So verändert sich der E-Commerce in der Post-Brexit-Ära
17.05.2021 Trotz oder gerade wegen der langen Verzögerungen waren viele Einzelhändler nicht auf den Brexit vorbereitet. Wie sich das Verhalten von ECommerce-Unternehmen seit dem Ausstieg Großbritanniens verändert hat und worauf Händler achten sollten:
Probleme durch neue Zoll- und Umsatzsteuerregelungen
- EORI-Nummer: Unternehmen, die Waren zwischen Großbritannien und der EU befördern, benötigen nun eine weitere EORI-Nummer. Denn Warenlieferungen in das Vereinigte Königreich müssen wieder zollrechtlich abgefertigt werden. Sofern deutsche Unternehmen also in das Vereinigte Königreich exportieren oder von dort importieren, benötigen sie eine EORI-Nummer mit dem Präfix "GB"; britische Unternehmen benötigen dagegen eine EU-EORI-Nummer. Dies führte nach dem Brexit zunächst zu Verwirrungen seitens der Unternehmen und zu Lieferverzögerungen, da die entsprechenden Nummern nicht vorhanden waren.
- Zölle und Ursprungsregeln: Das Handels- und Kooperationsabkommen versprach keine Zölle für britische Exporte, allerdings müssen man hierfür nachweisen können, dass rund 55 Prozent der Produkte beziehungsweise Waren aus Großbritannien stammen. Die Ursprungsregeln haben dazu geführt, dass viele Unternehmen doppelt besteuert werden. Eine Reihe großer britischer Einzelhändler war in den frühen Tagen nach dem Brexit davon betroffen. Zum Beispiel produziert ein Einzelhändler einen Teil seiner Kleidung in Bangladesch und importiert sie nach Großbritannien, zahlt dann Einfuhrzölle und Steuern in Großbritannien und lagert sie in Großbritannien. Anschließend verkauft er sie in ganz Großbritannien, der EU und dem Rest der Welt. Da die Waren aus Bangladesch stammen, erhob die EU Einfuhrzölle.
Verändertes Verhalten seitens der E-Commerce-Unternehmen
- Zusätzliche Lager: Viele Kunden eröffneten ein zweites Lager oder nutzen fortan ausgelagerte Fulfillment-Center in Europa. Zudem wurden Lagerbestände, die an EU-Kunden verkauft werden sollen, in diese Einrichtung verlagert. Auf diese Weise können Waren, die ihren Ursprung außerhalb des Vereinigten Königreichs haben, direkt in diese Einrichtung geschickt werden, wodurch Doppelbesteuerung und weitere Verzögerungen für die Kunden vermieden werden.
- Rücksendungen / DDP: Rücksendungen sind für Unternehmen eine Herausforderung. Aus steuerlicher Sicht würde das Vereinigte Königreich, wenn die Waren nach Großbritannien zurückgeschickt werden, davon ausgehen, dass für diese Sendung Einfuhrzölle und Steuern fällig sind. Viele Unternehmen haben zudem damit angefangen, ihre Waren als DDP zu versenden, damit sie der Importer of Records sind. DDP steht für Delivered Duties Paid und bedeutet, dass der Verkäufer zum registrierten Importeur wird und für die Zahlung der Zölle und Steuern an den Spediteur verantwortlich ist. Während die einfachste Methode für den Verkäufer darin besteht, die Waren mit nicht bezahlten Abgaben (DDU; Delivered Duties Unpaid) zu versenden, ist der Kunde für die Abgaben und Steuern verantwortlich, was das Kundenerlebnis weitaus verschlechtert.
- HS-Code: Ein weiteres großes Problem waren Kunden, die HS-Code-Klassifizierungsdienste in Anspruch nahmen, um ihre Waren nach Europa zu verlagern. Dies hilft, Zollverzögerungen zu vermeiden, ermöglicht aber auch eine genaue Berechnung der Zölle, was in vielen Fällen niedrigere Zölle bedeutet, als wenn nur die universellen ersten 6 Ziffern oder Beschreibungen verwendet würden.
"Falsche HS-Codes, fehlende EORI-Nummern und abgelehnte Lieferungen - mit Ende der Übergangsfrist haben wir gesehen, was Unternehmen in Sachen Zoll und Steuer alles falsch machen können", sagt Nicole Morton , Cross Border Solutions Manager bei Avalara. "Die Unternehmen waren nicht vorbereitet. Der Brexit hat einige Händler dazu gezwungen, den Reset-Knopf zu drücken und Prozesse neu aufzusetzen. Viele haben sich hierfür dann externe Expertise ins Haus geholt, um dem Wirrwarr Herr zu werden. Um international erfolgreich zu sein, sollten Händler auf eine automatisierte Steuer-Compliance-Lösung setzen, die sie über alle ändernden Vorschriften informiert und die zu erfüllenden Anforderungen automatisch ausgibt."
Handlungsempfehlungen für den Handel mit Großbritannien
Damit Unternehmen auch nach dem Brexit erfolgreich Handel mit britischen Unternehmen betreiben können, haben die BranchenexpertInnen folgende Handlungsempfehlungen:- Die eigenen Lieferketten überprüfen, um Warenbewegungen zu identifizieren, ob sie nach Großbritannien exportiert werden. Dabei sollte auch auf die Lieferbedingungen und deren Auswirkungen auf die Änderung der Mehrwertsteuer und der Zollpflichten geachtet werden.
- Einen Zoll-Vertreter beauftragen, um Zollanmeldungen einreichen zu können.
- Überprüfen, ob der Spediteur über die richtigen Informationen verfügt, um die Sendungen entsprechend zu verschicken.
- Prüfen, ob bestehende zollrechtliche Bewilligungen angepasst oder gar neu beantragt werden müssen, beispielsweise für den Betrieb eines Verwahrungslagers bei der Einfuhr von Waren.
- Referenzbeträge prüfen, ob diese neu zu berechnen sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn im Rahmen eines gemeinsamen Versandverfahrens Waren exportiert werden. Sofern die Anpassung des Referenzbetrages zur Erhöhung der Bürgschaftssumme führt, ist die Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Bürgschaftssumme ebenfalls anzupassen.
- Den Einsatz einer automatisierten Steuer-Compliance-Lösung prüfen. Diese kann - erweiterbar auch für die Berechnung internationaler Steuersätze - Zölle und Importsteuern in Echtzeit berechnen, so dass Händler die Kontrolle über den ECommerce-Tech-Stack behalten können.
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