Was deutsche Unternehmen aktuell im E-Commerce planen

von Joachim Graf

12.12.2023 Welchen technologischen und strategischen Herausforderungen sich Unternehmen in Sachen E-Commerce für die kommenden Monate stellen - und welche E-Commerce-Entwicklungen dabei wichtig werden: Wir haben nachgeforscht.

 (Bild: Firmbee, Pixabay)
Bild: Firmbee, Pixabay
Zukunft ist bekanntlich vor allem deswegen so spannend, weil die allermeisten Menschen in ihr leben wollen. Will man wissen, wie diese Zukunft aussieht, dann muss man definieren, welche Zukunft man mit seiner Frage eigentlich meint. Das ist um so wichtiger, wenn man die Wie-wird-die-Zukunft-Frage in einer so zukunftsbeschwipsten Branche stellt, wie der Digitalbranche.

Deswegen haben wir den Expertinnen und Experten nicht nur eine, sondern gleich drei Fragen gestellt, als wir sie im Vorfeld der Dmexco zu aktuellen Trends befragt haben. Wie sie die Entwicklung des E-Commerce in einem Zeithorizont von sechs, zwölf sowie 36 Monaten sehen - das haben uns Deutschlands Digitalprofis verraten.

Der E-Commerce heute: Der Zeithorizont von sechs Monaten

"Die spürbare Kaufzurückhaltung der Verbraucher ist das aktuelle Hauptproblem im ECommerce." (Kristin Naragon, Chief Strategy and Marketing Officer, Akeneo)

Welche technologischen und strategischen Herausforderungen und Trends aktuell und in naher Zukunft bei den Unternehmen im Fokus stehen, haben wir als erstes abgefragt. Kristin Naragon, Chef-Strategin bei Akeneo   , beispielsweise hält die "spürbare Kaufzurückhaltung seitens der Verbraucher" für das aktuelle Hauptproblem im E-Commerce. Für Josephine Wick Frona, Head of Marketing DACH bei HubSpot   , ist darum die größte strategische Herausforderung das "Halten der Bestandskundschaft".

Daher käme laut Kristin Naragon "der kontinuierlichen Diversifizierung im Rahmen von Omnichannel-Strategien eine entscheidende Bedeutung zu". Deren operative Umsetzung erfordere Technologien und Systeme, die "jederzeit über alle Touchpoints und Kanäle hinweg sowohl maximale Flexibilität als auch höchste Konsistenz gewährleisten". Damit lassen sich binnen kürzester Zeit konsistente Produktinformationen bereitstellen. Das eröffne in der aktuell schwierigen Marktsituation kurzfristige Diversifizierungschancen und steigere die Verkaufswahrscheinlichkeit durch Personalisierung.

"Die größte strategische Herausforderung ist das Halten der Bestandskundschaft." (Josephine Wick Frona, Head of Marketing DACH, HubSpot)

Eine Einschätzung, die Ralf Gladis, CEO und Gründer von Computop   , teilt: "Aktuell und wahrscheinlich länger als sechs Monate beschäftigt viele unserer Händler das Thema Omnichannel. Hier sind noch lange nicht alle Prozesse vereinheitlicht. Sich fit zu machen für sich ändernde Kundenwünsche, durchgreifende Digitalisierung und neue Kanäle wie Shopping-Apps oder Social Commerce ist die aktuelle Herausforderung."

Auch Solute   -Geschäftsführer Bernd Vermaaten sieht kurzfristig vor allem die weitere digitale Transformation im Vordergrund: "Der Vertrieb im stationären Handel birgt aus unserer Sicht das größte Digitalisierungspotenzial". Um dieses voll auszuschöpfen, müssten Produkte und Services noch stärker auf den Kunden zugeschnitten werden. Thomas L. Rödding, CEO von Narravero   , nennt auch rechtliche Anforderungen für eine aktuelle Herausforderung und hält den digitalen Produktpass dabei für dringend.

"Der Vertrieb im stationären Handel birgt das größte Digitalisierungspotenzial." (Bernd Vermaaten, Geschäftsführer, Solute GmbH)

Das Thema Daten steht in den kommenden Monaten ganz oben auf der Agenda im Handelsmarketing. Davon ist unter anderem Barbara Stadler überzeugt. Die Head of Business Development & Sales bei Recordbay   sieht Maßnahmen zur Kundenbindung im Fokus: "Aktuell ist das Interesse der Unternehmen größer denn je, ihre Kunden kennenzulernen und Informationen zu ihnen zu sammeln, um sie zielgerichteter ansprechen zu können."

David Laux, Group CEO von Digitall   , stellt in seinen Projekten fest, "dass viele Unternehmen kohärente Systeme zur Zentralisierung ihrer Daten einrichten, um sich auf künftige KI-Strategien für personalisiertes Marketing und entsprechende Prozesse vorzubereiten - vor allem da, wo der ECommerce bereits einen großen Teil des Geschäfts ausmacht, aber noch mehr mit den Erfahrungen aus den lokalen Geschäften verbunden werden muss, um ein nahtloses Erlebnis zu schaffen." Das bedeute, dass Unternehmen Multi-Cloud-Systeme einrichten müssen, um Instore-Daten mit den Daten des Online-Shops und der gesamten Kundenhistorie zu verbinden.

"Retail Media wird vom Trend zum Must-Have." (Corinna Hohenleitner, Managing Director DACH, Criteo)

Mit dem Wegfall von Cookies erlebe Retail Media eine Renaissance, sagt Paco Panconcelli, Geschäftsführer DACH bei Channel Factory   , und Corinna Hohenleitner, Director Activation Central Europe, Criteo   , ist sich sicher: "Retail Media wird vom Trend zum Must-Have". Immer mehr Shops setzten auf Onsite-Monetarisierung, Retail Media Offsite erfreute sich ebenfalls immer größerer Beliebtheit. Doch so einfach geht es wohl nicht: Das von Google angekündigte Cookie-Ende Mitte 2024 betrifft auch den Dmexco-Megatrend Retail Media. Wie sich hier das Tracking entlang der gesamten Customer Journey und die Attribution bis zum Kaufabschluss am besten lösen lässt und wie bereits implementierte Technologien angepasst werden müssen, "sind wohl die häufigsten Fragen, die Unternehmen derzeit und auch in den nächsten sechs Monaten umtreiben", argumentiert Armin Nusser, Director Sales & Partner Management von Laya Media   .

"In den kommenden Monaten steht die Modernisierung von MarTech-Stacks im Fokus", sagt David Berger, Senior Managing Consultant bei Elaboratum   . Hierzu gehört seiner Überzeugung nach, "dass sich Unternehmen hinsichtlich der Integration von Customer Data Platforms (CDPs) entscheiden müssen. Zudem sollten Shop-System, PIM, CRM usw. künftig besser und automatisiert integriert werden."

Dass Unternehmen aktuell "alles daran setzen, die zur Verfügung stehende technologische Power in ihre Geschäftsabläufe zu implementieren", sagt auch Asbjörn Rosenberg, Consulting- und Strategiechef bei Smarketer   : "PIM-Systeme verknüpfen sich mit Marketingautomation-Tools, um eine aufschluss- sowie erfolgreiche Verbindung zwischen Produktinfos und Marketingaktionen zu erzeugen." 'Automated CRM' wiederum ist für Christof Braun, Geschäftsführer House of Commerce   , der Trend, "inmitten sich verschärfender Herausforderungen im E-Commerce", um in einer nahtlosen Omnichannel-Umgebung ein durchgängiges Einkaufserlebnis zu bieten.

Hier sieht Markus Rohmeyer, CPO von Novomind   , viele Chancen mit Composable Commerce. Es sei "ein viel diskutiertes Buzzword, zu dem uns Anfragen erreichen: Bei jedem Unternehmen gilt es, individuell die Kosten, den Nutzen und die Risiken im Vergleich zum Bestof-Breed-Ansatz abzuwägen."

Künstliche Intelligenz wird nach der Meinung der Mehrheit auch im Onlinehandel eine wichtige Rolle spielen. Das sagte so gut wie jeder, den wir befragt haben. Die Einführung von personalisierten KI-Systemen in E-Commerce-Plattformen zur Verbesserung der Kundenerfahrung sowie die Integration von PIM-Systemen in Marketingautomatisierungslösungen für konsistente Produktinformationen sind hier zwei wesentliche Aspekte. Dem pflichtet Michael Märtin (Geschäftsführer bei Atantis DX   ) zu. Beim Digitalisierungsdienstleister erwarten sie im nächsten halben Jahr vor allem die verstärkte Integration abgegrenzter generativer KI-Lösungen in bestehende Systeme und Workflows, so beispielsweise die Einbindung von KI-Chatbots im Online-Shop:
"Darüber hinaus wird eine vielfältigere Personalisierung von Inhalten und Produktpräsentationen immer wichtiger. Basierend auf gesammelten Daten und KIModellen können diese zielgerichtet und verhaltenserratend eingesetzt werden." Mona Philippi, Head of Marketing von Trbo   , warnt allerdings: "Auch wenn der Hype um künstliche Intelligenz anhält, sollten KI-Systeme mit Bedacht ausgewählt werden."

Für Dr. Beatrice Eiring, Head of Content Creation bei Eology   , seien "die Möglichkeiten von Chatbots wie ChatGPT, Google Bard oder Bing Chat" ein wichtiges, aber zu diskutierendes Thema. Über alle Branchen hinweg würden die Einsatzmöglichkeiten von KI diskutiert - sei es im Produktdatenmanagement, in der Content-Erstellung, im Vertrieb oder auch in der Kundenkommunikation. Sie ist sich sicher: "Die nächsten 6 Monate werden daher davon geprägt sein, dass Unternehmen die Einsatzmöglichkeiten ausloten. Denn KI bietet nicht nur Vorteile, sondern ebenso Risiken." Sie nennt dabei Daten- und Urheberschutz sowie Verlässlichkeit und Abhängigkeit von Technologie.

Maximilian Balbach, Co-CEO der Crossvertise GmbH   , erwartet einen Chatbot-Boom: "In den kommenden sechs Monaten werden immer mehr Unternehmen Chatbots und KI-getriebene Assistenten für Kundensupport, Sales und Marketing einsetzen, um Nutzenden eine unmittelbare, personalisierte Interaktion zu bieten."

Die Herausforderung liegt seiner Meinung vor allem darin, die Chatbots mit den bestehenden Support- und Shopsystemen so zu verknüpfen, dass sie auf APIs zugreifen und ihre Aufgaben vollständig erledigen können. Integrationsthemen, so scheint es, sind die Themen, die Unternehmen aktuell am meisten umtreiben.

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 (Bild: Vasin Le, shutterstock)
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1. Teil: Prognose Onlinehandel 2030: Wie sich die E-Commerce-Segmente entwickeln 2. Teil: Was deutsche Unternehmen aktuell im E-Commerce planen 3. Teil: Nur 20 Prozent der B2B-Händler nutzen CRM-Systeme - und KI kaum eines wirklich 4. Teil: Mit einem modernen ERP-System in eine fortschrittliche Zukunft 5. Teil: Effizienter Einkauf von Verpackungen: E-Procurement bei RAJA 6. Teil: Vier Optimierungsmaßnahmen für ein erfolgreiches E-Commerce-Jahr 2024
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