Die Weltbild-Strategie: Neue Stiftung, alte Probleme

von Redaktion Versandhausberater

06.07.2012 Auch beim zweiten Anlauf hat es nicht mit einem Verkauf von Weltbild geklappt. Statt dessen soll eine Stiftung die Probleme lösen, die den Medien-Versender seit Jahren im Tagesgeschäft belasten. Doch ein Befreiungsschlag kann mit einer Stiftung nicht gelingen, die Probleme dürften sich vielmehr verschärfen.

Auch beim zweiten Anlauf hat es nicht mit einem Verkauf von Weltbild geklappt. Statt dessen soll eine Stiftung die Probleme lösen, die den Medien-Versender seit Jahren im Tagesgeschäft belasten. Doch ein Befreiungsschlag kann mit einer Stiftung nicht gelingen, die Probleme dürften sich vielmehr verschärfen.
Vor einem halben Jahr sollte es noch richtig schnell gehen. Damals hatten die 14 katholischen Gesellschafter der Verlagsgruppe Weltbild beschlossen, dass ein Verkauf des Unternehmen "ohne jeden Verzug" und "entschlossen" aufgenommen werden müsse. Schließlich war der Medienversender bei Gesellschaftern und der katholischen Kirche stark in die Kritik geraten, als zunehmend publik wurde, dass Weltbild auch Erotik-Literatur im Online-Shop verkauft (siehe Kasten auf Seite 2).
Heute dagegen ist ein Verkauf von Weltbild wieder vom Tisch - wie vor drei Jahren, als sich während der Finanzkrise kein gutes Angebot für Weltbild erzielen ließ - so lautet die offizielle Version. Denn damals wie heute soll es schlichtweg keine Interessenten gegeben haben. "Es wurden nie Verkaufsgespräche geführt", bestätigt uns gegenüber indirekt Carel Halff, Vorsitzender der Geschäftsführung von Weltbild.
Weltbild-Zukunft: Buchhandel "unter Argusaugen" droht
Dass es nicht zum Verkauf gekommen ist, dürfte aber noch andere Gründe haben. Bei einem Verkauf an einen Finanzinvestor beispielsweise hätten die Gesellschafter nicht garantieren können, dass auch alle Mitarbeiter ihren Job behalten. Dieser sozialen Verantwortung wollte man sich wahrscheinlich nicht entziehen. Für die Mitarbeiter stellt die neue Stiftung daher zunächst einmal eine gute Lösung dar, da sich am Geschäftsmodell und der Strategie von Weltbild vorerst nichts ändert. Genau hier lauern aber die tatsächlichen Probleme von Weltbild.
Mit der neuen Stiftung im Rücken (siehe Details auf Seite 2) kann Weltbild zwar auf dem Papier unabhängiger als bislang von Kirche und Religion am Markt agieren. Die Gesellschafter lauern aber nach wie vor im Hintergrund und sind eng mit der Verlagsgruppe verbunden. Dabei war ja das eigentliche Ziel eines Verkaufs, das Versandgeschäft komplett von Kirche und Religion zu entkoppeln. Das ist aber nicht gelungen. "Unter kirchlichen Argusaugen kann Weltbild nicht betriebswirtschaftlich und marktgerecht auf dem heiß umkämpften Buchmarkt bestehen", warnt Handelsberater Patrick Palombo. Und das zu Recht.
Erstes Beispiel: Im November hatte Weltbild argumentiert, dass man Erotik-Literatur deswegen Online-Shop finden könne, da ja keine Zensur stattfinde. Heut wird anscheinend doch zensiert. Denn eine Suche nach ‘Erotik' führt im Shop nun ins Leere. Verteidigen kann man diesen Schritt noch damit, dass Weltbild ein familiengerechtes Sortiment anbieten will. Unseren Informationen zufolge wird intern aber auch darüber diskutiert, Yoga- und Esoterik-Bücher aus dem Sortiment zu streichen. "Diskussionen über Titel im Programm gibt es seit der Gründung", relativiert Halff. "Das wird und soll auch künftig weiter so bleiben." Was letztlich bedeutet: Frei entscheiden kann die Verlagsgruppe wohl auch in Zukunft nicht, welche Titel nun wie ins Sortiment kommen.
Die Eckdaten der Stiftung:
Die Gesellschafter bringen alle Anteile in eine Stiftung ein.
Auf Verkaufserlöse und Gewinn- ausschüttungen wird verzichtet.
Die Stiftung wird der alleinige Gesellschafter der Verlagsgruppe.
Die Verlagsgruppe Weltbild bleibt in der Rechtsform eine GmbH.
Überschüsse gehen "zum Teil" an die Stiftung, die gegründet wird.
Die Stiftung verfolgt gemeinnützige und kirchliche Aktivitäten.
Sortimentspolitik: Erotik verschwindet, Bestseller fehlen Wirtschaftlich führen lässt sich so ein als Generalist positioniertes Medienunternehmen aber nicht. Zweites Beispiel: Wer heute im Shop nach dem Dan-Brown-Roman "Sakrileg" sucht, bekommt statt dem Bestseller eine "kritische Auseinandersetzung" mit dem Werk zu sehen ("Sakrileg - eine Blasphemie?"). Denn schon vor vier Jahren gab es intern Ärger wegen diesem Buch, laut dem Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war. Die Folge: Das Buch durfte nicht beworben werden. Wenn Kunden solche Sortimentsbeschneidungen bemerken, wird es für Weltbild schwer.
Denn im selben Markt ist mit Amazon ein Wettbewerber aktiv, der nicht nur den gesamten Long Tail abdecken will - sondern Bücher auch noch prinzipiell versandkostenfrei ausliefert. Vor diesem Hintergrund erklärt sich vielleicht auch, warum der Verkaufsprozess tatsächlich abgeblasen wurde. Denn soziale Verantwortung für rund 6.400 Mitarbeiter ist die eine Sache. Denn Weg hin zu einer Stiftung geebnet haben dürfte aber auch, dass die Verlagsgruppe nur mäßig attraktiv ist. Im vergangenen Jahr sank der Gewinn von 39 Mio. auf 11 Mio. Euro. Die Umsatzrendite lag bei 1,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei vielen Versender liegt diese zwischen 3 und 5 Prozent.
Rückblick: Warum Weltbild eigentlich verkauft werden sollte
Hinter der Verlagsgruppe Weltbild stehen christliche Gesellschafter - zwölf Diözesen, der Verband der Diözesen Deutschlands und die Soldatenseelsorge Berlin. Weltbild sieht seine Aufgabe daher darin, christliche Weltanschauung mit den Erfordernissen des Marktes "überzeugend in Einklang" zu bringen. Eine Programmredaktion wählt somit aus, welche Bücher in Katalogen, Filialen und dem Online-Shop von Weltbild beworben werden. Parallel können Internetnutzer im Online-Shop aber auch auf das gesamte lieferbare Sortiment der Buch-Großhändler KNV und LIBRI zurück greifen.
Aus diesem Grund konnten Internetnutzer bis zum vergangenen Herbst auch Erotik-Literatur bei Weltbild ordern, die zwar im Online-Shop nicht beworben wurde, über einschlägige Suchanfragen dennoch zu finden war. Diese Schlupfloch hatte bei den Gesellschaftern zu hitzigen Diskussionen geführt. Dem Selbstverständnis der Gesellschafter widerspricht es schließlich, Geld mit Erotik-Artikeln zu verdienen.
Durch einen Verkauf wollten die Gesellschafter das Versandgeschäft von der Religion entkoppeln, statt dessen übt man sich nun in Zensur. Suchanfragen mit Begriffen wie ‘Erotik' führen im Online-Shop nun ins Leere bzw. auf die Sortimentseinstiegsseiten.
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