Beispiel "dm": Was Drogerien den E-Commerce erschwert

von Stephan Randler

24.07.2014

 (Bild: NH-Pressebild)
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Bild: NH-Pressebild unter Creative Commons Lizenz
Im vergangenen Sommer hat die Drogeriemarkt-Kette dm den Online-Vertrieb über Amazon beendet   , weil sich die "Nachfrageerwartungen nicht erfüllt haben" und die Perspektive "für eine erfolgreiche Forsetzung des Online-Handels bei Amazon" gefehlt hatte. Im Interview mit dem Karlsruher Online-Portal Ka-News.de   hat nun Erich Harsch (Vorsitzender der dm-Geschäftsführung) konkretisiert, warum der ortsansässige Drogerist momentan nicht mehr online verkauft   :

dm-Website ohne Online-ShopBildquelle: Screenshot

"Die Erfahrungen im Online-Handel waren so, dass die Menschen die Dinge bestellen, von denen sie sich eine besondere Bequemlichkeit versprechen. Zum Beispiel die großen und schweren Produkte wie Windeln, Tiernahrung oder Waschmittel. Das sind genau die Produkte, die am stärksten im Preiswettbewerb sind. Wenn der Mengenanteil dieser Produkte so hoch ist, wie er sich aktuell darstellt, dann ist es einfach schwierig, weil so nicht die entsprechende Spanne entsteht, die man braucht, um die Logistik zu finanzieren."
Zur Erinnerung: Vor einem Jahr hieß es in einer Pressemeldung lediglich, dass "drogistische Produkte offenbar nach wie vor bevorzugt im stationären Einzelhandel gekauft werden". Laut den aktuellen - und auf Nachfrage von neuhandeln.de bestätigten Aussagen - hat dm aber auch zu schaffen gemacht, dass Kunden vor allem margenschwache Produkte bevorzugt online kaufen. Um den Online-Handel profitabel betreiben zu können, gibt es also folgende Optionen:
  • Verschiedene Preise für verschiedene Vertriebskanäle: Zum einen könnte dm die Preise für Produkte im Online-Shop erhöhen, um die Handelsspanne zu steigern. Rechtlich ist zwar möglich, in unterschiedlichen Vertriebskanälen verschiedene Preise anzubieten (wie Rechtsanwalt Rolf Becker   stellevertretend bestätigt). Kunden dürfte es aber nicht schmecken, wenn sie plötzlich für dieselben Produkte mehr bezahlen sollen - nur weil sie sich für einen anderen Vertriebskanal entscheiden. So zeigt beispielsweise eine Ausgabe vom E-Commerce-Leitfaden   , dass sich Konsumenten in erster Linie gleichen Service und identische Preise in allen Kanälen wünschen   .
  • Höhere Preise in allen Vertriebskanälen: Alternativ könnte dm die Preise sowohl online als auch offline erhöhen, wodurch der Online-Kunde nicht mehr benachteiligt wird und der Drogeriemarkt mit einer höheren Handelsspanne arbeiten kann. Das ist aber wohl die schlechteste Lösung. Denn höhere Preise dürften nicht zuletzt in der Fläche dazu führen, dass Kunden zu den Filialen der Wettbewerber abwandern. Kein Wunder also, dass dm-Chef Harsch "ein betriebswirtschaftlich schwieriges Online-Geschäft nicht durch höhere Ladenpreise finanzieren möchte".
  • Höhere Versandkostenpauschalen: Bleibt als weitere Option, den Kunden die Kosten für den Online-Vertrieb transparent aufzuzeigen und bei gleichen Produktpreisen eine entsprechend hohe Lieferpauschale einzufordern. Da aber immer mehr Online-Händler wie Zalando versandkostenfrei liefern und Kunden sich versandkostenfreie Lieferungen wünschen   , fällt auch diese Option weg. Dazu werden immer wieder Wettbewerber ihren Kunden die Versandkosten erlassen oder gar nicht erst berechnen, um dadurch Kunden abzujagen und Marktanteile zu erobern.
  • Einschränkung des Online-Sortiments: Margenschwache Ware könnte man Produkte aus dem Sortiment des Shops nehmen und so vermeiden, dass diese Artikel (bevorzugt) online gekauft werden. Mit einem Rumpfsortiment versucht sich aktuell beispielsweise die Verbundgruppe Expert im E-Commerce   . Doch online haben Multichannel-Händler gegenüber dem stationären Handel ja prinzipiell den Vorteil, dass sie praktisch unendlich viele Produkte abbilden können und keine Fläche das Sortiment begrenzt. Konsumenten wiederum erwarten Studien zufolge in Online-Shops eine große Auswahl   , weswegen ein Rumpfsortiment nie zielführend ist.
  • Profitabilität durch Cross-Selling erhöhen: Natürlich kann man auch versuchen, profitablere Warenkörbe zu generieren - beispielsweise indem über Cross-Selling dem Kunden verstärkt margenstarke Zusatzartikel empfohlen werden. Es dürfte allerdings kaum einem Händler gelingen, seine Kunden umzuerziehen und zu margenstarken Zusatzkäufen zu zwingen. Wenn Konsumenten vor allem sperrige Güter online ordern wollen, wird man daran kaum etwas ändern können.
Unterm Strich ist es damit für dm tatsächlich wohl am sinnvollsten, momentan gar nicht online zu verkaufen. Und möglicherweise gilt diese Schlussfolgerung ja auch für andere Anbieter. Laut dem Bundesanzeiger scheint sich jedenfalls auch Rossmann im Internet schwer zu tun. So konnte die für den Online-Shop Rossmannversand.de   verantwortliche Rossmann Online GmbH im Geschäftsjahr 2012 zwar den Netto-Umsatz von zuvor 28,7 Mio. auf 32,1 Mio. Euro steigern. Parallel hat sich aber das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von -0,7 Mio. Euro auf -1,5 Mio. Euro verschlechtert. Als Grund nennt Rossmann Online im Geschäftsbericht ein "erhöhtes Stückaufkommen", welches zu einem höheren logistischen Aufwand führte. Im Jahr 2011 war zudem das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von zuvor positiven 0,8 Mio. Euro auf -0,7 Mio. Euro gesunken, weil durch ein neues Werbekonzept die Umsätze mit Non-Food-Artikeln zurückgegangen waren, mehr Umsätze über Drogeriewaren erzielt worden sind und diese Entwicklung "durch eine Minderung der Spanne begleitet" wurde. In diesem Zusammenhang erscheint die Multichannel-Strategie von Müller plötzlich in einem anderen Licht. Das Unternehmen betreibt seit Herbst 2013   einen Online-Shop   , bei dem sich Kunden die Bestellungen ausschließlich zur Abholung in eine Filiale liefern lassen können   - wodurch Müller sich die kostenintensive letzte Meile   der Zustellung wortwörtlich sparen kann. dm hatte seine Kooperation mit Amazon im August 2011 gestartet   . Für Logistik und Preisgestaltung war Amazon verantwortlich, dm hat Amazon lediglich die Ware zur Verfügung gestellt.
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