E-Commerce

Online-Shops behandeln KundInnen wie Störenfriede

von Christian Gehl

17.10.2023 Mehr als 20 der 100 größten Online-Shops verstecken ihre Telefonnummer. Mehr als 10 sind zudem, wenn überhaupt, nur von montags bis freitags erreichbar - und das zu Bürozeiten. Aber es ist nicht alles schlecht: Fast 50 gehen schon nach gut einer Minute ran.

Callcenter-Leistungen werden zu oft eingespart (Bild: call-center.net)
Bild: call-center.net
Callcenter-Leistungen werden zu oft eingespart
Ein exzellenter Kundenservice trägt dazu bei, Kundinnen und Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden. Doch bei den 100 größten Online-Händlern in Deutschland (Quelle: EHI/eCommerceDB, Top 100 Online-Shops in Deutschland 2022   ) gibt es hier noch Luft nach oben. Das zeigt die aktuelle Versandhandelsstudie 2023   , die der Spezialist für Post-Purchase-Kommunikation, parcelLab   , und der Experte für E-Commerce-Fulfillment und Customer Care, Salesupply   , in diesem Jahr erstmals gemeinsam veröffentlichen.

Das Dilemma fängt schon bei den Öffnungszeiten der Customer Service Center an: Mehr als jeder zehnte der 100 größten Online-Händler in Deutschland ist für seine Kunden nur wochentags zu Bürozeiten erreichbar. Gleiches gilt für das Wochenende. Auch hier heißt es bei der Hotline jedes dritten großen deutschen Online-Händlers: ?Unter dieser Nummer ist heute keine Verbindung möglich. Bitte rufen Sie am Montag wieder an?.

Überraschend auch: Bei mehr als jedem fünften Top-100-Händler ist die Nummer der Telefon-Hotline nur sehr schwer zu finden. Offenbar sehen diese Händler den telefonischen Kundenservice eher als lästigen Kostenblock, den es zu minimieren gilt, und nicht als weiteren Touchpoint in der Customer Journey, den man optimal für sich nutzen sollte.

Telefon vor E-Mail

Die Messung der Reaktionszeiten des Kundenservice auf den verschiedenen Kanälen zeigt: Wer es eilig hat, sollte zum Telefon greifen. Fast die Hälfte der getesteten Online-Shops schaffte es, Kundenanrufe in weniger als 75 Sekunden anzunehmen. Die durchschnittliche Reaktionszeit liegt bei 2:33 Minuten. E-Mail-Anfragen an den Kundenservice wurden im Schnitt nach 34 Stunden beantwortet. Immerhin ein Viertel der großen Händler im Test schickte bereits innerhalb einer Stunde eine Antwort-Mail. Ein ähnliches Ergebnis zeigt der Test im Bereich Social Media. Hier antworteten zwei Händler in weniger als zehn Minuten auf die Anfragen der Tester, ein Händler innerhalb einer Stunde. Bei zwei Händlern blieben die Social-Media-Anfragen gänzlich unbeantwortet.

Mehr als jeder vierte große Online-Händler in Deutschland bietet seinen Kunden inzwischen auch die Möglichkeit, für konkrete Anfragen einen Chat zu nutzen. In der Regel fragt hier zunächst ein Bot die relevanten Basisinformationen ab, danach übernimmt ein Mensch die Kommunikation und widmet sich dem Kundenanliegen.

Für Salesupply-Geschäftsführer Henning Heesen ist vor allem die Erreichbarkeit der Online-Händler ein Punkt, der verbessert werden sollte: "Für Händler ist es eine verpasste Chance, wenn Kunden beim Kundenservice vor verschlossenen Türen stehen, denn vor allem ältere und sicherheitsorientierte Kunden lassen sich gerne telefonisch beraten, bevor sie auf den Kauf-Button klicken", sagt er. "Die Haupteinkaufszeit im Internet liegt in Deutschland derzeit zwischen 20 und 21 Uhr. Wer hier nicht erreichbar ist, verliert Interessenten an Wettbewerber, deren Customer Service Center länger besetzt sind."

Für die Versandhandelsstudie 2023 hat das Team von parcelLab im Juni und Juli 2023 bei den gelisteten Händlern jeweils eine Testbestellung aufgegeben. Zusätzlich recherchierten die Customer-Care-Experten von Salesupply in den Online-Shops der Top-100-Online-Shops alle verfügbaren Kanäle zum Kundenservice sowie die angebotenen Öffnungszeiten des Kundenservice-Teams. Darüber hinaus wurden über alle verfügbaren Kanäle der Händler Anfragen gestellt und die Antwortzeiten analysiert.
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