Wie ausländische Shops deutsche Online-Händler bedrohen
11.03.2017
Berater: "Deutsche Online-Händler müssen auf der Hut sein"
Doch genau hier lauert Zündstoff. Denn verschiedene Marktanalysen legen nun nahe, dass von dem boomenden E-Commerce-Markt in Deutschland zunehmend ausländische Wettbewerber profitieren - und zwar zu Lasten der deutschen Online-Händler. "Deutsche Online-Händler müssen auf der Hut sein, ihre Kundschaft nicht an die Konkurrenz aus dem Ausland zu verlieren", warnt etwa Gerd Bovensiepen, Leiter des Bereichs Retail & Consumer bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Seine Warnung untermauert er mit Zahlen, die PwC gerade bei einer Online-Umfrage unter 1.200 deutschen Internetnutzern ab 18 Jahren ermittelt hat. Das alarmierende Ergebnis: Mehr als die Hälfte der deutschen Online-Käufer (56 Prozent) habe demnach bereits einmal etwas bei einem ausländischen Online-Anbieter gekauft (siehe Grafik links), in der Gruppe der 18- bis 39-Jährigen betrage dieser Wert sogar schon zwei Drittel. Tendenz steigend. So könne sich der Umfrage zufolge ein Drittel der Befragten vorstellen, in einem Online-Shop mit Sitz im Ausland einzukaufen. Dagegen will nur jeder zehnte deutsche Online-Shopper auch in Zukunft ausschließlich bei solchen Anbietern einkaufen, die auch aus Deutschland stammen. Das große Interesse an ausländischen Anbietern lässt sich durchaus nachvollziehen. So zeigen weitere Ergebnisse der PwC-Umfrage: Bei ausländischen Online-Händlern kaufen deutsche Konsumenten vor allem Kleidung und Schuhe (53 Prozent der Befragten), am liebsten schlagen deutsche Käufer dabei bei Anbietern aus Großbritannien zu. Das dürfte wiederum mit daran liegen, dass in Großbritannien viele Fashion-Versender wie Asos , Boden , Next oder Marks&Spencer aktiv sind, die inzwischen auch allesamt Online-Shops für Kunden in Deutschland betreiben. Über diese Shops vermarkten gerade die Briten gerne ihre Eigenmarken, an die deutsche Verbraucher sonst nicht so einfach kommen. Dazu drängen auch ausländische Anbieter fernab von Fashion in den deutschen Markt. Bestes Beispiel dafür ist der britische Elektronik-Versender AO , der seit einem Jahr in Deutschland aktiv ist und sich hierzulande sogar eine eigene Lieferflotte leistet, um Haushaltsgeräte auszuliefern. Denn deutsche Verbraucher gelten als versandhandelsaffin und sind daher interessant für ausländische Anbieter.Günstige Preise und exklusive Produkte ködern deutsche Kunden
Viele deutsche Verbraucher dürften allerdings auch bei ausländischen Anbietern kaufen, ohne dass ihnen das so richtig bewusst ist. Diese Vermutung legt jetzt jedenfalls eine aktuelle Statistik nahe, die der auf den Handel auf eBay und Amazon in Deutschland spezialisierte Experte Mark Steier von Wortfilter.de nun veröffentlicht hat. Konkret untersuchte er, aus welchen Ländern eigentlich die derzeit 135.000 registrierten Handelspartner auf dem deutschen Amazon-Marktplatz kommen. Demnach stammen unter den derzeit 55.310 aktiven Partnern von Amazon.de nur 53 Prozent der Händler auch tatsächlich aus Deutschland. Weitere 20,61 Prozent der aktiven Händler auf Amazon.de kommen dagegen aus Großbritannien, viele weitere Händler außerdem aus Asien bzw. China (siehe Grafik). Natürlich sagen diese Zahlen zunächst einmal nichts darüber aus, welchen Umsatz die ausländischen Anbieter letzten Endes auch tatsächlich bei Amazon.de machen. Die Statistik legt aber nahe: Viele deutsche Verbraucher dürften auf Amazon.de bei ausländischen Anbietern kaufen, ohne sich das immer auch bewusst zu machen - schließlich kaufen sie ja nach wie vor bei Amazon in Deutschland, auch wenn ein Anbieter wie zOverstocks aus Großbritannien stammt. Insofern dürften deutsche Verbraucher vielleicht sogar schon mehr bei ausländischen Online-Händlern liegen lassen, als es die Umfrage von PwC besagt. "Es ist erschreckend, dass lediglich knapp 27.000 Marktplatzhändler auf Amazon.de auch aus Deutschland kommen", argumentiert auch Wortfilter-Herausgeber Steier. Doch was können deutsche Online-Händler tun, um sich im Wettbewerb zu behaupten und keine Kunden an Konkurrenten aus dem Ausland zu verlieren? "Um Kunden zu binden, ist der beste Weg ein wettbewerbsfähiger Preis", rät PwC-Berater Bovensiepen. Seine Begründung: Knapp zwei Drittel der befragten Auslands-Shopper kaufen nicht zuletzt deshalb bei Anbietern aus dem Ausland, weil diese bessere Preise bieten als die deutsche Konkurrenz. Wichtig sei Bovensiepen zudem ein breites Produkt- und Markenangebot, um Kunden an deutsche Online-Shops zu binden. Ich stimme hier mit ihm allerdings nur bedingt überein, da für mich Preis und Sortimentsvielfalt keine Wettbewerbsvorteile auf Dauer sichern. Schließlich kann immer wieder ein ausländischer Anbieter die eigenen Preise unterbieten oder sein Sortiment erweitern. Sinnvoller wäre vielmehr, wenn deutsche Händler verstärkt in einen schnellen oder kostenlosen Versand investieren. Denn in der Regel dauert es schließlich einige Werktage, bis ein ausländischer Anbieter seine Ware an Kunden in Deutschland liefern kann. Denn meistens wird die Ware aus dem Heimatland verschickt, ein eigenes Warenlager in Deutschland ist bei ausländischen Anbietern nach meiner Beobachtung auch heute die Ausnahme.Gegenmittel: Eigenmarken und Kooperationen
Ein schneller Versand bringt aber auch dann nichts, wenn Kunden die gewünschte Ware ohnehin nur bei ausländischen Online-Anbietern bekommen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Fashion-Fans die Eigenmarke eines ausländischen Fashion-Versenders wie Asos kaufen möchten. Hier könnte es sich für deutsche Versender vielmehr lohnen, Kooperationen mit ausländischen Konkurrenten einzugehen.Basis
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