Gesetze: Das ändert sich 2022 für den Onlinehandel

von Susan Rönisch

18.01.2022 Selten zuvor standen so viele Gesetzesinitiativen zur Digital- und Nachhaltigkeitspolitik auf der Agenda von EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten. Auf diese Gesetzesvorhaben schaut der Onlinehandel 2022:

 (Bild:  Preis_King auf Pixabay)
Bild: Preis_King auf Pixabay
  • Data Act: Der Vorstoß soll zur Schaffung einer gerechten Datenwirtschaft beitragen, indem er den rechtmäßigen Zugang zu und die Nutzung von Daten sicherstellt.
  • EU-weit einheitliches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Die Anforderungen an die Kontrolle der Lieferketten in allen EU-Mitgliedsstaaten soll vereinheitlicht werden. Ziel ist ein reibungsfreier, grenzüberschreitender Handel, während Wettbewerbsnachteile innerhalb der EU vermieden werden.
  • Green Claims: Verbraucher sollen u.a. mit mehr Transparenz bei grünen Werbeversprechen gestärkt werden.
  • Sustainable Product Initiative: U.a. sollen Waren von Herstellern und Händlern in Zukunft so lange wie möglich im Warenkreislauf gehalten werden.
  • Umsetzung der globalen OECD-Steuerreform: Digitale Leistungen großer Konzerne werden in Zukunft dort besteuert, wo sich ihre Nutzer befinden. Die EU muss 2022 einen Vorschlag unterbreiten, wie sie diese erste Säule der OECD Reform umsetzen will. Nationale Alleingänge in diesem Bereich müssen dann wieder zurückgenommen werden.
  • Recht auf Reparatur: Produkte sollen dank besserer Reparaturfähigkeit länger im Produktkreislauf bleiben.
  • Neuauflage der Verpackungsrichtlinie: Ziel ist die Abfallvermeidung und mehr Recycling. Hier ist darauf zu achten, dass die Maßnahmen nicht an der Realität im Onlinehandel vorbeigehen. Außerdem wäre eine EU-weite Vereinheitlichung der erweiterten Herstellerverantwortung wünschenswert, um den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt zu stärken.
  • Digital Services Act: Das Vorhaben reformiert einen Teil der E-Commerce-Richtlinie, die seit mehr als 20 Jahren die Grundprinzipien des E-Commerce bestimmt. Gleichzeitig soll der Digital Market Act für ein besseres wettbewerbliches Gleichgewicht in der digitalen Welt sorgen. Die Verhandlungen über beide Gesetzestexte sollen bis Sommer 2022 abgeschlossen sein.
  • Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO): Die Verordnung regelt u.a. das Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern. Der derzeitige Entwurf für ein Update der Vertikal-GVO würde den Onlinevertriebskanal schlechter stellen, da er Herstellern u.a. ermöglicht, teurere Preise für Produkte zu verlangen, die für den Onlinevertrieb bestimmt sind. Die aktuell geltenden Regeln laufen Ende Mai 2022 aus.
  • Single-VAT-ID: Eine einheitliche Mehrwertsteueridentifikationsnummer in der EU soll die Nutzung des 2021 eingeführten One Stop Shops erleichtern. Bisher müssen sich Händler in allen EU-Ländern umsatzsteuerlich registrieren, in denen sie Lagerbestände haben. Eine einheitliche VAT-ID würde es vereinfachen, die Ware näher am Kunden zu lagern und somit schneller zu liefern. Damit würde der grenzüberschreitende Handel innerhalb der EU gestärkt werden.

Die Erwartungen an die Gesetzesvorhaben der EU sind entsprechend hoch. Der bevh weist jedoch darauf hin, dass echte Nachhaltigkeit und digitaler Wandel nur mit einem dreifachen Level-Playing-Field erreichbar sind, wie Alien Mulykv , Referentin für Public Affairs Europa & Internationales beim bevh   erklärt:

1. Harmonisierung auf EU-Ebene

Nationale Alleingänge bei grenzüberschreitenden Themen wie Nachhaltigkeit und Digitales wären absolut fehl am Platz, um die Integrität des Binnenmarkts zu erhalten und Forum-Shopping zu vermeiden. Nur mit gemeinschaftlichen Vorgaben können Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstandards erreicht werden, die die Bezeichnung verdient haben. Damit werden die Weichenstellungen auf EU-Ebene auch immer wichtiger für die nationalen Märkte.

2. Fairness im globalen Wettbewerb

Für Akteure aus Drittstaaten sollten die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für europäische Unternehmen, wenn sie auf dem EU-Markt aktiv sind. Bis heute fehlen hierfür aber in vielen Bereichen effektive Durchsetzungsmechanismen, die aber nötig wären, um für Fairness zu sorgen. Das betrifft etwas eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Marktüberwachungsbehörden und dem Zoll.

3. Gleichwertigkeit der Vertriebskanäle

Die Realität des Handels 2021 ist längst der Omnichannel. Für Kunden macht es keinen Unterschied mehr, ob sie sich online über Produkte informieren und sie dann in einem stationären Geschäft kaufen oder andersherum. Fairness muss daher auch auf der Ebene der Vertriebskanäle gewahrt sein. Andernfalls läuft der Handel Gefahr, insgesamt Schaden zu nehmen. Viele Händler mit stationärer DNA haben sich mittlerweile online ein zweites Standbein aufgebaut - auch wegen pandemischer Einschränkungen, und sichern so ihr Fortbestehen. Das ist insbesondere im Hinblick auf das Update der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung relevant, die das Geschäft für Omnichannel-Händler deutlich erschwert, verkompliziert und den Onlinevertrieb unattraktiver macht.

Die EU-Kommission versucht den stationären Handel zu retten, indem sie den Onlineverkauf unattraktiver macht. Diese Strategie kann nicht aufgehen. Sie bewirkt das genaue Gegenteil, schadet all denen, die bereits in diesen Kanal investiert haben und nimmt stationären Händlern Digitalisierungsanreize. Auch beim Digital Services Act und Digital Markets Act, die beide im ersten Halbjahr 2022 ausgehandelt sein sollen, muss die Maxime gelten: Was offline erlaubt ist, muss auch online erlaubt bleiben.
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