„Absurde Kosten“: So verfahren Händler bei Speditionslieferungen

„Krasse Kosten und Kokolores“: Zu diesem Fazit kommt eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, für die Speditionskosten in 30 deutschen Online-Shops analysiert wurden. So kritisieren die Verbraucherschützer nach eigenen Angaben unter anderem „absurde Speditionskosten“ in einer „verwirrend skurrilen Welt mit eigenartiger Preiskalkulation“. Laut der Stichprobe gibt es dabei mehrere Herangehensweisen, wie Versender bei Speditionslieferungen mit ihren Kunden verfahren.

Verbraucherzentrale
Lieferkosten sind oft intransparent (Bild: Verbraucherzentrale)

So hatte laut der Untersuchung von vornherein nur jeder dritte Händler überhaupt angeboten, die bestellte Ware auch immer direkt bis an den Aufstellort zu transportieren. Sieben Versender dagegen lieferten die Ware in dem Test dagegen lediglich „frei Bordsteinkante“. Zu dieser Gruppe gehört zum Beispiel der auf Musik-Equipment spezialisierte Händler Thomann.

Dieser erklärt in seinem Online-Shop, dass nach dem Abladen vom LKW die Spedition entscheide, ob die Ware „tatsächlich bis zur Wohnungstür getragen“ werde. Das sei normalerweise kein Problem, erfordere aber bei „extrem sperrigen Lieferungen“ gegebenenfalls etwas „Verhandlungsgeschick“.

Auf Nachfrage von neuhandeln.de begründet Thomann dieses Verfahren damit, dass in Deutschland alle Lieferungen über 25 Euro generell portofrei sind – inklusive Spedition. Wer dennoch Hilfe von der Spedition benötige, könne Thomann kontaktieren. Dann würden Kunden aber Mehrkosten entstehen.

Eine Ein-Mann-Vertragung koste 40 bis 50 Euro, eine Zwei-Mann-Vertragung dagegen das Doppelte. Direkt wählen kann man diese Optionen im Online-Shop aber nicht, wie ein Selbsttest zeigt. Denn nur ein Kommentar/Hinweis zu der Bestellung lässt sich beim Check-Out an das Thomann-Team schreiben.

Verbraucherzentrale: Ikea-Lieferkosten „völlig frei von Logik“

Anders verfahren Versender, die ihre Lieferungen von vornherein bis zum Aufstellort bringen. Zu dieser Kategorie gehört unter anderem der schwedische Möbel-Riese Ikea, der Ware in der Wohnung an den gewünschten Verwendungsort liefert. Während andere Versender aus dieser Kategorie aber für so einen Komplett-Service zwischen 30 bis 40 Euro verlangten, staffelte Ikea seine Lieferpreise laut der Verbraucherzentrale „völlig frei von Logik“: Für jeweils 200 Euro Einkaufswert wurden rund 25 Euro fällig. Diese „willkürliche Staffel“ endete erst bei über 1.200 Euro Warenwert – und 175 Euro Porto.

Patrick Palombo
Patrick Palombo (Bild: eigenes Foto)

Gegenüber neuhandeln.de begründet Ikea seine Staffelung damit, dass man Kunden so ein „einfaches und transparentes Modell der Preisgestaltung an die Hand geben“ will. Andernfalls könnte es noch unübersichtlicher für die Kunden werden. „Bei der Lieferung berechnen unsere Service-Partner die Lieferungen aufgrund einer Entfernungs-/Gewichtsmatrix“, verteidigt Ikea sich. „Je weiter und schwerer eine Lieferung ist, desto teurer wird sie.“

Bei Branchen-Insidern sorgt so ein Vorgehen dennoch für Kopfschütteln. Kein Wunder. Schließlich werden Kunden im Endeffekt ja mit höheren Lieferkosten ausgerechnet dafür bestraft, dass sie mehr bei einem Händler kaufen.

Doch eigentlich sollte das Gegenteil der Fall sein. „Porti nach Warenwert zu staffeln macht nur Sinn, wenn es umgekehrt-proportional stattfindet“, argumentiert auch der auf Online- und Multichannel-Handel spezialisierte Berater Patrick Palombo. „Je höher der Warenwert, umso weniger Kosten.“

Kundenfreundlicher wirken da schon Online-Händler wie Branchen-Primus Amazon.de, der bei der Untersuchung generell eine kostenlose Lieferung in die Wohnung versprach. Dennoch: Bei „einigen Großgeräten“ bockte Amazon und wollte die Lieferung an der „Haus- bzw. Wohnungstür“ abbrechen.

Dabei müsste so ein Durcheinander gar nicht sein. „Eine Lieferung bis Bordsteinkante ist für Händler zwar billiger, macht aber aus Kundensicht überhaupt keinen Sinn“, mahnt Palombo. „Im Handel sollte man eins gelernt haben: Der Kunde ist auch bereit, für eine fair berechnete Dienstleistung zu zahlen.“

Gerade bei hochwertigen oder komplexen Waren sei seiner Erfahrung nach Kunden der Liefer- und Aufbauservice durchaus etwas wert. Gratis-Lieferungen müssten ihm zufolge daher eigentlich keine Versender bieten. Händler sollten vielmehr auflisten, was die einzelnen Services jeweils kosten – und Kunden beim Online-Kauf dann die Wahl lassen, welchen Service sie für welchen Preis dazu buchen.

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1 Kommentar

  1. Bedauerlicher Weise ist das ein Irrglaube, der bei Onlinekäufern besteht, dass bei größeren Einkaufssummen die Lieferung günstiger sein soll. Mehr Ware= mehr Gewicht, mehr Lademeter kosten einfach mehr. Natürlich kann der Onlinehändler (tut er auch meistens) den Versand anteilsmäßig einrechnen. Das ist aber dann gegenüber dem Käufer unfair (gut für den Händler), wenn mehr bestellt wird, weil kalkuliert wird der Versand mit Verkauf von einem Stück. Der Onlinekäufer erwartet sich gratis Lieferung und bedenkt dabei nicht, dass gratis nicht gratis ist. Irgendwo sind diese Kosten eingerechnet. Die Verbraucherzentrale soll sich bitte einmal mit dem Versand per Spedition auseinandersetzen. Die Kosten sind nicht nur das Gewicht und der Platz im LKW, sondern beinhaltet auch anteilsmäßiges Roadpricing und Treibstoffzuschlag. Letzteres kann sich täglich ändern, was jeder Autofahrer weiß.

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