Trends 2025 by Seite 6 Social Media Social-Media-Trends im Reality-Check: Social Selling, KI, Influencer und Co. (1 von 2) / y e n r u o j d i M m l a H n a i t s a b e S : d l i B Ja, wo kaufen sie denn? Woanders. Wie viele Menschen glauben Influencern? Wenige. Social-Media-Weisheiten 2024 im Check und die Trends für 2025. „Noch nie war der Blick in die Glaskugel so schwer wie heute“, sagt Felix Beil- harz, Berater für Online- und Social-Me- dia-Marketing zum Thema Social-Media in 2025: „Einige der angeblichen großen Trends der letzten Jahre haben sich als Rohrkrepierer erwiesen (BeReal konnte sich nicht in der Breite etablieren, Linke- dIn hat die Stories schon nach wenigen Monaten wieder abgeschafft, wir laufen immer noch mit dem Smartphone statt mit coolen Social Media Wearables he- rum, im Metaverse ist immer noch (qua- si) niemand und so weiter).“ Und andere Entwicklungen seien kaum vorhersehbar gewesen: „Vor 3 Jahren hätte niemand sagen können, dass KI unsere Branche so stark beeinflusst.“ Was wir wissen: Es gibt ein Netzwerk, für alle, die vortäuschen, gerne am Wo- chenende zu arbeiten, es gibt eines für Menschen ohne Aufmerksamkeitsspanne und eine unmoderierte virtuelle Simula- tion, wie unsere Gesellschaft aussehen würde, ließe jeder seinen Aggressionen freien Lauf. Und dann gibt es die große Frage, was man nun als Marke damit an- fangen soll - vielleicht wären wir heute, in 2024, einer Antwort näher gekommen, wenn da nicht diese Sache passiert wäre. ChatGPT hat schlagartig so fundamental verändert, wie Marketeers über Kommu- nikation denken, dass die Frage legitim ist: Kann Social Media, die Künstliche Intelligenz überleben? Es ist ja nicht so, dass nicht vorher schon der eine oder an- dere Bot im Web unterwegs gewesen ist, laut dem 2023 Imperva Bad Bot Report zur entfiel die Hälfte des gesamten Traf- fics weltweit auf Bots. Bei X sind nach Expertenschätzungen etwa 15 Prozent der NutzerInnen keine Menschen. Doch KI hat dem Social Web eine neue Komponente eingebaut: Fake- Influencer erreichen ein Millionen-Publi- kum, ein Netzwerk versucht sogar schon den Menschen zu ersetzen: Bei Social AI ist man allein unter Bots, die man nach Gusto konfigurieren kann: Nette, angriffige, bestätigende oder in Zweifel ziehende: Es ist die Perfektion der Blase, die unweigerlich nur darauf hinauslaufen kann, dass die netten Menschen verein- samen und die Schwurbler vollends den Bezug zu den Gesetzen der Vernunft ver- lieren. Aber vielleicht ist der Mensch das Pro- blem, nicht die KI. Es lässt sich um- strittenermaßen behaupten, dass es in Social Media wahnsinnig viel Media, aber überschaubar viel Social gibt. Und genau das ist die Marschrichtung, glaubt Thomas Praus, Geschäftsführer der On- linemarketing-Agentur Panorama 3000: „Die These ist: Social Media wird noch mehr zu Media und noch weniger zu So- cial. Ein Fernseher mit Kommentar- und Teilen-Funktion. Denn Tiktok mit seinen Videotrends gibt den Ton an, auch für In- stagram Reels und Shorts. Entertainen, Wissen vermitteln, Storytelling - darauf kommt es an.“ KI-Inhalte automatisiert in die Streams zu pumpen, bedeutete demnach nur, aus Ratlosigkeit oder Überforderung zu ei- nem Werkzeug zu greifen, das zwangs- läufig alles schlimmer machen muss. Social-Media-Experte Thomas Hutter sieht eine Revolution auf Social Media zurollen, die Automatisierung durch KI. Der Gründer und CEO der Hutter Con- sult AG und Partner der MYTY Group sieht Bots personalisierte Erlebnisse und bessere Nutzerbindung schaffen, „wäh- rend die Moderation durch Menschen immer weniger erforderlich sein wird. Künstliche Intelligenz wird die Erstel- lung von Inhalten auf eine neue Ebene heben. Durch die Analyse von Nutzer- daten können Inhalte genau auf die Be- dürfnisse und Vorlieben der Zielgruppen zugeschnitten werden. Dadurch erhöht sich die Effektivität von Marketingkam- pagnen.“ Das bedeute aber eben nicht, dass alles auf Autopilot geschaltet werden dürfe: „Entscheidend wird es sein, die richtige Balance zwischen Technologie und Au- thentizität zu finden. Während die KI die Effizienz und die Reichweite der sozialen Medien erhöhen wird, wird der Erfolg letztlich davon abhängen, ob es gelingt, echte menschliche Beziehungen und au- thentische Inhalte zu erhalten.“ Auch Felix Beilharz glaubt, „wenn KI sich im- mer mehr etabliert, wird das Menschli- che zur Besonderheit. Ein Live-Webinar, das noch erkennbar von einem Menschen gehalten wird, bekommt einen neuen und besonderen Stellenwert unter den bald üblichen Avatar-Angeboten.“ KI kann vor allem eines: Schnell viel. Sie produziert bisweilen, aber nicht immer gute Dinge, aber das stets im Lidschlag. Und das scheint nicht wirklich in Social Media zu funktionieren. Das zeigen die beiden Beispiele TikTok und LinkedIn, die Netzwerke, auf denen Kanäle aktu- ell am schnellsten beziehungsweise am nachhaltigsten wachsen. Die drei Weisheiten von LinkedIn: Qualität, Qualität, Qualität Die drei Grundregeln für das Business- Netzwerk LinkedIn unterscheiden sich zwar inhaltlich sehr von den drei wich- tigsten Regeln des Immobilien-Kaufs, sind aber ähnlich abwechslungsreich. Das Netzwerk honoriert gute Beiträge, es verabscheut schnelle Klickfallen und Oberflächliches. Und so sagt Dr. Alex- ander Trommen, CEO bei Appsfactory, „LinkedIn wird die Nummer-1-Plattform für B2B Outbound Kampagnen. Auf kei- ner Anderen Plattform lassen sich so ziel- gerichtet über Tools Daten anreichern, und Mailkampagnen fahren. Aus unserer Erfahrung insbesondere erfolgreich in Zusammenhang mit Konferenzen!“ Und Dominique Korschinek, Geschäfts- führer bei The Digitale, sieht in „Linke- dIn als Ökosystem sehr gute Möglichkei- ten (B2B-)Zielgruppen zu erreichen und an Marken zu binden. Das Potential ist aktuell vor allem im DACH-Raum noch nicht ausgeschöpft. Auf LinkedIn las- sen längere und komplexere Customer Journeys sowie und verschieden Marke- ting-Taktiken abbilden.“ Das seien zum Beispiel „Content Marketing im Upper Funnel, Lead Generierung oder Account Based Marketing auf Basis von bereits existierenden Daten, um darüber gezielt einzelne Ziel-Unternehmen sehr effizient anzusprechen.“ Tik Tok TikTok ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits läuft dem Marketeer ob der hohen Dichte an junger Kaufkraft das Wasser im Munde zusammen, andrer- seits muss man als Marke aufpassen, nicht auf fremdem Terrain krampfhaft den Einheimischen zu geben - sprich: Über vermeintlich lässigere Zielgrup- penansprache nicht den eigenen Wesens- kern aufzugeben. Auf TikTok kann das besonders schnell passieren, weil die ewige Beschleunigung des Netzwerkes schwindelerregend ist. Was soll man als Marke da tun, wenn man nicht so schnell Inhalte raushauen kann? Man kann beispielsweise einen Gegen- trend setzen zum ewigen Immer-schnel- ler. Die Dauerbeschleunigung ist „ein Trend, der auf jeden Fall besorgniser- regend ist“, sagt sogar ein Social Media gegenüber wahrlich aufgeschlossener Felix Beilharz. Gleichzeitig sieht der Berater für Online- und Social-Media- Marketing aber auch einen Gegentrend: „Inhalte werden wieder länger, Tiktok experimentiert mit 60-minütigen Videos. Manche Creators setzen vermehrt auf ei- nen langsameren Stil mit weniger Schnit- ten und weniger hektischer Gestaltung.“ Da Tiktok eine besonders hohe Schlag- zahl und Kürze an Content vorgibt, ist hier die Herausforderung, die GenAI ans Steuer zu setzen, extrem hoch. Doch KI wird in TikTok ganz schnell fundamental falsch eingesetzt und blendet Markenma- cher, fürchtet Melanie Diermann, Pro- fessorin für Marketing im Fachbereich Kommunikation und Wirtschaft an der IST-Hochschule für Management: „Sie freuen sich, dass sie ihre Texte dank Ge- nAI nicht mehr selbst schreiben müssen, verpassen aber gleichzeitig wichtige In- vestitionen, etwa in Daten-Plattformen, in analytische KI oder in datengetriebe- nes Marketing.“ Zudem entstehe durch datengetriebenes Marketing ein neuer Funktionsrahmen für Marken: „Während der Markenkern früher feststehend und konsistent war, können heute nach dem Credo der Hy- perpersonalisierung auf die Zielperson genau Inhalte und Narrative herunter- gebrochen werden. Indem immer mehr Kampagnen so ausgerichtet werden, er- höht sich der Druck auf alle anderen mit- zuziehen oder Marktmacht zu verlieren.“ Social Nicht-Commerce In einer Studie von GetApp zeigt sich, dass Social Commerce ein Nischen- Commerce ist, es bleibt eher beim Social Marketing, denn der Funnel ist noch sehr breit, wenn NutzerInnen sich online ein Produkt ansehen: So beginnen zwar 23 Prozent der an der Studie teilnehmenden Personen ihre Suche nach Waren/Servi- ces in den Sozialen Medien, aber ledig- lich 8 Prozent tätigen ihren Kauf letzt- endlich auch dort. Nichtsdestotrotz setzt die Branche große Hoffnungen auf den Social Commerce: Dr. Felix Marcinowski, Vice President Digital Marketing & KI bei OMMAX, sieht „die Bedeutung von Upper- und Lower-Funnel-Aktivitäten auf Social- Plattformen und konsequentes Account Based Marketing und Lead Nurturing für B2B noch weiter steigen - Brands, die nicht konsequent in Social Media inves- tieren und stetig neue Kanäle testen, wer- den mittelfristig nicht bestehen können.“ Und für Simon Edel, Marketing Admi- nistrator bei Laudert, nimmt der „ökono- mische Aspekt von Social Media weiter zu. Produkte können heutzutage pro- blemlos direkt über diese Plattformen eröffnet werden und erlauben Interakti- onen rund um das Produkt.“ Auch für Oliver Bohl, Geschäftsführer und Partner von Triplesense Reply, ge- winnt „Social Commerce weiter an Be- deutung. Egal, wo sich NutzerInnen im digitalen Raum bewegen: Von überall lassen sich Kaufprozesse reibungslos anstoßen. Die Trennlinie zwischen Un- terhaltungs- und kommerziellen Ange- boten erodiert.“ Konsumiert werde dort, wo Interessen auf attraktive Angebote stoßen - „zum Beispiel direkt in sozialen Netzwerken. Zugleich erwarten Nutze- rInnen, dass Marken und Unternehmen immer und an den unterschiedlichsten Kontaktpunkten für den sozialen Aus- tausch zur Verfügung stehen.“ Fortsetzung auf Seite 7