Mitten im Jubiläumsjahr: Klingel-Gruppe startet Sanierungsverfahren

Drei Gesellschaften der Klingel-Gruppe aus Pforzheim haben in dieser Woche einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. In allen drei Fällen haben die zuständigen Gerichte die Anträge gestern genehmigt und vorläufige Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angeordnet. Das gilt konkret nun für die Schneider GmbH & Co. KG (Aktenzeichen: 101 IN 383/23) sowie für die Impressionen Versand GmbH (101 IN 382/23) als auch noch für die K – Mail Order GmbH & Co. KG (101 IN 399/23).

Klingel-Gruppe
Bei Klingel kriselt es (Bild: Klingel-Gruppe)

K-Mail Order ist die Hauptgesellschaft der Gruppe und steht insgesamt hinter zehn verschiedenen Händler-Marken. Zum Portfolio zählen beispielsweise die Kernmarke Klingel sowie die Mode-Marken Mona, Wenz und Babista als auch der Große-Größen-Anbieter Happy Size. Mit solchen Marken richtet sich die Klingel-Gruppe an die Zielgruppe der „Best Ager“ (Kunden ab 50 Jahren).

Eine jüngere Zielgruppe bedient der Impressionen-Versand, der Möbel, Wohn-Accessoires und Mode anbietet. Schneider wiederum verkauft Werbeartikel, Möbel und Accessoires an B2B-Kunden und bedient zudem Privatpersonen.

Für die drei betroffenen Gesellschaften wurden die Eigenverwaltungsverfahren aus mehreren Gründen gestartet. Als Hintergründe nennt die Klingel-Gruppe aus Pforzheim jetzt unter anderem eine „deutliche Konsumzurückhaltung“ seit dem Ukraine-Krieg sowie „signifikant gestiegene Kosten“ als auch die hohe Inflation. So haben sich zum Beispiel nach eigenen Angaben der Papierpreis und die Frachtkosten stark erhöht. „Wie die gesamte Versandhandelsbranche steht auch die Klingel-Gruppe seit einem Jahr vor immensen Herausforderungen“, argumentiert daher stellvertretend Sven Axel Groos, Chief Executive Officer (CEO) der Klingel-Gruppe. „Das gesamtwirtschaftliche Umfeld hat sich enorm verändert.“

Sanierungskonzept wird erarbeitet

Das Geschäft der drei Gesellschaften läuft vollumfänglich weiter, konkrete Sanierungsmaßnahmen sollen in den kommenden Wochen erarbeitet werden. Bei dem Sanierungskonzept unterstützt Marcus Katholing von der Restrukturierungsgesellschaft Pluta den Multichannel-Händler als Chief Restructuring Officer (CRO), zum vorläufigen Sachwalter wurde Rechtsanwalt Martin Mucha von der Kanzlei Grub Brugger bestellt.

Die Firmengruppe mit Sitz in Pforzheim wurde 1923 gegründet und feiert daher in diesem Jahr ihr 100-jähriges Firmenjubiläum. Kerngeschäft der Gruppe ist der Mode-Handel, ergänzt wird das Sortiment mit Schmuck, Schuhen und Lifestyle-Artikeln. Mit diesen Produkten wurde im Geschäftsjahr 2021 ein Netto-Umsatz von knapp einer Mrd. Euro erwirtschaftet. Der Impressionen-Versand und Schneider gehören seit 2017 zur Klingel-Gruppe. Damals hatte der Konzern wesentliche Vermögenswerte von der Creatrade-Gruppe übernommen, um dadurch das Klingel-Angebot „wirtschaftlich sinnvoll weiter auszubauen„.

Impressionen-Standort wird geschlossen

Insgesamt beschäftigt die Klingel-Gruppe über 2.000 Mitarbeiter. Für die drei betroffenen Unternehmen K-Mail Order, Impressionen und Schneider arbeiten rund 1.800 Mitarbeiter. Nicht betroffen von den Verfahren sind die Mitarbeiter in anderen Gesellschaften der Firmengruppe. Dazu zählen zum Beispiel die Länder-Gesellschaften oder IT-Unternehmen. Hier beschäftigt der Konzern insgesamt mehr als 250 Mitarbeiter.

Der Impressionen-Versand in Hamburg beschäftigt wiederum mehr als 60 Mitarbeiter. Wie es hier weiter geht, steht schon fest. So soll der Standort in Hamburg bis Ende Juni 2023 geschlossen werden. Die Marke und der Online-Shop bleiben dagegen erhalten und werden künftig von Pforzheim aus betrieben. Auf diese Weise will die Klingel-Gruppe sich Synergieeffekte erschließen. Dem Großteil der Mitarbeiter in Hamburg wurde bereits die Kündigung ausgesprochen, wie Klingel auf Nachfrage von neuhandeln.de erklärt. Leser von neuhandeln.de dürfte das nicht überraschen. Denn im Frühjahr hatte Klingel bereits auf Nachfrage von neuhandeln.de erklärt, dass an einer „Restrukturierungsmaßnahme bei Impressionen“ gearbeitet werde.

Klingel will Sanierungschancen „bestmöglich“ nutzen

Bei allen drei Verfahren handelt es sich um vorläufige Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Bei diesen Eigenverwaltungsverfahren bleibt die Geschäftsführung im Amt und kann in Eigenregie das Unternehmen sanieren. Statt eines Insolvenzverwalters wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt, um die Geschäftsführung zu beaufsichtigen und die Interessen der Gläubiger zu wahren. Verfahren in Eigenverwaltung werden von Gericht angeordnet, wenn ein Unternehmen diesen Antrag frühzeitig stellt und gute Aussichten auf eine Sanierung bestehen. Die Klingel-Gruppe hat sich nach eigenen Angaben entschieden, den Antrag auf Eigenverwaltung früh zu stellen. Dadurch sollen die „Sanierungschancen bestmöglich genutzt“ werden.

Wenn der Antrag angeordnet wurde, startet das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren. In der Regel wird dann über einen Zeitraum von drei Monaten ein Sanierungsplan erarbeitet und anschließend dem Gericht vorgelegt. Im vorläufigen Verfahren übernimmt zudem die Bundesagentur für Arbeit für maximal drei Monate die Gehälter der Mitarbeiter. Die Angestellten erhalten daher statt des normalen Lohns dann Insolvenzgeld.

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