Marketing und Recht

UPDATE: Was das BGH-Urteil zu Cookies für einzelne Geschäftsmodelle bedeutet

von Sebastian Halm

28.05.2020 Die Tage der Cookies sind nun auch offiziell in Deutschland gezählt: Der BGH hat sein Urteil zum Setzen von Cookies gesprochen. Nun ist die Frage, wie hart konkret die Regelungen gegen die Cookies ausfallen wird. Inzwischen zeichnet sich noch konkreter ab, was das genau bedeutet und was die Marketing-Branche nun tun muss.

iBusiness-Analyst Sebastian Halm (Bild: Timo Bierbaum)
Bild: Timo Bierbaum
iBusiness-Analyst Sebastian Halm
Was ist passiert? Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil   im Fall gegen das Unternehmen Planet 49 entschieden: "Nunmehr hat der Bundesgerichtshof die Revision der Beklagten zurückgewiesen und auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil hinsichtlich der Cookie-Einwilligung aufgehoben und die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten wiederhergestellt." Damit fiel das Urteil - absolut unüberraschend und erwartbar pro Verbraucher und tendenziell gegen das grenzenlose Setzen von Cookies aus.

Und es habe weitere Klarheit auf einem äußerst unklaren Gebiet gebracht, betont der auf Datenschutz und IT-Sicherheit spezialisierte Rechtsanwalt Carsten Kociok von der internationalen Kanzlei Greenberg Traurig Germany   : "Was aufgrund der Sonderregelungen im deutschen Telemediengesetz (TMG) lange Zeit umstritten war, hat der BGH nun durch Übernahme der EuGH Rechtsprechung geklärt. Entsprechend müssen Nutzer auch in Deutschland bei zahlreichen Cookies ausdrücklich ihre Zustimmung erklären."

UPDATE: Inzwischen geht aus der nun vorliegenden Presseerklärung des Gerichtshofes hervor, dass der BGH keine Aussage zu einem 'generelllen' Cookie-Verbot trifft. Bedeutet: Cookies und die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten, jenseits der Profilbildung, wie Tracking oder Retargeting sind weiterhin Gegenstand der DSGVO. Und das wiederum bedeutet: "Juristisch gesehen darf man das Urteil als 'Gar nicht mal so interessant für die Branche' bezeichnen", sagt der auf neue Medien spezialisierte Anwalt Dr. Martin Bahr von der Kanzlei Dr. Bahr   : "Es ist alter Wein in neuen Schläuchen."

Was passiert nun als nächstes? Es gilt nun abzuwarten, bis der konkrete Wortlaut des BGH-Urteils vorliegt - das Urteil wird unterschiedliche Geschäftsmodelle von Retargeting bis Affiliate unterschiedlich betreffen, im Tracking und bei der Attributon wird es andere Folgen haben als bei der Webanalyse. Sicher ist nur: Es wird das gesamte Marketing angehen, darauf zu reagieren. Es bleibt nur offen, wie tief im Einzelnen die Veränderungen ausfallen. Das große Chaos und Cookie-Blutvergießen wird aber - wie gesagt - NICHT ausbrechen. Denn im Grunde regelt bereits die DSGVO sehr viele Aspekte der Cookie-Verwendung, obwohl es dafür ja eigentlich eine Cookoe-Richtlinie/EPrivacy-Verordnung geben sollte, doch die lässt auf sich warten.

Und was müssen verschiedene Marketing-Geschäftsmodelle nun erwarten? Die cookiebasiert werbende Branche ist nun angehalten, sich Lösungen zu überlegen und ihr Marketing basierend auf der technischen Lösung des IAB TCF 2.0 - dem Transparency and Consent Framework   - abzuwickeln. Das wird schönerweise von einem mächtigen Player wie Google   unterstützt, hat aber unschönerweise noch Lücken bei einzelnen Geschäftsmodellen.

Damit hat das BGH-Urteil und der vorhergegangene Umweg über das EuGH also nichts geändert? Doch. Es gibt einen spannenden Aspekt und der betrifft vor allem das Retargeting, das gesamte Display-Marketing und vor allem die Affiliate-Branche. Denn der BGH hat sich praktisch nicht zum Punkt des 'berechtigten Interesses' geäußert. Diese Formulierung geht auf Art. 6 Abs. 1 der DSGVO zurück und wird von allen hier gerade genannten Geschäftsmodellen wie ein Schutzschild vor sich gehalten. Damit befindet sich nun jedes Geschäftsmodell, das sich auf das berechtigte Interesse beruft nun in einem Schwebezustand. Einerseits steht damit nur eine erfolgreiche, höchstrichterlich entschiedene Klage zwischen der Existenz von Affiliate-Marketing und dessen Aus. Andrerseits wird auch kaum eine Fanpage in Deutschland juristisch haltbar betrieben und es passiert praktisch nichts.

Welche Konsequenzen hat das? Manche Geschäftsmodelle verlieren vielleicht etwas Reichweite, andere müssen tief in Prozesse und Lösungen hineingehen, weil Vieles davon vor dem Consent Layer angesiedelt ist. Extrem wichtig ist: Man muss handeln, sobald das Urteil vorliegt, denn anders als ein Gesetz, das ab einem bestimmten Datum in der Zukunft greift, bezieht sich der BGH auf Vergangenes - und damit wird sofort Recht, was er spricht.

Die iBusiness-Risiko-Analyse verschiedener Geschäftsmodelle
E-Commerce: Alles was man an Cookies für einen Kaufvertrag in einem Shop braucht (Warenkorb, Checkout) ist juristisch sicher - was darüber hinausgeht aber nicht. Was sich der/die Kunde/In angesehen hat, woher er kam und wie lange er wo in meinem Shop war, bedarf der ausführlichen und dokumentierten aktiven Einwilligung.
Display-Advertising: Hat sich bisher auf berechtigtes Interesse gestützt, befindet sich aber nun im expliziten Schwebezustand. Entscheiden sich Verbraucher zu einer Klage, die sie durch alle Instanzen führen, kann sich die Branche warm anziehen. Den laut Martin Bahr "kann ein Netzwerk kaum nachweisen und mit berechtigtem Interesse verargumentieren, wer da alles Nutzerdaten weitergeleitet bekommt."
Affiliate: Der angeführte Status des berechtigten Interesses bleibt juristisch wackelig - aber lässt sich aufgrund des BGH-Urteils nicht klären.
Retargeting: Argumentiert ebenfalls mit berechtigtem Interesse - finaler Status aufgrund BGH-Urteil ebenfalls ungeklärt
Tracking: Wackeliger Statuts, BGH-Urteil ohne Beitrag zur Klärung
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