eBay-Pilotprojekt zeigt: Local Commerce wird überschätzt

05.02.2016

 (Bild: NH-Pressebild)
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Bild: NH-Pressebild unter Creative Commons Lizenz
Hundert Tage nach dem Start des Pilotprojekts "Mönchengladbach bei eBay   " ziehen die Macher eine erste Bilanz. Demnach wurden bei dem Multichannel-Projekt    bislang knapp 32.000 Artikel von Einzelhändlern über eBay verkauft, die aus der Stadt Mönchengladbach stammen, dort bereits ein lokales Ladengeschäft betreiben und nun zusätzlich online bei eBay   zu finden sind.

Mönchengladbach bei eBayHändler aus Gladbach präsentieren sich online auf eBay.de (Bild: Screenshot)

In Summe nehmen nun rund 70 Händler aus Mönchengladbach am Pilotprojekt teil, die nicht nur ihre Artikel bei eBay einstellen, sondern sich auch zusätzlich noch auf der Einstiegsseite "Mönchengladbach bei eBay   " präsentieren (siehe Screenshot). Alle 70 Einzelhändler hätten zusammen einen Umsatz von einer Mio. Euro in den ersten drei Monaten über eBay erzielt. Diese Zahlen muss man aber relativieren. So handelt es sich bei den Umsätzen zum Beispiel um Bruttowerte, die noch nicht um Retouren bereinigt wurden und die Mehrwertsteuer enthalten. Der Netto-Umsatz nach Mehrwertsteuer und Retouren dürfte also spürbarer geringer ausfallen - auch wenn eBay gegenüber neuhandeln.de betont, dass man als Portalbetreiber nur bedingt die Transaktionen nach dem Kauf einsehen könne und das Thema Retouren bei den Händlern aus Mönchengladbach im Pilotprojekt bisher "nicht vermehrt zur Sprache gekommen" sei.

Online einkaufen in der Innenstadt: "Eine Handvoll Idealisten"

Sicher ist aber: Gut die Hälfte der 70 Einzelhändler war bereits im Online-Handel auf eBay.de aktiv, bevor das Projekt im Oktober 2015 startete. Beim Start waren zudem bereits 50 Händler am Projekt beteiligt, so dass seitdem nur 20 weitere Einzelhändler dazu gekommen sind. Aufhorchen lässt aber vor allem: Nach eigenen Angaben verkaufen nun die Einzelhändler aus Mönchengladbach auf eBay.de am erfolgreichsten, die neben einer Abholung von Artikeln in ihrem Ladengeschäft auch einen Versand anbieten. Und in diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob das Projekt nicht sein ursprüngliches Ziel verfehlt. Denn gestartet war man im vergangenen Herbst unter dem Motto "Online in der Innenstadt einkaufen   ", damit Händler aus Mönchengladbach auch online ihre Kunden aus der Region erreichen und im Internet nicht Umsatz an überregionale Online-Pureplayer verlieren. Die Startseite des Projekts zeigt deshalb auch lokale Geschäfte, bei denen man "online shoppen" und Ware "vor Ort abholen" kann. Doch wieviele Kunden nun tatsächlich auf eBay bei ihrem Händler um die Ecke bestellen, verrät man nicht. Stattdessen heißt es vielsagend, dass die am Pilotprojekt beteiligten Partner ihre Ware in über 53 unterschiedliche Länder geliefert und damit neue Kunden gewonnen hätten. Gerrit Heinemann Diese Entwicklung überrascht Professor Gerrit Heinemann nicht, der über das eWeb Research Center   der Hochschule Niederrhein    am Pilotprojekt beteiligt ist. Ihm zufolge zeige das Pilotprojekt, dass Kunden im Internet nicht lokalbezogen suchen und das Trendthema Local Commerce zur Rettung von Innenstädten sicher überschätzt wird. "Wenn stationäre Einzelhändler über das Internet an Kunden aus ihrer Region verkaufen möchten, dann appellieren sie an eine Handvoll Idealisten", verdeutlicht er im Gespräch mit neuhandeln.de. Als Misserfolg bewertet er das Pilotprojekt dennoch nicht. Ganz im Gegenteil. "Wir wollen dem stationären Einzelhandel aufzeigen, wie er vom boomenden E-Commerce-Markt profitieren und die bröckelnden Umsätze in den Ladengeschäften wieder auffangen kann", erklärt er. Es gehe also darum, die lokalen Händler überhaupt zu retten - und das gehe nur mit Umsatz. Ob dieser im Internet über Kunden aus der Region oder anderen Gebieten generiert werde, sei zweitrangig. Profitieren werde von einem zusätzlichen Online-Vertrieb aber längst nicht jeder. "Gut die Hälfte der stationären Einzelhändler hat eine digitale Allergie und scheut zum Beispiel den Aufwand, um Produkte bei einem Online-Marktplatz einzustellen", schildert Heinemann seine Erfahrungen. Kein Wunder: Denn lokale Einzelhändler müssen den Online-Vertrieb immer zusätzlich zu ihrem stationären Tagesgeschäft stemmen. Viele Marktplatz-Modelle wie die Online City Wuppertal   haben dazu den Ansatz, dass dort nur regionale Einzelhändler ihre Produkte präsentieren. Hier droht dann schnell ein Teufelskreis   : Wenn nämlich nur wenige Händler aus einer Region auf einem Portal verkaufen, fehlt für Kunden ein großes Sortiment. Ohne diesen Anreiz bleiben schnell die Kunden fern, ohne Reichweite scheuen Händler wiederum den Mehraufwand für einen zusätzlich Online-Vertrieb - wodurch das Angebot für Kunden weiter unattraktiv bleibt. Wer als Einzelhändler daher ernsthaft in den Online-Vertrieb einsteigen will, dürfte mit eBay zwar besser fahren als mit dem Vertrieb über spezialisierte Regionalportale. Schließlich hat der Online-Marktplatz rund 17 Mio. aktive Käufer, so dass Händler mit ihrem Angebot gleich eine kritische Masse erreichen und sich der Mehraufwand schnell lohnen kann. Verabschieden muss sich der Einzelhandel aber wohl vom Gedanken, online Kunden aus der Region zu erreichen. Denn das eBay-Pilotprojekt zeigt laut Heinemann auch, dass die Verkäufe der teilnehmenden Händler in erster Linie über die allgemeine Suche angestoßen werden - und kaum über die separate Einstiegsseite "Mönchengladbach bei eBay", wo sich lokale Händler präsentieren. Was wiederum die Frage aufwirft, warum man überhaupt diese Einstiegsseite konzipieren ließ. Denn gut die Hälfte der am Pilotprojekt beteiligten Einzelhändler war ja bereits vor dem Start des Projekts auf eBay aktiv - mit Ladengeschäft, aber ohne Lokalkolorit beim E-Commerce.