"Vorgehen kontraproduktiv"?: Das sagt die Branche zu "Amazon Flex"

10.11.2017

 (Bild: NH-Pressebild)
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Bild: NH-Pressebild unter Creative Commons Lizenz
Demnächst will Amazon auch in Deutschland seinen Zustell-Service "Amazon Flex   " anbieten, den der US-Versandriese in den Staaten bereits seit zwei Jahren testet   . In einigen Wochen sollen daher in Deutschland erstmals einzelne Privatpersonen die Pakete von Amazon ausliefern, die sonst ein Logistik-Dienstleister bewegt. Mit dem neuen Flex-Service will Amazon seiner Kundschaft eine "noch schnellere Lieferung" bieten, wie Amazon im Gespräch mit neuhandeln.de argumentiert. Starten soll "Amazon Flex" dabei zunächst in Berlin, gesucht werden aktuell bereits die ersten selbständigen Lieferpartner.
Amazon Flex
Amazon buhlt um Zusteller (Grafik: Amazon)
Diese sollen künftig sowohl von "flexiblen Lieferzeiten" als auch einem "attraktiven Verdienst" profitieren. Dabei können die Boten "ihr eigener Chef" sein und als "unabhängige Auftragnehmer" tragen, was sie möchten - wie es dazu weiter auf der entsprechenden Website von "Amazon Flex" heißt. Vergütet wird die Zustellung mit bis zu 16 Euro pro Stunde, wobei die Boten immer einen Zustellblock zwischen zwei und vier Stunden buchen können. Über eine Amazon-App können Nutzer festlegen, wann sie zeitlich verfügbar sind. Danach erhalten Zusteller dann Zustellblöcke vorgeschlagen, die sie annehmen oder ablehnen. Voraussetzung ist lediglich, dass Personen mindestens 18 Jahre alt sind, ein eigenes Auto haben und über einen Führerschein verfügen. Wer die Pakete abholt, muss dann seinen Ausweis vorzeigen. Falls wider Erwarten der eigene Zeitplan durcheinander gerät, können Zusteller einen gebuchten Block wieder abgeben - allerdings muss das mindestens 45 Minuten vor dem Zustellblock passieren. Wer sich an die Spielregeln hält, könne sich in der Freizeit etwas dazu verdienen. Weil die verfügbaren Zustellblöcke schwanken können, sollte die Zustellung aber "nicht als Vollzeittätigkeit eingeplant werden". Amazon Flex richte sich daher an Menschen, die gelegentlich Pakete liefern möchten. Gerade deshalb sieht der Bundesverband für Paket und Express Logistik   (BIEK) das neue Konzept kritisch. "Für das Berufsbild des Zustellers ist das Vorgehen von Amazon kontraproduktiv", mahnt Marten Bosselmann, Geschäftsführer des BIEK. "Offensichtlich wird hier auch Amateuren zugetraut, Warensendungen kundenfreundlich, sachkundig und serviceorientiert zu transportieren." Dieser Trend sei auf dem Markt "definitiv nicht zu erkennen", wo man doch immer mehr Leistung und Services erwarte wie Lieferungen in Paketkästen, Zustellung in Zeitfenstern oder das Umrouten von Paketen.
Marten Bosselmann
Marten Bosselmann (Bild: BIEK)
Auch in ökologischer Hinsicht sei "Amazon Flex" zu kritisieren. So hätten die Kurier-, Express- und Paketdienste in den vergangenen Jahren bereits Millionen Euro ausgegeben, um ihre Flotten umweltfreundlich einzustellen, Mengen zu verdichten und Routen zu optimieren. Amazon konterkariere diese Entwicklung, wenn nun plötzlich jeder auf die Straße geht und mit jeglichem fahrbaren Untersatz aktiv werden dürfe. "Das hat mit einer zukunftsorientierten Distribution nichts zu tun", kritisiert Bosselmann. Laut BIEK besteht zudem Anlass zu hinterfragen, ob das Modell die geltenden post- und arbeitsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Entspannter gibt sich der Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel   (BEVH). Das dürfte aber auch daran liegen, dass hier die Händler organisiert sind - und nicht wie im BIEK die Zusteller, die Amazon nun angreift. Dazu zählt zu den BEVH-Mitgliedern auch die Amazon Deutschland Services GmbH. Deshalb will sich der Verband zwar nicht zu einem einzelnen Mitglied äußern. E-Commerce-Referent Christian Milster sieht aber einen interessanten Ansatz, der Händlern neue Möglichkeiten bei der Zustellung an die Hand gibt: "Mehr Angebot und mehr Flexibilität begrüßen wir ausdrücklich."
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