Alles halb so schlimm? Das Elektrogesetz und seine Folgen

von Stephan Randler

22.07.2016

 (Bild: NH-Pressebild)
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Bild: NH-Pressebild unter Creative Commons Lizenz
Jetzt ist es auch in der Praxis soweit: Nach einer Übergangsfrist von neun Monaten gilt ab dem 24. Juli 2016 das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz   (ElektroG) für alle deutschen Versand- und Multichannel-Händler, die Elektronikprodukte verkaufen. Diese müssen deswegen nun gebrauchte Elektronikgeräte von Verbrauchern zurücknehmen, auch wenn diese zuvor bei einem anderen Anbieter gekauft wurden. So will der Gesetzgeber erreichen, dass Verbraucher alte Geräte einfacher entsorgen können und dadurch weniger Geräte im Hausmüll landen, die stattdessen nun recycelt werden sollen. Vor diesem Hintergrund gelten zwei Regelungen bei der neuen Rücknahmepflicht:
  • Rücknahme von Kleingeräten: Der Händler muss Elektrokleingeräte ab sofort auch dann zurücknehmen, auch ohne dass der Verbraucher ein neues Gerät bei ihm im Gegenzug kauft. Diese Regel gilt für alle Geräte, die an keiner Seite länger sind als 25 Zentimeter.
  • Rücknahme von Großgeräten: Der Händler muss für jedes verkaufte Gerät ein gleichartiges Altgerät zurücknehmen.
Die Verpflichtungen gelten auch dann, wenn Händler die entsprechenden Geräte gar nicht selbst in ihrem Sortiment führen. Den Elektroschrott können Händler dann wahlweise selbst entsorgen oder an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger übergeben. Betroffen sind vom Gesetz alle Multichannel-Händler von Elektronik, die mindestens über eine Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern verfügen. Versandhändler müssen Elektronikschrott annehmen, wenn alle Lager- und Versandflächen für Elektro- und Elektronikgeräte an einem Standort mindestens 400 Quadratmeter zusammen betragen. Die Grenze von 400 Quadratmetern bezieht sich dabei nur auf die Grund- und nicht auf die Regalfläche. Bei der Bestimmung muss man auch Flächen einbeziehen, auf denen kommissioniert wird. Diese Bestimmungen gelten nicht nur bei einem eigenen Versandlager, sondern auch bei einer Partnerschaft mit einem externen Fulfillment-Dienstleister, der sich um Lagerung und Versand der Ware kümmert.

Viel Aufwand, wenig Nutzen: BEVH befürchtet Marktbereinigung

Damit Verbraucher ihren Elektroschrott zurückgeben können, müssen Händler für alle Geräte verschiedene Rückgabemöglichkeiten anbieten, die sich wiederum "in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endnutzer" befinden sollen. In Frage kommen hier zum Beispiel stationäre Filialen eines Multichannel-Händlers, die in der Nähe des Kunden liegen. Denkbar wäre auch, dass Verbraucher ihre Geräte in den Geschäften eines Partners abgeben können, der mit einem Händler bei der Geräteannahme kooperiert. Zulässig wäre auch einfach nur, dass Verbraucher ihre Geräte bei Paketannahmestellen der Zusteller abgeben können, mit denen ein Händler beim Versand kooperiert. Nicht reichen würde dagegen, einfach die lokalen Sammel- und Übergabestellen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dem Kunden als Rücknahmestellen anzubieten.
photo by Alexander Klebe
Rechtsexperte Sebastian Schulz vom BEVH (Bild: Alexander Klebe)
Vor diesem Hintergrund befürchtet der Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel   (BEVH) einen "gigantischen Aufwand" für Händler, dem allenfalls ein "homöopathischer Nutzen" gegenüber stehen werde. Gerade die Auflage für eine umfangreiche Rücknahmeinfrastruktur werde laut dem Verband "eine marktbereinigende Wirkung" haben. Die Begründung: Wenn Versender bundesweit Rückgabemöglichkeiten "in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endnutzer" anbieten wollen, müssten sie sich an der Zahl der bereits bestehenden Annahme- und Übergabestellen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger orientieren. Das wiederum würde bedeuten, dass Versender etwa 1.500 Annahmestellen in Deutschland anbieten müssten - ohne dass sich nach der Einschätzung des BEVH dadurch etwas groß verändert. "Niemand rechnet mit signifikanten Auswirkungen bei den Verbrauchern", schildert Sebastian Schulz, Leiter Rechtspolitik & Datenschutz beim BEVH. "Allenfalls wird es zu Verlagerungseffekten kommen, wenn Verbraucher ab und an auf die Handelsrücknahme ausweichen, anstatt dass sie ihre Altgeräte ordnungsgemäß beim öffentlich-rechtlichen Entsorger verwerten lassen." Dazu kommt: Viele Versandhändler nehmen bereits länger freiwillig alte Großgeräte zurück, wenn Kunden neue Ware bei ihnen bestellen. So berechnet etwa die Otto-Gruppe bei ihrem Elektro-Shop Ekinova   einen Preis von 14 Euro, wenn Kunden bei einem Kauf ihr altes Gerät dem Spediteur mitgeben wollen. Über alle Versendermarken hat der Konzern daher bereits im vergangenen Kalenderjahr über 310.000 elektrische Großgeräte freiwillig von seinen Kunden zurückgenommen und einer Verwertung in Deutschland zugeführt, wie der Handelskonzern im Gespräch mit neuhandeln.de verdeutlicht.

Handelskonzerne nehmen Altgeräte längst freiwillig zurück

An dieser Praxis ändert sich daher durch das neue Gesetz nichts bei der Otto-Gruppe   . Denn generell gilt: Wenn der Verbraucher selbst ein Klein- oder Großgerät zur Post oder zu einer Filiale bringt, dürfen Händler zwar keine Kosten für die Entsorgung berechnen. Anders sieht es aber aus, wenn Händler die Altgeräte direkt bei den privaten Haushalten abholen, was bei Großgeräten in der Praxis ja die Regel sein dürfte. Die Kosten für so einen Abhol-Service dürfen Versender auch weiterhin berechnen. Und Händler müssen Großgeräte ja nur zurücknehmen, wenn der Kunde ähnliche Neuware kauft.
Cyberport Stores
Cyberport nimmt Kleingeräte in seinen Stores an (Bild: Cyberport)
Entsprechend entspannt gibt sich daher nun auch die Media-Saturn-Gruppe   , die nach eigenen Angaben bereits seit einigen Jahren ein freiwilliges Rücknahmesystem für Elektroaltgeräte anbietet. Mit über 400 Märkten in Deutschland verfüge die Gruppe zudem bereits über ein nahezu flächendeckendes Netz zur fachgerechten Entsorgung von Altgeräten, wie der Konzern gegenüber neuhandeln.de argumentiert. Neu ist jetzt daher nur, dass die Gruppe für Kleingeräte zusätzlich eine Einsendung per Post anbietet, für die Kunden ein kostenloses Retourenlabel ausdrucken können. Ähnlich verfährt auch der Multichannel-Händler Cyberport   , der für Kleingeräte nun neben einem kostenlosen Rücksende-Etikett auch eine Gratis-Abgabe in seinen bundesweit 15 Filialen anbietet. Doch selbst Online-Pureplayer ohne Filialen dürften vergleichsweise einfach ein flächendeckendes Netz für die Rückgabe von Altgeräten aufbauen können. Denn zulässig wäre ja auch, wenn Verbraucher ihre Geräte bei Paketannahmestellen eines Zustellers abgeben könnten. Aus diesem Grund bietet zum Beispiel Branchen-Primus DHL seit kurzem einen Service an, über den Verbraucher einfach ihr Altgeräte loswerden können und Händler dadurch wiederum ihren neuen Verpflichtungen nachkommen.
Über DHL können Händler bereits Altgeräte entsorgen lassen (Bild: ALBA Group/Boris Geilert)
So können mit der "DHL Retoure" seit kurzem selbst größere Elektroaltgeräte in Paketen bis 31,5 kg an den Recycling- und Umweltdienstleister ALBA Group geschickt werden, der diese dann umweltfreundlich recycelt. Bisher war dies über das Deutsche-Post-Produkt Electroreturn nur möglich für Kleingeräte wie Telefone oder Rasierer, die in einen Maxi-Briefumschlag (353 x 300 x 50 mm) passen. Händler müssen für diese Rücksende-Services lediglich vertraglich die Nutzung von Electroreturn (für Elektro-Kleingeräte) und der DHL Retoure (für Elektroaltgeräte bis 31,5 kg) vereinbaren. Danach können Händler ihren Kunden die entsprechenden Electroreturn-Versandtaschen oder DHL-Retourelabel zur Verfügung stellen. Das Porto bezahlen dabei die Händler, da die Entsorgung für Kunden ja kostenlos sein muss bei einer Abgabe. Kunden müssen die Altgeräte dann nur noch verpacken und die vorfrankierte Sendung in einen Briefkasten werfen oder in einer von 29.000 DHL-Annahmestellen abgeben. Die Otto-Gruppe wiederum kooperiert mit dem Dienstleister Take-e-way   , der Sammelstellen für Groß- und Kleingeräte anbietet - auch hier müssen Händler kein eigenes Rücknahmesystem aufbauen.

Abmahnungen und Zwangsgelder drohen für Elektronik-Händler

Unterschätzen sollten Elektronik-Händler deshalb aber trotzdem nicht, was nun auf sie zukommt. Denn wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, drohen künftig Zwangsgelder. So könnte die Abfallbehörde oder das Gewerbeamt überprüfen, welche Fläche ein Versender in seinem Lager für Elektronik beansprucht und ob die neuen Pflichten für die Altgerät-Annahme daher für ihn gelten. Neben Zwangsgeldern drohen auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, wenn Elektronikhändler nicht ihren Pflichten nachkommen. Für eine Abmahnung müsste zwar auch ein Wettbewerber die Lagerauslastung eines Konkurrenten kennen, was nicht so leicht zu überprüfen ist wie etwa die öffentlich einsehbaren Angaben im Impressum eines Online-Shops, wo fehlende Angaben schnell abgemahnt werden. Laut BEVH hat das neue Gesetz dennoch schon erste Händler verunsichert. "Wir können schon heute beobachten, dass einzelne Händler in Ansehung der neuen Pflicht ihre Elektrogeräte aus dem Programm nehmen oder den Stock herunterfahren", beobachtet Schulz. "Doch diese Entwicklung ist weder im Sinne des Handels noch im Sinne des Verbrauchers." Gut vorstellbar auch, dass einige Händler künftig ein Schlupfloch nutzen. Denn bei der Betrachtung der Lagerfläche wird nur jeweils ein Standort betrachtet - auch wenn Versender mehrere Versandzentren nutzen. Die neuen Pflichten gelten daher, wenn an mindestens einem dieser Standorte mehr als 400 Quadratmeter Fläche für Elektronik genutzt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Versender könnten die Elektronik-Fläche bei ihrem größten Standort reduzieren, um unter die 400er-Grenze zu fallen und die gestrichenen Kapazitäten dann auf ihre anderen Standorte verteilen: Wenn an keinem Standort die 400er-Marke überschritten wird, gelten die Pflichten für den Händler nicht. Das neue Gesetz war bereits am 24. Oktober 2015 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt galt aber zunächst eine Übergangsfrist von neun Monaten, damit Händler geeignete Rücknahmestellen einrichten und beim Umweltbundesamt melden konnten. Weitere Infos zum Gesetz gibt es hier   .
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