Der Einkauf im Online-Supermarkt wird gerade zunehmend zur Normalität. Schließlich befeuert nicht zuletzt Corona die Online-Nachfrage nach Lebensmitteln. Experten sehen daher im eFood-Geschäft hervorragende Perspektiven für die Zukunft. Allerdings drohen beim Online-Handel mit Lebensmitteln weiter Fallstricke – die eFood-Anbietern bereits heute das Geschäft erschweren.

Die Zahlen sprechen für sich: Allein im Jahr 2019 wurden in Deutschland fast 60 Mrd. Euro netto (exkl. MwSt.) durch den Online-Handel umgesetzt. Zum Vergleich: 20 Jahre früher waren es im Jahr 1999 lediglich 1,1 Mrd. Euro.
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Denn die Corona-Krise führt gerade dazu, dass jetzt noch mehr Verbraucher ihre Einkäufe ins Internet verlagern. Dadurch bekommt der gesamte deutsche Online-Handel aktuell einen zusätzlichen Schub. Dabei fällt auf, dass jetzt längst nicht nur gängige Sortimente wie Kleidung oder Elektronik verstärkt bestellt werden.
Auch der Online-Kauf von Lebensmitteln erfreut sich inzwischen zunehmender Beliebtheit. Das zeigen stellvertretend neue Zahlen vom Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel (BEVH), für die Verbraucher in Deutschland zu ihren Konsumgewohnheiten befragt werden. Demnach hat im Corona-Jahr 2020 prozentual gesehen der Brutto-Umsatz in der untersuchten Warengruppe „täglicher Bedarf“ so stark zugenommen wie bei keinem anderen Produktsortiment – und das, obwohl in der gesamten Corona-Krise ja Supermärkte und Drogerien immerzu geöffnet waren. Konkret hatte sich der Online-Umsatz von zuvor 4,9 Mrd. Euro auf 6,89 Mrd. Euro erhöht – ein sattes Wachstum von 40,9 Prozent.
eFood-Markt: Von der Nische zur Normalität
Zum Vergleich: Beim Warencluster „Unterhaltung“ hat der BEVH lediglich ein Plus von zehn Prozent ermittelt. Allerdings fällt hier auch das Umsatzniveau mit einem Brutto-Umsatz von 28,54 Mrd. Euro deutlich höher aus. Denn der Online-Handel mit Elektronik & Co. hat sich über die vergangenen zwei Jahrzehnte bereits zunehmend etabliert. Das Online-Geschäft mit Lebensmitteln dagegen zieht aktuell zwar stark an. Weil eFood aber jahrelang in der Nische vor sich hin gedümpelt war, bleibt das Geschäft – trotz der aktuellen Boomphase – wohl auch in den nächsten Jahren eine Randnotiz im E-Commerce.

Kein Wunder. Denn obwohl jeder Verbraucher letztlich Lebensmittel kaufen muss, dominierte in der Branche bislang der stationäre Handel. Erste Online-Supermärkte konnten sich in der Vergangenheit nur langsam am Markt etablieren – oder wurden nach einigen Jahren wieder komplett eingestellt – wie der Online-Shop der Supermarkt-Kette Real. Dieser wurde erst im vergangenen Herbst begraben, also ausgerechnet mitten in der Corona-Krise. Eine Zeit, in der Verbraucher an sich mehr Lebensmittel im Internet bestellen als jemals zuvor. Schließlich ordern viele Konsumenten lieber online Lebensmittel, als im Markt mit Maske einzukaufen und sich der Gefahr einer Corona-Infektion aussetzen zu müssen.
Doch Nachfrage allein ist eben nicht alles. So hat sich Real auch von seinem eFood-Angebot getrennt, weil das Online-Geschäft mit Lebensmitteln einfach nicht die notwendige Profitabilität erreicht hat.

Dabei sind jetzt die Perspektiven für die E-Food-Branche besser als jemals zuvor. Und das liegt längst nicht nur an Corona. Denn befeuert wird der Trend zum Online-Kauf von Lebensmitteln auch dadurch, dass Verbraucher zunehmend ihre Ernährung umstellen. So ernähren sich zum Beispiel immer mehr Deutsche vegan oder verzichten auf Fleisch.
Eine Verbraucher-Studie vom Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) zeigt: Bereits über eine Mio. Bürger in Deutschland haben sich 2020 nach eigenen Angaben vegan ernährt oder weitgehend auf tierische Produkte verzichtet.
Bezogen auf alle Einwohner in der Bundesrepublik entspricht das zwar gerade einmal einem Anteil von 1,6 Prozent an allen Bundesbürgern ab 14 Jahren. Doch vier Jahre zuvor hatte der Anteil der Veganer in Deutschland erst 1,1 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren betragen. In absoluten Zahlen gab es daher im Jahr 2016 erst 0,8 Mio. Veganer in Deutschland. Doch die Studie zeigt damit nicht nur stellvertretend auf, dass alternative Ernährungs- und Lebensweisen in Deutschland im Trend liegen.
Alternative Ernährung und eFood gleichermaßen im Trend
Die Zahlen verdeutlichen auch, dass Lebensmittel zunehmend online gekauft werden. Das haben im Jahr 2016 nämlich erst 3,7 Prozent der Deutschen getan, was einem Wert von 2,58 Mio. Online-Käufern entspricht. Im Jahr 2020 dagegen ist der Anteil der Online-Käufer von Lebensmitteln auf 5,2 Prozent der Gesamtbevölkerung angestiegen, was so bereits einer Menge von 3,65 Mio. Bundesbürgern entspricht.
Interessanterweise wurden die Untersuchungen bereits im März 2020 abgeschlossen – also bevor die Corona-Pandemie hierzulande voll durchgeschlagen hat. Dass immer mehr Deutsche nun online Lebensmittel kaufen, liegt also nicht nur an Corona. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass der Trend zu alternativen Ernährungsweisen auch das eFood-Geschäft befeuert. Und das wirkt schlüssig.
Denn ein klassischer Discounter hat meist etwa 2.000 bis 3.500 Artikel im Sortiment. Vegetarische oder vegane Produkte gibt es zwar auch hier zunehmend. Doch solche Produkte sind ganz klar die Exoten im Sortiment. Im Internet dagegen können sich Spezial-Versender ganz auf solche Produkte fokussieren und damit Konsumenten eine Anlaufstelle im Internet bieten, die auf Wurst und Käse verzichten wollen.
Logistik zwischen Nachhaltigkeit und Praktikabilität
Viele vegetarische Lebensmittel wie Soja-Milch oder Streichpasten sind außerdem haltbar und müssen daher auch nicht aufwändig gekühlt werden, wenn Kunden diese Produkte im Internet bestellen. Bei klassischen Online-Supermärkten ist das anders. Denn der Versand wird schnell teuer und aufwändig, wenn Kunden frische Lebensmittel ordern. Das ist letztlich mit ein Grund, warum immer wieder Online-Supermärkte scheitern. Denn oftmals bestellen Verbraucher zwar durchaus gerne, doch das Geschäft rechnet sich unterm Strich trotzdem nicht. Denn die Logistik auf der letzten Meile bei eFood muss:
- in hohen Kapazitäten verfügbar,
- möglichst kostengünstig,
- zeitlich flexibel und
- bestenfalls auch noch nachhaltig sein.
Die Kosten der Zustellung auf der letzten Meile – also bei der Zustellung an den Kunden – werden vor allem in ländlichen Gebieten zum Problem. Schließlich wird hier der Weg zum Kunden immer länger, was die Kosten für die Zustellung nach oben treibt. Doch auch in urbanen Gebieten birgt die letzte Meile gewisse Hürden. Denn in Städten ist schnell die Verkehrsinfrastruktur ausgelastet. Und das führt dann wiederum dazu, dass sich Zustellungen verzögern und dadurch weniger Pakete pro Stunde zugestellt werden können. Zwar gibt es bereits mehrere Lösungsansätze für die urbane Logistik. Noch steht diese aber vor zahlreichen Herausforderungen, vor allem in Form der fehlenden Rentabilität.
Dennoch verlagert sich jetzt auch der klassische Wocheneinkauf aus dem stationären Supermarkt vor Ort zunehmend ins Netz. Das zeigen stellvertretend die aktuellen Jahreszahlen vom Schweizer Online-Supermarkt Coop (beziehungsweise Coop@Home bis zur Umbenennung im vergangenen Jahr), der seinen Umsatz im Jahr 2020 gleich um mehr als 40 Prozent steigern konnte. Zuvor hatte das Geschäft nur um wenige Prozent zugelegt – obwohl das Marktpotenzial damals ja auch schon gigantisch war.

Natürlich hat auch bei Coop die Corona-Krise im vergangenen Jahr das Geschäft befeuert. Doch gut möglich ist, dass dieses Wachstum dennoch nachhaltig ist. Denn durch Corona haben Verbraucher den Online-Kauf von Lebensmitteln erstmals getestet – und wurden vielleicht zu ihrem Glück gezwungen.
Denn der Gang zum Supermarkt ist letztlich oftmals nur lästig. Verbraucher müssen zum Supermarkt gehen oder fahren, mühsam Produkte in einen Einkaufswagen packen und dann auch noch in einer Schlange vor der Kasse stehen, um dort ihre Produkte wieder auszupacken, aufs Band zu legen und erneut in den Einkaufswagen zu legen. Dieses Hin und Her geht nachher munter weiter. Denn die Einkäufe müssen ja erst ins Auto oder den Fahrrad-Korb, bevor sie dann endlich zu Hause einmal ins Regal und den Schrank gepackt werden. Der Online-Kauf geht hier dann doch eine Spur einfacher.
Denn das Haus verlassen muss der Kunde nicht. Denn geliefert werden die Lebensmittel ja bequem nach Hause. Allerdings kann auch der Online-Kauf von Lebensmitteln ganz schön Zeit in Anspruch nehmen. Das weiß jeder, der selbst einmal mühsam einen klassischen Wocheneinkauf bei einem Online-Supermarkt zusammen klicken musste. Die große Zeitersparnis gibt es hier nicht. Wichtig ist daher bei eFood-Anbietern eine gute Shop-Usability. Online-Supermärkte wie GetNow erleichtern den Erstkauf, indem sie zum Beispiel verschiedene „Inspirationen für den ersten Einkauf“ anbieten. So können Nutzer im Idealfall einfach die Produkte auswählen, die sie gerne bestellen möchten. Andere Shops wiederum bieten die Möglichkeit, die Artikel aus einer alten Bestellung erneut direkt im Shop in einen Warenkorb zu legen. Schließlich kaufen Verbraucher ja oftmals immer wieder dieselben Artikel.
Lange Lieferzeiten und hohe Versandkosten verschrecken Kunden
Damit Kunden das aber in einem Online-Shop tun, ist eine weitere Hürde zu nehmen. Denn der Kauf von Lebensmitteln im Internet ist nicht zuletzt eine Sache des Vertrauens. Bereits in den vergangenen Jahren hatten nämlich Marktstudien immer wieder ergeben, dass Verbraucher frisches Obst, Wurst und Käse vor dem Kauf selbst einmal gerne begutachten wollen. Tief verwurzelt in den Deutschen scheint daher die Angst, alte oder vergammelte Ware bei einer Online-Bestellung zu erhalten. Wenn Verbraucher nun durch Corona erstmals Online-Supermärkte testen, können solche Vorbehalte an sich zwar abgebaut werden. Generell dürften Verbraucher aber wohl eher solchen Händlern vertrauen, die sie bereits aus dem stationären Lebensmittelhandel kennen. Neueinsteiger und Start-ups dagegen müssen nicht nur ihre Marke bekannt machen – sondern auch ihre Lebensmittelkompetenz beweisen.

Kurioserweise machen im deutschen eFood-Geschäft dennoch vor allem Start-ups von sich reden wie GetNow oder Picnic, die Kunden den klassischen Gang zum Supermarkt vor Ort ersparen möchten. Etablierte Player aus dem traditionellen Lebensmittel-Einzelhandel halten sich dagegen oft zurück.
Einen Lebensmittel-Lieferservice bietet zwar zum Beispiel Rewe an. Andere Anbieter wie Kaufland dagegen stellen online lediglich Informationen zu ihren Produkten zur Verfügung, während andere Supermarkt-Ketten immerhin Zusatzsortimente online verkaufen – allerdings statt ihren Lebensmitteln.
Diese Zurückhaltung dürfte ihre Gründe haben. Denn der Online-Markt für Lebensmittel mag zwar ein großes Potenzial haben. Genauso groß scheinen aber auch die zentralen Hürden beim eFood-Geschäft:
- Versandkosten
- Verpackungsmüll
- Ökologische Bedenken
- Herausforderungen durch Kühlketten
- Mangelnde Flexibilität bei der Lieferung
- Lückenhafte Versorgung im ländlichen Raum
- (teilweise) lange Wartezeiten
Die Probleme der E-Food-Branche liegen also zu großen Teilen auf der Anbieterseite. Kunden wollen zum Beispiel nicht einige Tage auf ihren Wocheneinkauf warten, nur weil vorher kein Liefertermin für sie mehr frei ist. Verbraucher wollen auch oft grundsätzlich keine zusätzlichen Kosten für den Versand bezahlen. Schließlich gibt es diese ja auch nicht, wenn sie die Produkte selbst im Supermarkt kaufen.
Viele Anbieter erfüllen also schlichtweg noch nicht in ausreichendem Umfang die Kundenbedürfnisse, um den stationären Handel tatsächlich ablösen zu können. Erschwerend kommt für Online-Händler hinzu, dass Deutschland ein dichtes Netz an Supermärkten hat. Im Jahr 2016 zum Beispiel waren auf eine Mio. Einwohner in Deutschland ganze 336 Filialen im Lebensmittel-Einzelhandel gekommen. Zum Vergleich: In Großbritannien lag damals der Vergleichswert der Filialen bei gerade einmal 104 Märkten.
Die Studie zeigt daher auch, dass sich der deutsche Markt nicht mit dem Geschäft in anderen Ländern in Europa vergleichen lässt. Denn in anderen Ländern mögen Verbraucher schlichtweg auch deshalb mehr Lebensmittel online kaufen, weil es vor Ort einfach weniger Möglichkeiten gibt. Hierzulande dagegen haben viele Menschen selbst in ländlicheren Gegenden einen Supermarkt in ihrer Nähe.
Auf dem Land ist der Online-Handel mit Lebensmitteln zudem meist schlecht ausgebaut, sprich es sind zum Beispiel keine frischen Waren verfügbar oder die Lieferung dauert vergleichsweise lange. In den Großstädten herrscht hingegen ein Überangebot. Das führt dazu, dass weiter viele Menschen kurzerhand zum Supermarkt gehen beziehungsweise fahren, um dort das Benötigte einzukaufen. Oft liegt der Supermarkt auch nicht nur nahe bei dem eigenen Zuhause, sondern auch auf dem Weg zur Arbeit. Konsumenten können also quasi jederzeit alles kaufen, was sie brauchen – warum also sollte man das online tun und dann zu Hause auf die Lieferung warten? Zumal vielleicht kurzfristig die Milch oder das Brot ausgeht und Kunden so ohnehin einen Supermarkt aufsuchen müssen, falls etwas fehlt.
eFood kann den Kauf vor Ort nicht ersetzen
So gesehen kann der Online-Einkauf von Lebensmitteln eigentlich nie den Gang in einen stationären Laden überflüssig machen. Denn das Geschäft tickt einfach anders als etwa der Handel mit Elektronik oder Mode. Wer ein neues Smartphone oder Notebook bestellt, ist erst einmal versorgt. Wer online seinen Wocheneinkauf erledigt, muss danach vielleicht trotzdem noch in einen Supermarkt gehen.
Genau aus diesem Grund funktioniert beim Online-Lebensmittelhandel die Nische – also das Geschäft mit Spirituosen, Delikatessen oder spezieller Sondernahrung. Weil es diese Produkte einfach vor Ort oft nicht gibt und Kunden solche Artikel quasi bei Spezial-Shops bestellen müssen. Der klassische Gang in den Supermarkt dagegen mag sich durch die Corona-Krise gerade verstärkt ins Internet verlagern. Es scheint aber so, als ob Kunden nach der Krise diese Einkäufe dann doch eher wieder vor Ort erledigen.
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