Im deutschen Online-Handel sind alternative Zustellmethoden erforderlich: Das prognostiziert ein aktuelles Thesen-Papier, das von dem auf Handelsforschung spezialisierten ECC Köln veröffentlicht wurde. Demnach basiert die These unter anderem auf einer Umfrage unter rund 1.000 Online-Käufern, die das ECC durchgeführt hat. Das Ergebnis: Die meisten Online-Shopper möchten ihre Bestellung zu Hause erhalten, während dort aktuell aber nur über die Hälfte der Pakete zugestellt werden kann.

Wunsch und Wirklichkeit gehen demnach auseinander. Dass immer mehr Pakete nicht an der Haustür abgegeben werden, hat laut dem Thesen-Papier des ECC Köln verschiedene Gründe. Demnach sind viele Konsumenten prinzipiell erst abends zu Hause, wenn die Zusteller ihre Routen oft schon wieder beenden. Dazu wären Verbraucher tendenziell mehr unterwegs und würden daher weniger Zeit zu Hause verbringen. Generell führe zudem das Wachstum im E-Commerce zu „signifikant steigenden Sendungsmengen“ – wodurch immer mehr Fahrten nötig werden, um die Pakete auszuliefern.
Mit den bestehenden Zustellkonzepten sei die steigende Paket-Flut auf Dauer nicht zu bewältigen. So werde es „auf Basis der heutigen Kostenstruktur“ kein proportionales Wachstum bei den benötigten Fahrern geben, wie es im Thesen-Papier heißt. Schließlich herrsche auf dem Arbeitsmarkt schon heute ein „akuter Fahrermangel“, die hohe Nachfrage führe obendrein zu einem steigenden Lohnniveau.
Auch die automatisierte Zustellung über Roboter oder Drohnen sei kein Ausweg, da sich hier über diese Geräte immer nur eine „begrenzte Last“ transportieren lasse. Händler und Zusteller sollen daher ihre Kunden sensibilisieren, verstärkt Alternativen zur Haustürzustellung anzunehmen – etwa eine Lieferung an den Arbeitsplatz oder in eine Packstation. „Die Haustür-Zustellung wird derzeit hauptsächlich als Gratis-Dienst angeboten, entwickelt sich aber zur Premium-Leistung“, argumentiert das ECC Köln.
Doch ob Konsumenten wirklich einmal mehr für einen Service bezahlen, der heute Standard ist? Es ist schwer vorstellbar. Der Paket-Zusteller Hermes beobachtet jedenfalls schon heute, dass bei Konsumenten „die Zahlungsbereitschaft für den Versand seit Jahren auf Minimalniveau verharrt“.

„Die Haustür-Zustellung als Premium-Service wird sich nicht durchsetzen, da die Großen der Branche wie Amazon.de das nicht unterstützen werden“, glaubt daher Logistik-Experte Rudolf Hämel (siehe Foto), Geschäftsführer der auf Immobilien für Online- und Multichannel-Händler spezialisierten LogReal.DieLogistikImmobilie GmbH und Sponsor von neuhandeln.de.
Ein Schritt in die richtige Richtung wäre für ihn dagegen, wenn sich alle Zusteller auf gemeinsame Ablageorte einigen – etwa bei Tankstellen – und nicht jeder Paket-Shop von einem Paket-Dienstleister exklusiv genutzt wird.
Generell sieht Hämel allerdings nicht so eine schwarze Zukunft für die Haustür-Zustellung, wie sie die aktuelle ECC-Studie skizziert. „Durch die Digitalisierung werden Arbeitszeiten mehr liberalisiert und dadurch steigt die Chance, den Empfänger einer Sendung zu Hause anzutreffen“, argumentiert er. Der boomende Online-Handel könne prinzipiell zudem dazu führen, dass es künftig mehr Synergien gibt – wenn zum Beispiel ein Zusteller in einer Straße mehr Kunden bedient als bisher. Hämel: „Das Ergebnis wären geringere Stoppkosten, was sogar zu mehr Einnahmen der Paketdienste führen könnte.“
Bei Hermes scheint man an so ein Szenario aktuell nicht zu glauben. Denn die Otto-Tochter bewegt sich genau in die entgegen gesetzte Richtung. So will Hermes seinen Händlern zum Weihnachtsgeschäft 2018 erstmals einen Preiszuschlag berechnen. Das wirkt konsequent. Schließlich hat man erst vor wenigen Wochen eine Obergrenze eingeführt, um das diesjährige Weihnachtsgeschäft zu stemmen.
Da spielt eine Studie gut in die Karten, mit der man Verbraucher und Versender für eine höhere Zahlungsbereitschaft sensibilisieren kann. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Logistik-Thesen nicht nur vom ECC Köln stammen, sondern im Auftrag von Hermes veröffentlicht wurden.
Auf Nachfrage von neuhandeln.de betont das ECC Köln aber, dass Auftraggeber keinerlei Einfluss nehmen und die hauseigenen Studien daher neutrale, valide und belastbare Ergebnisse liefern.
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