Marken- und Patentrecht

Unternehmen gehen stärker gegen Produktpiraterie vor

von Frauke Schobelt

21.10.2022 Durch Produktpiraterie entstehen Rechteinhabern jährlich Schäden in Millionenhöhe, wie eine Umfrage zeigt. Hauptumschlagplatz sind Online-Marktplätze. Doch immer mehr Unternehmen kämpfen verstärkt für ihre Rechte.

2. Platz beim Negativpreis Plagiarius 2022. Links das Original von Wika, Deutschland. Rechts die Fälschung aus Bangladesh (Bild: Plagiarius 2022)
Bild: Plagiarius 2022
2. Platz beim Negativpreis Plagiarius 2022. Links das Original von Wika, Deutschland. Rechts die Fälschung aus Bangladesh
Vor allem in den Monaten September, Oktober und November steigen die Rechtsstreitigkeiten zum Thema Fälschung um 60 Prozent an. Wie stark Brands und Produkte aus Deutschland von Produktpiraterie betroffen sind und wie sie dagegen vorgehen, zeigt eine qualitative Umfrage von Sentryc   , Anbieter von Anti-Piracy-Software, unter 547 Entscheidungstragenden aus Unternehmen, die Produkte auf digitalem Weg zum Verkauf anbieten. 112 von ihnen (20,48 Prozent) waren in den letzten fünf Jahren direkt von Produkt- und/oder Markenpiraterie betroffen. Mehrfachantworten zeigen ihre Situation: So berichten 54,5 Prozent von Markenpiraterie, 47,3 Prozent von unlauterem Nachbau und 46,4 Prozent von Patentverletzungen. Alle weiteren Ergebnisse beziehen sich auf diese von Produktpiraterie betroffene Personen- und Unternehmensgruppe.

Was die Plagiatoren fälschen

50 Prozent der Kriminellen kopierten in den vorliegenden Fällen das äußere Erscheinungsbild, 43,75 Prozent Komponenten und 40,18 Prozent das gesamte Produkt. Doch auch Ersatzteile mit 31,25 Prozent und Werbematerialien mit 26,79 Prozent gehören zu den Plagiatoren-Favoriten. Selbst Verpackungen sind mit 21,43 Prozent vor Nachahmung nicht gefeit.

Wer hinter den Plagiaten steckt

44,6 Prozent der Betroffenen gaben an, dass die meisten Plagiate aus dem direkten Wettbewerb stammen. Den zweiten Platz nehmen Underground Factories mit 31,3 Prozent ein. Im Business-Bereich plagiieren auch Kunden ihre benötigte Ware - 36,8 Prozent aller gefragten Unternehmen gaben an, ihre Abnehmerschaft als Produktpiraten identifiziert zu haben.

Schäden gehen in die Millionen

Der durch Fälschungen verursachte Schaden fällt in den meisten Fällen äußerst hoch aus: 24,1 Prozent geben an, einen jährlichen Schaden von 1 Million bis 50 Millionen Euro zu verbuchen. 23,2 Prozent nannten einen Schaden von 500.000 bis 1 Million pro Jahr und 21,4 Prozent der Befragten rechnen aktuell mit 100.000 bis 500.000 Euro Verlust durch Fakes.

Neben den wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen sorgen sich 60,7 Prozent der Betroffenen um die Gefahren für Konsumierende. 65,2 Prozent bestätigen, dass bereits Kopien ihrer Produkte im Umlauf waren, von denen ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für Nutzende ausging. Knapp 40 Prozent geben außerdem an, Fälschungen entdeckt zu haben, deren Erzeugung oder Vertrieb eine Gefahr für die Umwelt darstellt.

Online-Marktplatze als Hauptumschlagpunkt

Die Teilnehmenden gaben an, dass der größte Teil des Fake-Vertriebs auf Online-Marktplätzen stattfindet. Auch wilde Websites, also weder zu einem Markplatz noch zu einem Unternehmen gehörende Onlineshops, arten zum Problem aus und belegen den zweiten Platz. Social Media verschaffen vielen Plagiatoren mittlerweile ebenfalls einen großen Absatzmarkt.

33,9 Prozent der Fakes und damit den größten Teil der gefundenen Fälschungen entdecken Unternehmen durch aktiven Einsatz von Markenschutz-Software. Dicht gefolgt von der aufwendigen manuellen Recherche mit 29,5 Prozent, die in über 75 Prozent interne Mitarbeitende durchführen. Allerdings werden immer noch 25 Prozent der unlauteren Kopien zufällig von Kundinnen und Kunden gefunden, die dem Unternehmen Bescheid geben. Ein hoher Anteil, der zu Reputationsverlust führen kann.

Mehrheit besitzt Marken- und Patentrechte

81 Prozent der Befragten gaben an, über Markenrechte zu verfügen. 72 Prozent besitzen Patentrechte, die vor allem technische Erfindungen wie innovative Produkte oder Verfahren unter Schutz stellen. Auf diese Weise entsteht ein zeitlich und räumlich limitiertes Nutzungsmonopol. Weniger als die Hälfte halten Rechte zum unlauteren Nachbau, die den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz betreffen und als Ergänzung die Schutzleistung einer Markeneintragung verstärken. Noch weniger der Befragten halten Lizenzen für Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster oder sonstige Rechte wie Urheberrechte.

Die meisten Plagiatoren arbeiten im Ausland

93,8 Prozent der Befragten meldeten ihre Schutzrechte in Europa an - denn 61,6 Prozent der Plagiate werden in Europa vertrieben. Doch die meisten Plagiatoren arbeiten im Ausland. 49,1 Prozent der Befragten sichern ihre Rechte in den USA. Erst auf Platz drei mit 37,5 Prozent sichern deutsche Unternehmen ihre Marken und Produkte in China vor unlauterer Kopie. Dabei stammt immer noch der größte Teil aller Fakes aus dem Land der aufgehenden Sonne. Und auch der Vertrieb der Plagiate findet laut Befragung in 55,4 Prozent der Fälle in China statt.

25,9 Prozent fürchten in Südamerika um ihre Wettbewerbsfähigkeit, 20,5 Prozent in Australien. Unter 20 Prozent liegen Anmeldungen in Afrika, Russland sowie in den restlichen asiatischen Ländern. Die Türkei spielt ebenfalls weit oben in der Plagiatoren-Liga - das Land zählt allerdings nicht zum Geltungsbereich der EUIPO, des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum, weshalb EU-Rechte hier nicht greifen.

Zuständigkeiten für Brand Protection und Produktschutz

Für 54,5 Prozent der Entscheider und Entscheiderinnen zahlt die Marke und ihr Image am meisten auf den Unternehmenserfolg ein - umso höher die Angst vor Missbrauch mit wirtschaftlichen Folgen: Auf einer Skala von 1 bis 6 bewerten die Befragten die grundsätzliche Gefahr durch Plagiate für die deutsche Wirtschaft mit einer Punktzahl von 4,96. Die Gefahr für die eigene Branche stufen sie auf 4,66 ein.

67 Prozent sehen eine Zunahme der Schädigungen durch Fälschungen in der eigenen Branche seit Beginn der Coronapandemie im März 2020. Nur die Hälfte der Befragten bewerten die Effektivität der derzeitigen Gesetze und Bestimmungen in Deutschland und der EU zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie als ausreichend.

In 23 Prozent der Fälle kümmert sich das General Management um das Thema Fälschungen und Brand Protection, in 18 Prozent sind die Legal-Abteilungen zuständig. Große Unternehmen verfügen über eine eigene Brand Protection Unit. In dieser Umfrage übernahmen 11,6 Prozent diese Zuständigkeit.

Unternehmen fehlen die Ressourcen

Über 10 Prozent der Betroffenen gehen trotz horrenden Verlusten durch Fälschungen noch nicht aktiv gegen diese vor. Als häufigsten Grund für das Nicht-aktiv-Werden geben die Befragten den hohen Aufwand an. Sie geben den Großteil der Plagiatsfälle an die eigene Rechtsabteilung weiter oder erstatten Strafanzeige, doch dann ist die Kopie bereits lange auf dem Markt. Dennoch: 61,5 Prozent gingen in der Vergangenheit gar nicht gegen Kopien und Produktpiraten vor - heute treten über 88 Prozent für ihre Rechte ein. Laut Sentrycs zeigen die Ergebnisse der Studie "ein gewaltiges Umdenken in den Leitungen deutscher Unternehmen, sowohl in der Überprüfung der Marktsituation, in der Nachverfolgung und in der Durchsetzung der Produkt- und Markenrechte". Produktfälschungen und Brand Abuse rücken deutlicher in den Fokus, was Wirtschaftlichkeit und Verantwortung angeht - den Kunden, der Gesellschaft und der Umwelt gegenüber.
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