Werner Otto zum 100. Geburtstag
18.08.2009 Über den "Jahrhundert-Mann", den "Handelskönig", den "Versandpionier" Werner Otto konnte man in dieser Woche viel lesen. Ausgerechnet an seinem 100. Geburtstag beschert ihm der bislang größte Versender Deutschlands die Marktführerschaft auf dem silbernen Tablett.
Werner Otto dürfte es nicht freuen. Der Unternehmer sieht den Niedergang des Konkurrenten nicht als Zeichen der eigenen Stärke, wenn dort gegen die eigenen Maximen verstoßen wird.
Werner Otto dürfte es nicht freuen. Der Unternehmer sieht den Niedergang des Konkurrenten nicht als Zeichen der eigenen Stärke, wenn dort gegen die eigenen Maximen verstoßen wird.
"Wenn ich nachts durch den Betrieb gehen und entdecken würde, dass der Geldschrank offen steht und in ihm eine Million DM liegen, werde ich am nächsten Tag monieren, dass so etwas nicht wieder vorkommen sollte. Das gäbe einen kleinen Ärger, bedeutet aber keine Katastrophe. Aber wenn ich erleben sollte, dass man unsere Kundschaft schlecht behandelt, in der ein Wert von 50 oder 100 Millionen steckt, könnte man bei mir kein Verständnis finden."
Werner Otto hatte wie Gustav Schickedanz zunächst ein kleines Einzelhandelsgeschäft geführt. Sein Weg in den Versandhandel begann viel später und ist Legende. Er war eben nicht der "Pionier" des Versandhandels, sondern zu seiner Zeit ein Innovator. Als erster bot er Kauf auf Rechnung an, als erster setzte er auf zielgruppenspezifische Spezialkataloge. Obwohl im Sortiment so universell wie Schickedanz‘ Quelle, positionierte Werner Otto seinen Versand höher, modischer. Wennschon Pionier, dann Pionier des modernen Versandhandels: "Opas Versandhaus ist tot!" - Diese Maxime wurde im Hamburger Versandhaus in der an der Unternehmensgeschichte gemessen kurzen Ägide Werner Ottos geprägt. Und bis heute immer wieder zur Adaption und Revision von Strategien herangezogen.
Werner Otto, der Versandhändler - dieses Etikett legte der Brandenburger schon Mitte der sechziger Jahre ab, als er den Vorstandsvorsitz an Günther Nawrath abgab und sich an die Spitze des Aufsichtsrates zurückzog. Spätestens 1981 mit der Übergabe an seinen Sohn Dr. Michael Otto zog er einen Strich. Der Unternehmer Werner Otto gründete neu: Ende der sechziger Jahre die ECE, die viele Jahre später zur führenden deutschen Shoppingcenter-Gesellschaft aufstieg. Ausgerechnet in Nürnberg-Langwasser, quasi im Vorgarten der Quelle, eröffnete die ECE 1969 mit dem "Franken-Zentrum" das erste geschlossene Shopping-Center Deutschlands.
Nur vier Jahre später stoppte Otto die Expansion und entwickelte auf Basis der Erfahrungen so etwas wie die DNS der Gruppe: Regeln für die Verteilung von Geschäften, Regeln für die dort anzusiedelnden Marken und regionalen Anbietern, Regeln für die Architektur... Während in diesen Jahren Günther Nawrath Ottos berühmtes Controlling einführte, entstand allmählich ein vergleichbares Kennzahlen-System für Shopping-Center. Für beide Einzelhandels-Typen ist die messerscharfe Zahlensteuerung Grundlage des Erfolges.
Und doch ist Werner Otto kein Zahlen-getriebener Mensch im Sinne des "Shareholder-Value". Die betrachtete er als eine "Pervertierung der sozialen Marktwirtschaft", als Rückfall in den Frühkapitalismus. "Menschen sind mir wichtiger als Bilanzen" - ein denkwürdiger Satz am 13. August 2009.
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