Insolvenz

Insolvenz: Klingel Gruppe startet Sanierung in Eigenverantwortung

11.05.2023 Im hundertsten Jahr seines Bestehens muss Multichannel-Händler Klingel ins Insolvenzverfahren. Inflation, Kaufzurückhaltung, Lieferkettenprobleme und eine teure IT-Umstellung haben die Rücklagen aufgefressen.

 (Bild: Klingel Group)
Bild: Klingel Group
Neben der K-Mail Order GmbH & Co. KG   befinden sich auch die Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand GmbH   und Einrichtungshändler Schneider GmbH   in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. In den drei Unternehmen arbeiten rund 1.800 Mitarbeitende. Die weiteren Gesellschaften der Firmengruppe sind von den Maßnahmen nicht betroffen.

Die Transformationsmaßnahmen zum Multichannel-Anbieter der vergangenen Jahre bei Klingel   sowie die erfolgte Digitalisierung von Vertriebs- und Marketingmaßnahmen allein hätten nicht ausgereicht, um dem sich in den vergangenen Monaten stark veränderten Marktumfeld weiterhin gerecht zu werden", schreibt das Unternehmen. Mit der Konzentration auf starke Produkt- sowie Vertriebsmarken, dem Fokus auf Online-Handel neben dem Print-Geschäft, und der Integration von Prozessen und Daten will die Gruppe zukünftig Bestands- und Neukunden ein verbessertes Einkauferlebnis über eine Vielzahl von Plattformen hinweg bieten. Damit soll auch die Resilienz der Gruppe gestärkt werden, um zukünftig noch schneller auf Markt- und Kundenanforderungen reagieren zu können.

Als Ursachen der aktuellen Lage nennt Klingel die schwierigen Marktbedingungen, unter anderem bedingt durch die deutliche Konsumzurückhaltung seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, signifikant gestiegene Kosten sowie die hohe Inflation. Hinzu gekommen sei eine hohe Liquiditätsbindung im Warenlager infolge von Verzögerungen in den Lieferketten während der Corona-Pandemie. Gleichzeitig müsse Klingel mit deutlichen Kostensteigerungen wirtschaften. Beispiele seien die signifikante Verteuerung von Katalogproduktion und -versand sowie gestiegene Kosten durch höhere Logistikpreise.

Allein im Jahr 2022 verdoppelte sich der Papierpreis; auch bei den Fracht- und Containerpreisen gab es erhebliche Steigerungen. Zudem beeinträchtigte eine notwendige Umstellung der IT-Systeme, die im zweiten Halbjahr 2022 umgesetzt wurde, den Geschäftsbetrieb erheblich. Die Gruppe hat dabei eine Mainframe Lösung durch eine moderne Systemlandschaft ersetzt. Die Umstellung, die ebenfalls hohe Kosten verursachte, ist die technische Grundlage für die Transformation der Gruppe. Mittelfristig sollen hohe Effizienz- und Synergieeffekte erzielt werden. Die Fortsetzung der Optimierung der IT-Prozesse sei deshalb ein wichtiger Faktor der Sanierung. Das Unternehmen habe sich entschieden, den Antrag auf Eigenverwaltung zu einem frühen Zeitpunkt zu stellen. Damit sollen die Sanierungschancen bestmöglich genutzt werden.

Der Geschäftsbetrieb der drei Gesellschaften läuft vollumfänglich weiter. Dr. Sven Axel Groos, Vorsitzender der Geschäftsführung: "Wir haben uns entschieden, die Klingel-Gruppe im Rahmen der Eigenverwaltung zu sanieren und den notwendigen Transformationsprozess zu beschleunigen."
Marcus Katholing von der Restrukturierungsgesellschaft Pluta   unterstützt Klingel seit März 2023 als Chief Restructuring Officer (CRO) und soll gemeinsam mit der bestehenden Geschäftsführung die geplanten Maßnahmen umsetzen. Zum vorläufigen Sachwalter bestellt ist Rechtsanwalt Martin Mucha von der überregional tätigen Kanzlei Grub Brugger   .

Klingel, 1923 gegründet, setzte im Jahr 2021 knapp 1 Milliarde Euro um. Die Mode ist das Kerngeschäft. Schmuck, Schuhe und Lifestyle-Artikel ergänzen das Sortiment. Mehr als 3,3 Millionen Kundinnen und Kunden im Alter zwischen 55 und 70 Jahren kaufen bei den Klingel-Marken. Über 50 Prozent der Bestellungen gehen online ein.
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