mangels Daten - vieles aus dem Bauch heraus entschieden, arbeiten Unternehmen nun wieder deutlich faktenbasierter, so Mütze.

Die Faktenlage unterliegt einem ständigen Wandel. So hat sich in den vergangenen Wochen das Medien- und Konsumverhalten stetig verändert und damit auch die Wahrnehmung von Werbung. War zu Beginn der Corona-Maßnahmen das Bedürfnis nach Informationen beherrschend und verschaffte den Nachrichtenseiten ungeahnte Reichweiten, wächst aktuell der Wunsch nach Ablenkung und etwas mehr "Normalität" - auch in der Werbung. Dies zeigen Auswertungen der Agenturgruppe Pilot   , die seit Beginn der Krise in der Studie 'Markenkommunikation in Zeiten von Corona'   wöchentlich die Gemütslage der Deutschen analysiert und daraus Empfehlungen für Marken ableitet.

Preview von Pilot Radar - Einstellung zu Werbung in Corona-Zeiten (KW17/18)
Das Zusammengehörigkeitsgefühl lässt nach.

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Vor allem zu Beginn der Corona-Maßnahmen finden Kampagnen einen großen Zuspruch, die auf den ausgeprägten Wunsch nach Gemeinschaftsgefühl und gesellschaftlichen Zusammenhalt reagieren und in ihren Botschaften Optimismus verbreiten. Doch allmählich scheint der Sättigungsgrad an situativen Haltungskampagnen, die Danke sagen oder das Zusammengehörigkeitsgefühl beschwören, erreicht zu sein.

Die in dieser Woche veröffentlichte sechste Welle der Befragung zeigt, dass bedingt durch politische und gesellschaftliche Diskussionen immer mehr Ernüchterung einkehrt. Der Optimismus, dass sich die Lage schnell wieder normalisieren könnte, nimmt von Woche zu Woche ab. An Relevanz gewinnen dagegen die Auswirkungen auf die Arbeitssituation. Stark verloren hat die Überzeugung, dass die Corona-Krise die Gesellschaft stärker zusammenschweißen könnte (siehe Grafik). Diese Ernüchterung betrifft auch die Wahrnehmung von Marken und Werbung. So werde die Kommunikation von Preisen und Rabatten immer wichtiger, während gesellschaftlich relevante Inhalte von Marken an Relevanz verlieren.
Tipps für die Kundenkommunikation
Kunden achten aktuell mehr denn je auf das Verhalten und die Kommunikation von Unternehmen. Basierend auf Interviews mit 100 Marketing-Entscheidern fasst Optilyz   Empfehlungen für die Markenkommunikation zusammen:
  1. Nehmen Sie die Sorgen Ihrer Kunden sehr ernst. "Das ist doch alles übertrieben" ist keine gangbare Option. Zeigen Sie Verständnis und Mitgefühl.
  2. Seien Sie optimistisch. Positive Botschaften sind das, was Kunden aktuell brauchen und suchen. Geben Sie Hoffnung.
  3. Adressieren Sie die Krise. Die Entwicklungen um uns herum zu ignorieren kommt nicht gut an. Ihre Botschaften sollten die aktuelle Lage berücksichtigen.
  4. Handeln Sie schnell. Die Dinge entwickeln sich rasant - Ihre Kommunikation muss hier mithalten. Was heute noch ok war, kann morgen unangemessen sein.
  5. Seien Sie proaktiv und ehrlich. Kommunizieren Sie sehr offen und adressieren Sie Probleme. Wenn Sie z.B. Engpässe befürchten, teilen Sie dies frühzeitig mit.
  6. Schaffen Sie Mehrwert. Eine Kommunikation nur zum Zwecke dessen kann nach hinten losgehen. Stellen Sie sicher, dass jegliche Botschaften relevant sind.


"Brand Friend": Loyale Kunden durch praktische Lebenshilfe

"Wohlwollende Kampagnen von Werbetreibenden begeisterten letzte Woche noch und wurden geteilt, schon jetzt macht sich das erste Gefühl der Beliebigkeit breit, es wird austauschbar", beobachtet auch Carmen Schenkel , Geschäftsführerin des Instituts September Strategie & Forschung   . Gemeinsam mit Jens Barczewski , Geschäftsleiter der Mediaplus Gruppe   , appelliert sie in einem Strategiepapier an Marken, in dieser "psychologischen Ausnahmesituation" für die Konsumenten zum "Brand Friend" zu werden - zum vertrauten Partner in der Krise. "Die Einschränkung, die Enge, die Keime, die Sorge - sie sind aktuell dominant im Mindset. Das führt unwillkürlich zu Bewältigungsstrategien im Alltag." Konsumenten sind auf der Suche nach Ablenkung, Beruhigung, Hoffnung und Inspiration. "Aber bitte schön nicht leer und sinnfrei, sondern profund und emotional bewegend. Und je länger es dauert, umso relevanter wird dieses Bedürfnis nach Mehr." Marken sollten eine klare und individuelle Positionierung einnehmen, um Kunden zu halten. "Diese Zeit wird entscheiden, wie es auch danach um die Beziehung steht. Welche Verbindung bleibt und welche neu definiert oder gecancelt wird."

Die Autoren appellieren an Marken, ihre Zielgruppen nun noch genauer unter die Lupe zu nehmen, sie neu kennenzulernen. "Alle sprechen von Customer Centricity, aber in dem Moment, wo es wirklich wichtig wird, schaut man dann lieber doch nicht so genau hin, oder kopiert die Idee des Wettbewerbers. Ein Fehler." Erfolgreiche Marken zeichneten sich dadurch aus, dass sie gerade in Krisenzeiten kontinuierlich mit ihren Konsumenten kommunizieren. "Jetzt ist die Zeit, Marktanteile zu gewinnen."

Jetzt ist die Zeit, Marktanteile zu gewinnen.
(Carmen Schenkel, Geschäftsführerin, September Strategie & Forschung)
Carmen Schenkel, Geschäftsführerin, September Strategie & Forschung (Bild: September)
Bild: September

Auch Peter Kuhlmann, Omnicom Media Group, beobachtet bei den Endkonsumenten "einen großen Bedarf nach Dialog, gekoppelt mit einer steigenden Nachfrage nach Unterhaltung und Inspiration". Verhalten und Einstellungen der Konsumenten durchlaufen in einer Krise verschiedene Phasen, auf die die Kommunikation gezielt ausgesteuert werden sollte. "Jedes Unternehmen muss hier seine individuelle Lösung finden, um glaubwürdigen und authentischen Purpose in Form von praktischer Lebenshilfe zu liefern." Sie sollten jetzt die Chance nutzen, die Kunden an sich zu binden, so Kuhlmann. "Idealerweise über ein starkes Leistungsangebot, ein Konsumentenbedürfnis, das man befriedigt, über eine gute Positionierung und über ein adäquates Verhalten im Marketing. Im Bereich der Kommunikation kann man jetzt einen Unterschied machen und damit Loyalität gewinnen."

Kundenservice und Customer Experience professionalisieren

Marken sollten inhaltlich auf die Bedürfnisse ihrer potenziellen Kunden eingehen - und "dies entlang ihrer Markenwerte", dazu rät Christian Schneider , Direktor Strategie & Beratung, Pilot Agenturgruppe. Möglich sei auch ein kreativer Dreh, der zur eigenen Marke und deren Produkte passt. Ebenso sei Preiskommunikation legitim, "denn viele Menschen sind aktuell wirtschaftlich stark verunsichert und freuen sich daher über Angebote zur finanziellen Entlastung", so Schneider. "In jedem Fall sollten Marken einen echten Mehrwert für ihre Konsumenten bieten und für sie etwas leisten." Wichtig seien dabei Glaubwürdigkeit und die Orientierung an den eigenen Markenwerten. "Reine 'Aufmerksamkeitskommunikation' mit Botschaften, die von Produkt und Marke nicht substanziell getragen werden können, sind gerade jetzt - noch viel mehr als sonst - zu vermeiden und werden von den Konsumenten auch stärker abgelehnt."

Reine Aufmerksamkeitskommunikation wird von Konsumenten stärker abgelehnt.
(Christian Schneider, Direktor Strategie & Beratung, Pilot)
Christian Schneider, Direktor Strategie & Beratung, Pilot (Bild: Pilot)
Bild: Pilot


Von zu viel Haltungskampagnen rät auch Andreas Baetzgen ab, Professor für Strategische Kommunikation und Branding an der Hochschule der Medien (HdM)   in Stuttgart und Autor des neuen Markenratgebers 'Brand Innovation'. "Ich beobachte schon seit geraumer Zeit einen Überbietungswettbewerb von Marken um Werte und Weltbilder, der immer häufiger auch in der Werbung ausgetragen wird und an dessen Aufrichtigkeit nicht selten gezweifelt werden darf. Statt zu moralisieren, empfehle ich Marken, zunächst ihre Kommunikation und Customer Experience weiter konsequent zu professionalisieren."

Aus der Krise könnten nicht nur Unternehmen gestärkt herausgehen, die durch die Veränderungen im Kauf- und Mediennutzungsverhalten der Menschen Marktanteile gewinnen - etwa im E-Commerce. "Gestärkt sind auch diejenigen Marken, die in Krisenzeiten durch einen exzellenten Customer Service punkten und damit den Menschen das Leben erleichtern", so Baetzgen. "Denken Sie beispielsweise an Marken wie DHL, Zoom oder Shop Apotheke. Dies sind sicherlich die nachhaltigen Gewinner der Krise." Gerade in Krisenzeiten sei der Bereich Customer Services für viele Kunden besonders entscheidend.

Statt zu moralisieren, empfehle ich Marken, zunächst ihre Kommunikation und Customer Experience weiter konsequent zu professionalisieren.
(Andreas Baetzgen, Professor, Hochschule der Medien (HdM))
Andreas Baetzgen, Professor, Hochschule der Medien (HdM) (Bild: Jörg Rohrbacher)
Bild: Jörg Rohrbacher


Doch hier die Qualität hochzuhalten, ist für einige Branchen nicht so einfach, wie eine Auswertung von Zendesk   zeigt. Der CRM-Softwareanbieter hat über mehrere Woche die Kundeninteraktionsdaten von 20.000 Unternehmen weltweit analysiert. Seit der Coronavirus-Pandemie verzeichnen demnach viele branchenübergreifend einen starken Anstieg der Support-Anfragen. Besonders betroffen sind die Bereiche Remote-Conferencing und Learning, Fluggesellschaften und der Lebensmittelhandel. "Die Dinge ändern sich im Moment so schnell und auf eine Art und Weise, die immer schwerer vorherzusagen ist. Von 'Business as usual' kann nicht mehr die Rede sein und wir sind darauf vorbereitet, dass dies viele Monate lang so weitergehen wird", sagt Elisabeth Zornes, Chief Customer Officer von Zendesk. "Es sind viele neue Herausforderungen für Unternehmen und ihre Customer Experience Teams entstanden, die es schwieriger machen, mit dem Schritt zu halten, was für ihr Geschäft am wichtigsten ist - ihren Kunden und Mitarbeitern." Der Dienstleister biete deshalb kostenlose 'Remote-Support-Bundles' an, die Customer Experience Teams helfen sollen, weiterhin remote für ihre Kunden da zu sein.

Empathie zählt: Schneller vom Chatbot zum Menschen

Aktuell sei es wichtiger denn je, dass die Kommunikation mit den Kunden kanalübergreifend stattfindet, um sicherzustellen, dass sie ihren Bedürfnissen entsprechend abgeholt werden, betont Carsten Rust , Senior Director Client Innovation EMEA bei Pegasystems   . "In der durch den Lockdown entstandenen Isolation verändern sich diese Bedürfnisse. Jetzt geht es noch stärker als sonst darum, die Kommunikation zu individualisieren." Rust rät Unternehmen, die Regeln und Direktiven in der kanalübergreifenden Kommunikation anzupassen. "Wo vorher vielleicht der Automatisierungsgedanke durch einen Chatbot im Vordergrund stand, muss in der aktuellen Situation aus Gründen der Empathie die Interaktion mit einem Kunden schneller vom Chatbot an einen Menschen übergeben werden. Am besten sind für diese Situation Unternehmen gerüstet, die schon immer auf eine personalisierte Kundeninteraktion in Echtzeit setzen und diese Interaktion mit Hilfe von einfach anpassbaren KI-Modellen zentral steuern. Sie müssen jetzt nur minimale Änderungen vornehmen."

Aus Gründen der Empathie die Interaktion mit einem Kunden schneller vom Chatbot an einen Menschen übergeben.
(Carsten Rust, Senior Director Client Innovation EMEA , Pegasystems)
Carsten Rust, Senior Director Client Innovation EMEA , Pegasystems (Bild: Pegasystems)
Bild: Pegasystems


Schon vor der Corona-Krise deckten viele Unternehmen den Kundenservice über eine Vielzahl von Kontaktkanälen ab. "Der Wegfall des persönlichen Kontaktes führt natürlich zu einer Zunahme elektronischer Kundenservice-Fälle", sagt Markus Weber, Muuh Consulting. "Hier brauchen Unternehmen aktuell Lösungen, die das gestiegene Volumen an Anrufen, Mails und Chats systematisieren und idealerweise deren Bearbeitung automatisieren können."

Nutzer-Community pflegen und Kulanz zeigen

Firmen jeglicher Größe müssen für ihre Kunden erreichbar sein, den Kontakt halten und sie über aktuelle Entwicklungen informieren. Auch Kulanz fördert die Kundenbindung oder Lösungen für Teilzahlungen und Rabatte. Bei Gutscheinen und Umtauschfristen sollten sich Unternehmen ebenfalls kulant zeigen - langfristig kann sich das auszahlen. Auch Zusatzangebote stärken die Kundenbindung. So schenkt die Deutsche Telekom   ihren Mobilfunkkunden in der Corona-Krise 10 Gigabyte Datenvolumen extra pro Monat.

"Schon jetzt gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Marken, die direkt mit ihren Kunden kommunizieren können, die ihre Marken- und Nutzer-Community pflegen, die individuelle Services anbieten können, zu den Gewinnern zählen werden", erklärt in einem Gastbeitrag   Markenberater Thomas Strerath , früher Vorstand von Jung von Matt. "Customer Centricity kann jetzt gelebt werden, wenn man beispielsweise in der Lage ist, Lebensversicherungen zu stunden bzw. flexibel fortzuführen oder Leasingraten für seine Autos individuell anzupassen. Das ist natürlich eine Frage der Produktleistung, dann aber eben auch eine der Service- und Kommunikationsintegration. Kundennähe bedeutet individuelle Ansprache und das wiederum Personalisierung."

SEO und User Experience verbessern

Ebenfalls wichtig: Das Optimieren der eigenen Landingpage, die Aktualisierung von Produktdaten, die Verbesserung von Conversion-Funnel und User-Experience. Auch sollten Firmeneinträge etwa bei Google My Business   aktuell sein. Da die Krise Auswirkungen auf das Suchverhalten hat, gilt es zudem, hier Trends genau im Auge zu behalten und entsprechende Inhalte zu erstellen, die in der Zielgruppe Konjunktur haben. Um das bestehende Geschäft zu schützen, sollten Unternehmen direkt auf den Suchergebnisseiten sowie auf den eigenen Assets wie Website und Social-Profilen deutlich kommunizieren, welche Änderungen sich für Konsumenten ergeben, rät Sebastian Ludwig , Group Manager SEO von Resolution Media   . Diese Informationen sollten schnellstmöglich aktualisiert werden, sollten sich Rahmenbedingungen ändern.

Eigene Kommunikationskanäle stärken

Sandy Wilzek , Leiterin der PR-Agentur Möller Horcher PR   , rät Unternehmen, sich zudem stärker auf die eigenen Kanäle zu konzentrieren - schon aufgrund der zahlreichen abgesagten Messen. "Intensivieren Sie zum Beispiel die direkte Kommunikation mit Ihren Kunden, indem Sie zusätzliche Mailings versenden, Podcast-Beiträge veröffentlichen, Video-Konferenzen abhalten und Webinare durchführen." Diese Kommunikationsmaßnahmen könnten auch als Ersatz für persönliche Treffen oder abgesagte Messen dienen.

Für funktionierende CRM-Landschaft sorgen

Trotz aller Herausforderungen gelte es auch in der Krise, Digitalisierungsprojekte weiter voranzutreiben, den direkten Kundenkontakt zu gewährleisten, in CRM-Programme, eigene Registrierungsplattformen und Mobil-Assets zu investieren. Auch an dieser Stelle sollten Unternehmen nicht sparen, rät Omnicom-COO Peter Kuhlmann.

Customer Relationship Management ist das Fundament für starke Kundenbeziehungen - auch im Homeoffice. Doch nicht alle Unternehmen sind hier optimal aufgestellt, wie die im Februar veröffentlichte CRM-Studie 2020   zeigt. Die durch die Corona-Krise notwendige Verlagerung von Marketing, Vertrieb und Service in virtuelle Strukturen stelle viele Unternehmen vor weitere Herausforderungen, so Markus Weber, Muuuh Consulting. "Wer bereits vor der Corona-Krise seine Hausaufgaben gemacht hatte, dem wird auch die organisatorische und technologische Neugestaltung der Kundenschnittstelle leichtgefallen sein. Eine funktionierende CRM-Landschaft, die allen Mitarbeitern Anytime-Anyplace-Zugriff auf Kundendaten, Selektionen und Performance Dashboards ermöglicht, vereinfacht die Arbeit am und mit Kunden trotz physischer Verlagerung der Arbeitsorte immens." Für Firmen jedoch, die CRM-Systeme nur unzureichend oder überhaupt nicht einsetzen, verschärft sich die Lage. "Wer Kundendaten und -vorgänge bisher noch in dezentralen Dateistrukturen oder sogar in den berühmten 'Schwarzen Büchern' abgelegt hat, der muss derzeit sicherlich eine Menge Aufgaben rund um Datenstrukturen und Datenmanagement lösen, um seine Kundenbeziehungen weiter erfolgreich gestalten zu können."

Die Krise werde die Art und Weise, wie Marketing und Vertrieb mit Kunden in Kontakt treten, nachhaltig verändern, glaubt Weber. "In einigen Situationen fehlt sicherlich der direkte persönliche Kontakt, aber vielfach erleben sowohl Unternehmensmitarbeiter als auch Kunden, dass sich Aufgaben und Anliegen auch telefonisch bzw. digital sehr gut erledigen lassen. Diese Wahrnehmung wird mit Sicherheit dazu führen, dass sich die Verschiebung weg vom persönlichen Kontakt langfristig eher beschleunigen wird."

Der Transfer klassischer Marketing- und Vertriebsprozesse auf alternative Kanäle oder die Integration neuer Kanäle in die Vertriebsstrategie stelle umfangreiche Anforderungen an die Qualifizierung, Steuerung und Unterstützung. "Wer bereits vorher die notwendigen technologischen Infra- und Datenstrukturen hatte, der ist nun und in der näheren Zukunft gut aufgestellt. Der Teil der Unternehmen aber, die die aktuelle Situation als rein temporäres Ereignis sehen und mit provisorischer Technologie und unfertigen Prozessen in den Lockdown gegangen sind, werden einiges an überfälligen Hausaufgaben zu erledigen haben."

Stärkerer Fokus auf Bestandskunden

"Eine Rückkehr zur Normalität" werde es im Marketing auch nach Corona nicht geben, betont auch Rob Rebholz , Geschäftsführer von Optilyz. Dieses Stimmungsbild lässt sich aus Interviews ablesen, die der Anbieter für Dialogmarketing-Software mit mehr als 100 Marketing-Entscheidern der DACH-Region geführt hat   .

Die drohende Rezession erfordere einen verstärkten Fokus auf Kosteneffizienz und kurzfristige Erfolge, was die Sicht auf Projekte und Prioritäten verändert. So teile ein Großteil der befragten Marketer Marketing-Budgets aktuell in "optional" und "verpflichtend" ein. Alles ohne unmittelbaren und messbaren Wertbeitrag wie etwa Außenwerbung ist demnach "optional", wird kurzfristig gestoppt und in einer Rezession deutlich reduziert. Alles was direkt Umsätze stabilisiert, wird dagegen als "verpflichtend" klassifiziert. Dazu zählten etwa Google SEM-Kampagnen. Mit der Reduktion von Marketingbudgets werde daher Bestandskundenmarketing mehr in den Fokus rücken. Was entsprechende Anforderungen an CRM-Teams stellt, die laut Rebholz die "Helden der Markt-Wiederbelebung" sein werden, da sie die planbarsten und unmittelbarsten Umsätze realisieren können.
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