Voice Commerce: Viel Potenziel, aber auch noch viel Luft nach oben

Seit wenigen Tagen ist in Deutschland erstmals der Amazon Echo Show erhältlich. Für knapp 220 Euro bekommen Verbraucher damit das neueste Modell des intelligenten Lautsprechers, der sich über Spracheingabe steuern lässt. Nutzer können ihren Echo-Lautsprecher zum Beispiel fragen, wie das Wetter wird und was die aktuellen Nachrichten sind – oder über den „Echo“ bei Amazon einkaufen.

Amazon Echo Show
Der „Echo Show“ kommt mit Bild (Foto: Amazon)

Das geht relativ simpel. Zunächst müssen Kunden ihren „Echo“ konfigurieren und mit ihrem WLAN und Amazon-Konto verknüpfen. Anschließend können Nutzer den Lautsprecher bitten, verfügbare Prime-Produkte zu bestellen.

Dabei verwendet Amazon die Zahlungs- und Versandeinstellungen, die Nutzer als Standard-Option in ihrem Kunden-Konto hinterlegt haben. Alle Bestellungen lassen sich online einsehen. Und um falsche Bestellungen zu vermeiden, können Kunden zudem einen Code anlegen: Erst wenn dieser Code gesprochen wird, bestätigt Amazon auch die Bestellung.

Wieviele Kunden in Deutschland über einen Echo verfügen, hat Amazon bis Redaktionsschluss nicht verraten. In den USA allerdings soll es bereits „Millionen von Geräten in Häusern und Wohnungen“ geben, da Amazon-Kunden den Echo „lieben“. Und laut einem Bericht des Fach-Magazins „Etailment“ soll in den USA schon jeder fünfte Echo-Nutzer über den intelligenten Lautsprecher bestellen.

Wird daher Voice Commerce – also das Bestellen per Spracheingabe – die Zukunft des E-Commerce? Handelsexperten sehen jedenfalls viel Potenzial, wie eine kleine Umfrage von neuhandeln.de zeigt. „Die aktuellen Mensch-Maschine-Interfaces wie Tastaturen oder Touchscreens sind doch Krücken, wenn wir ehrlich sind“, argumentiert etwa Thomas Lang, der in der Schweiz die auf digitalen Handel spezialisierte Beratung Carpathia führt. „Sie widersprechen doch dem natürlichen Verhalten von Menschen, die über Sprache kommunizieren.“ Deshalb werde Spracheingabe den E-Commerce „fundamental verändern“.

Thomas Lang
Thomas Lang (Bild: Carpathia)

Bis es soweit kommt, ist es aber noch ein langer Weg. Denn aktuell ist das Eimsatzgebiet von Voice Commerce bei Amazon noch stark beschränkt.

So lassen sich zwar Bestellungen bei Amazon (erneut) ausführen, wenn man mit dem Lautsprecher spricht. Als Kunde erfahre ich aber zum Beispiel nicht, ob es ein ähnliches Produkt gerade günstiger gibt – weder bei Amazon selbst geschweige denn bei einem anderen Anbieter.

Zudem ist Voice Commerce aktuell nicht sonderlich intelligent. So kann ich zwar ein Produkt per Spracheingabe bestellen.

Der Prozess läuft dann letztlich aber genauso ab wie im klassischen E-Commerce, wenn der Kunde ein Produkt auswählt, die Bestellung aufgibt und sie anschließend bestätigt. Ob das nun per Mausklick erfolgt oder per Stimme, macht nach Meinung von Marktbeobachtern keinen großen Unterschied.

Patrick Palombo
Patrick Palombo (Bild: eigenes Foto)

„Voice Commerce sollte nicht einfach einen linearen Bestellprozess auf eine andere Mensch-Maschine-Schnittstelle verlagern“, verdeutlicht daher auch Handelsberater Patrick Palombo (siehe Foto). Das wahre Potenzial sieht er vielmehr darin, dass man den Kunden mehr Markttransparenz geben und ihnen dadurch ihre Kaufentscheidungen erleichtern könne.

„Voice Commerce wird spannend, wenn ich ein Device konkret als Berater einsetzen könnte“, glaubt Palombo. „Exemplarisch nach dem Motto: Sage mir, wer heute das günstigste, 3-lagige Klopapier im Sortiment hat und bestelle es dann bei diesem Anbieter.“

So wäre Voice Commerce eine „echte Hilfe im Haushaltskontext“ und Nutzer hätten einen konkreten Mehrwert gegenüber dem gewohnten Bestellprozess an Desktop oder Smartphone. Für einfache Wiederbestellungen brauche es ihm zufolge aber kein Voice Commerce. „Um auf dem WC schnell Klopapier von einer bestimmten Sorte nachzubestellen, kann man auch einen Dash Button nutzen.“ Hier können Kunden per Knopfdruck solche Produkte kaufen, die sie zuvor bei Amazon festlegen.

Ob Amazon aber Interesse daran hat, über Voice Commerce mehr Markttransparenz zu schaffen? Aktuell vermittelt der US-Riese vielmehr den Eindruck, seine Kunden über den „Echo“ enger an sich binden zu wollen – wenn Bestandskunden immer wieder alte Bestellungen einfach erneut ausführen.

Bei der aktuellen Hardware-Generation lassen sich Bestellungen vor dem Kauf zwar erstmals über ein Display einsehen (siehe erstes Foto). Wenn der Kunde aber vor einem Display klebt, kann er gleich über sein Smartphone ordern. Wirklich spannend wird Voice Commerce daher wohl tatsächlich erst, wenn ein Einkauf über Amazon hinaus möglich wird. Vielleicht ist das ja der Grund, warum Voice Commerce aktuell in Deutschland keine Rolle spielt – meinen zumindest Marktbeobachter. „Bestellungen per Spracheingabe finden heute noch so gut wie gar nicht statt“, berichtet Handelsberater Peter Höschl, der über seine Erfahrungen im Online-Handel auf seinem eigenen Internetportal Shopanbieter berichtet.

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank fürs Zitieren. Leider fehlt die zweite Hälfte: “ … Ich gehe aber davon aus, dass Voice Commerce in den nächsten Jahren einen wichtigen Stellenwert bekommt. Auch wenn wir alle noch nicht so recht wissen, in welche Richtung es letztlich gehen wird.“

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