Werbewirtschaft blickt besorgt in die Zukunft

von Christina Rose

19.05.2022 Die digitale Werbung wächst 2021 erneut zweistellig - allerdings auch weiterhin zugunsten der Megaplattformen. Überraschend hingegen erzielte die Printwerbung erstmals seit Jahren wieder ein Plus. Sorgen bereiten aber die Perspektiven für das Jahr 2022.

 (Bild: Free-Photos / pixabay.com)
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Der Werbemarkt in Deutschland ist laut Analyse des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)   2021 um rund 6 Prozent auf 47 Mrd. Euro gewachsen (2020: 45 Mrd. Euro). Während die Investitionen in Werbung auf 36,06 Mrd. Euro und die Netto-Werbeeinnahmen der Medien auf 25,87 Mrd. Euro zulegen konnten und damit das Vorkrisenniveau (2019) übertrafen, verfehlten andere Kommunikationskanäle die Vor-Corona-Ergebnisse trotz auch hier teilweise zu verzeichnender Aufwärtstrends. Wenig überraschend wächst die digitale Werbung 2021 erneut zweistellig - allerdings auch weiterhin zugunsten der Megaplattformen. Überraschend hingegen erzielte die Printwerbung erstmals seit Jahren wieder ein Plus. Deutlich zulegen konnten auch TV/Bewegtbild, die Außenwerbung und das Kino. Auch Sponsoring wuchs mit der Rückkehr des öffentlichen Lebens im Sommer um 10 Prozent. Insgesamt gelingt die Rückkehr zum Vorkrisenniveau (2019) aber nicht durchgängig. So waren beispielsweise die Werbeartikel auch 2021 hart von den Maßnahmen gegen die Pandemie getroffen, ebenso im Minus der Werbedruckbereich. Sorgen bereiten zudem die Perspektiven für das Jahr 2022: Die Mehrheit der ZAW-Mitglieder leidet bereits unter den hohen Rohstoff- und Energiepreisen. Die sinkende Konsumlaune angesichts der steigenden Inflation und das hohe Maß an Unsicherheit bei Verbrauchern und Unternehmen infolge des Ukraine-Krieges sind eine zunehmende Gefahr für Werbeinvestitionen und die Wertschöpfung durch den Sektor. Von der Politik erwartet der ZAW positive Rahmenbedingungen und Gesetze, die den Wettbewerb stärken, statt der Wirtschaft weitere Fesseln anzulegen. Werbeverbote und einseitige Regulierung sind nach Ansicht des Dachverbands weniger denn je angebracht.

Die Werbewirtschaft ist mit dem positiven Ergebnis von plus 6 Prozent im Jahr 2021 größtenteils zufrieden, vor allem da 2020 ein besonders tiefes Tal für die Branche bedeutete: Mit minus 7 Prozent hatte die Werbewirtschaft einen deutlich höheren Rückgang als die Gesamtwirtschaft (minus 5 Prozent) zu verkraften. Die Einbußen wären 2020 noch deutlich höher ausgefallen, hätte die digitale Werbung nicht ein zweistelliges Plus erwirtschaftet, von dem allerdings fast ausschließlich die Megaplattformen profitierten. Alle übrigen Werbeträger und Formen kommerzieller Kommunikation waren - teilweise sehr deutlich - im Minus und hart bis existenziell getroffen.

Die Ergebnisse des Werbejahres 2021 im Detail

Die Werbewirtschaft steht 2021 für Gesamtinvestitionen in kommerzielle Kommunikation von 47,3 Mrd. Euro. Damit stiegen diese um 5,5 Prozent zum Vorjahr (44,86 Mrd. Euro). Der Wert setzt sich zusammen aus den medienbasierten Investitionen in Werbung (36,1 Mrd. Euro), inklusive der Netto-Werbeeinahmen erfassbarer Werbeträger, sowie den weiteren Formen kommerzieller Kommunikation (11,3 Mrd. Euro). Während die beiden erstgenannten Werte das Vorkrisenjahr 2019 übertrafen, galt dies für die weiteren Formen kommerzieller Kommunikation (Werbeartikel, Sponsoring, Kataloge/weitere Werbedrucke) nicht. Obschon ein kräftiger Zuwachs beim Sponsoring (+10 Prozent) erzielt wurde, mussten die schon in 2020 durch die Lockdowns und damit verbundenen Eventausfälle gebeutelten Werbeartikel 2021 erneut ein deutliches Minus hinnehmen. Auch die Kataloge und Werbedrucke verzeichneten erneut ein Minus. In Summe gelang es daher noch nicht, das Vorkrisenniveau von insgesamt 48,33 Mrd. Euro aus 2019 zu erreichen.

Bei den Netto-Werbeerlösen der Medien (25,87 Mrd. Euro, + 8,8 Prozent) waren neben der digitalen Werbung (+16,4 Prozent), vor allem TV/Bewegtbild (+12,1 Prozent), die Außenwerbung (+8,5 Prozent), die Tageszeitungen (+6,4 Prozent) und das Kino (+17,8 Prozent) Gewinner in 2021. Die Printwerbung wies insgesamt entgegen vieler Befürchtungen in Summe ein Plus von 1,1 Prozent aus. Die Tageszeitungen haben zum ersten Mal seit 14 Jahren positive Printwerbeerlöse erzielen können. Neben den Tageszeitungen generierten auch die Wochen- und Sonntagszeitungen (+3 Prozent) sowie die Anzeigenblätter (+ 1,1 Prozent) ein Plus.

Mit ihren rund 47 Mrd. Euro erreichte die Werbewirtschaft einen Anteil von 1,33 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Die durch Werbeinvestitionen erzielte Wertschöpfung wirkt als dreifacher Hebel für das BIP-Wachstum: Der Beitrag der Werbewirtschaft zum BIP-Anstieg lag 2021 bei 7,08 Mrd. Euro.

ZAW-Trendanalyse Frühjahr 2022

Die ZAW-Trendanalyse zeigt ein uneinheitliches Bild. Sie spiegelt die positiven Aufschwungserfahrungen des Vorjahrs und die Möglichkeiten ihrer Fortsetzung in 2022 wider. Wegen der konjunkturellen Entwicklung und bei den politischen Indikatoren macht sich aber auch Skepsis breit. Zwar erwarten mehr als die Hälfte der ZAW-Mitglieder im 1. Halbjahr eine schwarze Null (55 Prozent), 21 Prozent sogar eine Steigerung auf das Vorkrisenjahr 2019 oder darüber, wohingegen 17 Prozent einen Rückgang auf das Corona-Jahr 2020 befürchten.

Die Sorgen über weiter steigende Energiepreise und die Rohstoffknappheit ist aber bereits sehr präsent: 62 Prozent sind stark von den hohen Energiepreisen betroffen, 38 Prozent mittelstark. 59 Prozent sind deutlich von den hohen Rohstoffpreisen und Vorprodukten wie Papier betroffen, 28 Prozent mittelhoch. Von der agrarischen Rohstoffsituation (z.B. Weizen, Soja, Zucker) sind 24 Prozent der Mitglieder stark betroffen und ebenfalls 24 Prozent mittelstark. Logistik- und Lieferkettenprobleme beklagen 45 Prozent als hoch und 28 Prozent als mittelstark, während lediglich 28 Prozent nur gering betroffen sind. 79 Prozent dar ZAW-Mitglieder sehen beim Konsumklima infolge der Ukraine-Krise zwar keine positive Entwicklung, stufen die Lage aber noch nicht als schlecht ein. 21 Prozent der ZAW-Mitglieder beurteilten die Lage jedoch bereits als schlecht.

Die Frage zur Stimmung in der Werbebranche auf einer Skala von 8 ("ausgezeichnet") bis 1 ("bedrohlich") zeigt im Frühjahr 2022 einen leicht besseren Durchschnittswert mit 3,5 als im Corona-Jahr 2021 zu Lockdownzeiten (3,3). Aufgeschlüsselt nach Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ergeben sich für die wirtschaftliche Situation verhaltene 4,0 Punkte, die gesellschaftliche Situation 3,7 und zur politischen Lage besorgte 2,9 Punkte. Die Werte stehen für die zunehmend schwieriger werdenden ökonomischen Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Herausforderungen und die Sorgen bei der politischen Agenda. Mit überwältigenden 90 Prozent steht der Schutz vor politischen Belastungen, die die Branche in angespannter Wirtschaftslage ausbremsen, ganz oben auf der Tagesordnung.

Ausblick auf 2022

Andreas F. Schubert , Präsident des ZAW, zur Werbemarktentwicklung 2022: "Im laufenden ersten Halbjahr 2022 zeigen sich zwei Gesichter, die eine Prognose für die Weiterentwicklung des Werbejahres 2022 erschweren: Zum einen existiert auf der Konsumentenseite grundsätzlich die Lust zu konsumieren, denn es besteht nach mehr als zwei Jahren Corona-Beschränkungen schlicht Nachholbedarf. Hinzu kommt, dass sich ausreichend Vermögen in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 angesammelt hat, da nicht im üblichen Maße konsumiert werden konnte. Andererseits stehen weniger finanzielle Mittel für größere Anschaffungen zur Verfügung, wenn für Benzin, Strom, Heizöl, Gas und viele Lebensmittel deutlich mehr Geld ausgegeben werden muss. Längerfristig stark ansteigende Preise sind für die Verbraucher und viele betroffene Branchen erheblich negativ. Ändert sich die geopolitische Lage hingegen, ist eine verbesserte Gesamtkonjunktur ab der zweiten Jahreshälfte 2022 denkbar und erreicht dann auch zeitversetzt die Werbewirtschaft. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren gelernt und gezeigt, dass sie schnell und flexibel reagieren kann."

Bernd Nauen , Hauptgeschäftsführer ZAW, umreißt die aktuellen, werbepolitischen Perspektiven der Branche: "Auch 2021 profitierte die Online-Werbung außerordentlich von der wachsenden Online- und E-Commerce-Nutzung und den daraus resultierenden Budgetshifts in den digitalen Werbemarkt. Wenige dominante Plattformen, die marktübergreifend, teilweise auch gleichzeitig auf der Angebots- wie der Nachfrageseite tätig sind, konnten in dieser Situation ihren Datenreichtum, Netzwerkeffekte und Skalierungsmöglichkeiten vollauf zur Geltung bringen. Diese Bedingungen erklären die weiterhin einseitige Entwicklung des digitalen Werbemarkts, von der hauptsächlich die Gatekeeper-Plattformen profitierten. Auf europäischer Ebene geht die neuartige Regulierung durch den DMA (Digital Markets Act) aus ZAW-Sicht in die richtige Richtung: Er ist der langersehnte Versuch Europas, die stetig wachsende Marktmacht digitaler Tech-Plattformen proaktiv einzuhegen und bestreitbare Märkte zu schaffen. Die weiteren digitalpolitischen Politik- und Gesetzgebungsfelder, beispielsweise der DSA und die E-Privacy-Verordnung, sind für die ZAW-Mitglieder unverändert erfolgskritisch. Und natürlich sind Formulierungen, die für Werbeverbote und einseitige -restriktionen auf produktspezifischer Ebene stehen, wie etwa mit Blick auf die Lebensmittelwerbung, von besonderer Bedeutung. Die Unternehmen in der Wertschöpfungskette, allen voran die werbefinanzierten Medien, aber auch mittelständische Hersteller brauchen Rahmenbedingen, die ihre Krisenresilienz stärken und die sie bei den ohnehin großen Herausforderungen der Transformation unterstützen. Die ZAW-Mitglieder erwarten unter den deutlich veränderten Bedingungen des Jahres 2022 also eine Politik mit Augenmaß und Evidenzbezug und nicht das Abarbeiten von ohnehin schwach begründeten Interventionslisten."
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