Kaufen schwer gemacht: „Emmas Enkel“ enttäuscht beim Praxis-Test in Stuttgart

„So einfach klappt dein Einkauf“: Das verspricht die Supermarkt-Kette Real nun ihren Kunden in einem modernen Selfservice-Store, der seit kurzem unter dem Namen „Emmas Enkel“ in Stuttgart betrieben wird. Vor Ort gibt es aber nur ein Rumpfsortiment von 500 Produkten wie Lebensmittel oder Drogerie-Artikel. Denn ansprechen soll dieses Angebot die Bürger aus dem Viertel vor Ort, denen zu Hause das Brot oder die Milch ausgeht – wenn der klassische Supermarkt zu diesem Zeitpunkt geschlossen hat.

Emmas Enkel
Der Store in Stuttgart (Bild: eigenes Foto)

Einkaufen kann man daher sieben Tage und rund um die Uhr, da Kunden die Ware wahlweise vorab online oder im Laden an einem PC bestellen. In der Theorie klingt das interessant, im Praxis-Test offenbart der Selfservice-Store aber deutliche Schwächen. Auffällig ist dabei zunächst, dass der Laden mit gerade einmal 45 Quadratmetern auf dem Papier zwar recht klein ausfällt.

Im Geschäft selbst wirkt die Fläche aber vergleichsweise groß. Das liegt wohl mit daran, dass im Geschäft nur wenige Artikel wie Backwaren präsentiert werden. Die meisten Artikel dagegen lagern hinter einer Wand und werden erst nach einer Bestellung auf einem Förderband ausgegeben.

Und um das zu testen, habe ich zunächst über die Mobile-App bestellt. Mit dieser sollen Kunden bereits zu Hause oder unterwegs bestellen, um die Ware danach direkt im Laden abzuholen. Kaufen wollte ich ursprünglich Wattestäbchen. Doch bei gerade einmal 500 Produkten war mein Wunschartikel leider nicht verfügbar. Stattdessen habe ich einen Schokoriegel bestellt, den ich in der Mobile-App aber nur mit Paypal bezahlen konnte – was vielleicht nicht jeder potenzielle Kunde will. Im Anschluss habe ich einen QR-Code erhalten (siehe Bilder-Galerie unten), den man im Geschäft an einen Scanner halten muss, der sich bei einem „Abhol-Terminal“ befindet (Hinweis: „Scanne hier deinen Abhol-Code“). Als ich das gemacht habe, ist nach wenigen Sekunden der Schokoriegel auf dem Förderband erschienen.

QR-Code

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Nach der Bestellung generiert das Terminal einen QR-Code. In der App erscheint dieser auf dem Display.

Schwierig verlief dagegen der Einkauf über den zweiten Bestellweg – das Terminal im Geschäft. Diese sind deutlich als „Bestell-Terminal“ gekennzeichnet und erinnern an Selfservice-Displays einer großen Burgerbrater-Kette. Am Terminal habe ich zunächst ein Brot und ein Croissant bestellt, den Kauf im Anschluss mit Karte bezahlt. Erhalten habe ich dann aber nur einen Kassenbon – und keinen QR-Code.

Doch einen QR-Code braucht man auch, wenn man im Geschäft bestellt. Denn selbst dann muss der Kunde mit dem Code zum „Abhol-Terminal“ gehen, um die Ware zu erhalten. Diese wird nämlich nach einer Bestellung im Laden nicht automatisch ausgegeben. Ohne QR-Code also keine Ware.

Ich habe daher eine Service-Hotline angerufen, die im Laden angegeben wird. Dort wurde mir erklärt, dass meine gewünschten Produkte nicht verfügbar sind. Hintergrund ist, dass ich frische Backwaren bestellt habe. Doch um diese zu kaufen, muss man plötzlich die QR-Codes an einem Regal im Geschäft scannen – also dort, wo die Backwaren sind. Diese werden ja im Gegensatz zu den meisten Artikeln im Laden selbst präsentiert – wie man es unter anderem von SB-Backabteilungen in Supermärkten kennt.

Ware wird berechnet, die es im Geschäft gar nicht mehr gibt

Neben jedem Fach befindet sich ein Schild, wo das Produkt genannt wird und ein QR-Code für den Scan abgebildet ist. Diesen soll man laut dem Mitarbeiter der Service-Hotline aber nur scannen, wenn auch noch die gewünschte Ware im Regal vorhanden ist. Wirklich erklärt wird das meiner Meinung nach aber nicht richtig im Geschäft. So gibt es zwar ein Schild, das den Bestellprozess beschreibt (siehe Galerie).

Dort steht aber – bezogen auf die Bestellung im Markt am Terminal – nur, dass Kunden doch „frisches Obst & Gemüse sowie Backwaren nach der Bestellung aus den Kisten bzw. Regalen im Markt nehmen“ können. Dass Kunden vor der Bestellung am Terminal den Bestand prüfen müssen, steht dort aber nicht. Auch nicht, dass die Backwaren in jedem Fall berechnet werden – selbst wenn sie im Laden längst ausverkauft sind. Bei meinem Besuch war das Brotregal nämlich völlig leer. Nur wird das anscheinend im System nicht vermerkt, so dass man vor Ort weiter Ware bestellen kann, die es gar nicht mehr gibt – und trotzdem munter berechnet wird. In meinem Fall hat sich der Mitarbeiter am Telefon entschuldigt und versprochen, den bereits per EC-Karte bezahlten Betrag wieder auf mein Bankkonto zu erstatten.

In der App selbst kann man Backwaren übrigens gar nicht in den Warenkorb legen. Wenn man hier ein Brot kaufen will, öffnet sich die Kamera am Smartphone. Jetzt weiß ich: Damit man vor Ort den QR-Code bei dem Regalfach scannt, wo noch etwas verfügbar ist. Erklärt wird das in der App aber auch nicht. Wenn beim Klick auf das Warenkorb-Symbol die Kamera startet, wirkt das wie ein technischer Fehler. Zumal ich über die App ja von unterwegs oder zu Hause aus bestelle, weil ich die Bestellung ja direkt abholen will – ohne erst im Laden dann die Ware einzeln zu scannen und so bestellen zu müssen.

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum der Praxis-Test vor Ort in Stuttgart enttäuscht:

  • Unterm Strich ist das Sortiment in den einzelnen Produktkategorien zu klein.
  • Manche Produkte soll der Kunde in der App oder am Terminal bestellen, bei anderen dagegen einen QR-Code scannen. Das verwirrt, da nicht alles über einen Weg bestellt werden kann.
  • Bei einer Bestellung im Geschäft ist der QR-Code überflüssig. Stattdessen sollte die Bestellung direkt ausgegeben werden, nachdem der Kunde die Ware im Geschäft bezahlt hat.
  • Der Name passt nicht zum Konzept. Denn mit einem Einkauf in einem Tante-Emma-Laden hat der Selfservice-Store nichts gemein. Schließlich bedient sich der Kunde ja selbst und wird eben nicht von einem Mitarbeiter hofiert, wie es einmal in früheren Zeiten vielleicht üblich war.

Die Händler-Marke nutzt Real daher wohl vor allem, weil sie schon da gewesen ist. Denn unter dem Namen „Emmas Enkel“ war einst ein eFood-Händler gestartet, bei dem später die Metro-Gruppe eingestiegen war. Das ursprüngliche Konzept wurde aber vor drei Jahren begraben, als man keine Wirtschaftlichkeit mehr sah. Mit dem neuen Kleinflächen-Konzept will man weitere Geschäfte eröffnen, wenn Kunden das Angebot annehmen. Das scheint momentan allerdings nur schwer vorstellbar.

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