Bei vielen Online- und Multichannel-Händlern gehen momentan die Umsätze zurück, weil Verbraucher ihr Geld zusammen halten. Auch der Schuhhändler Görtz leidet nach eigenen Angaben jetzt darunter, dass Inflation und steigende Energiekosten die Verbraucher verunsichern. Weil sich Konsumenten zurückhalten, sind daher auch beim Schuh-Spezialisten die Umsätze zuletzt deutlich gesunken. Vor diesem Hintergrund hat der Multichannel-Händler nun Maßnahmen ergriffen, um seine Kostenstrukturen anpassen zu können.

Konkret hat die Geschäftsführung gestern zum einen für die Muttergesellschaft Ludwig Görtz GmbH beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag gestellt, um ein Schutzschirmverfahren einzuleiten. Zusätzlich wurde für die beiden operativen Tochterunternehmen Görtz Retail GmbH und Görtz Logistik GmbH jeweils ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 06.09.2022 das Schutzschirmverfahren bewilligt und auch die Eigenverwaltungsverfahren der Tochtergesellschaften angeordnet. Mit den drei Verfahren in Eigenverwaltung will sich Görtz nach eigenen Angaben „konsequent restrukturieren und zukunftssicher aufstellen“.
Bei allen drei Verfahren handelt es sich um so genannte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Bei diesen Eigenverwaltungsverfahren bleibt die Geschäftsführung im Amt und kann in Eigenregie das Unternehmen sanieren. Zusätzlich wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt, um die Geschäftsführung zu beaufsichtigen und die Interessen der Gläubiger zu wahren. Bei Görtz ist das jetzt Rechtsanwalt Sven-Holger Undritz (Kanzlei White & Case), der vom Amtsgericht zum vorläufigen Sachwalter in allen drei Verfahren bestellt wurde.
Sanierungsplan wird erarbeitet
Verfahren in Eigenverwaltung werden von Gericht angeordnet, wenn ein Unternehmen diesen Antrag frühzeitig stellt und gute Aussichten auf eine Sanierung bestehen. Wenn der Antrag angeordnet wurde, startet das vorläufige Insolvenzverfahren. Über drei Monate wird dann ein Sanierungsplan erarbeitet und danach dem Gericht vorgelegt. Wenn die Gläubiger diesem Plan zustimmen und das Gericht ihn bestätigt, kann ein Unternehmen das Eigenverwaltungsverfahren verlassen und wieder auf eigenen Füßen stehen.
Trotz der laufenden Verfahren läuft der Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weiter, alle Stores sind nach wie vor geöffnet. Auch langfristig sieht man eine gute Chance für das Unternehmen. „Görtz ist eine starke und bekannte Marke, die weiterhin viel Potenzial in sich trägt“, argumentiert stellvertretend Frank Revermann, Chief Executive Officer (CEO) von Görtz. „Als Omnichannel-Händler sind wir überzeugt, dass wir nach der Sanierung eine erfolgreiche Zukunft erwarten können und ein nachhaltiges Wachstum erzielen werden.“
„Görtz trägt weiterhin viel Potenzial in sich“
Görtz wurde 1875 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Hamburg. Der Multichannel-Händler betreibt rund 160 Filialen in Deutschland und Österreich und verkauft in beiden Ländern zudem über einen Online-Shop. Dass sich Verbraucher mit Ausgaben zurückhalten, spürt Görtz sowohl vor Ort in den Filialen als auch beim Online-Geschäft. Im Angebot sind rund 350 Mode- und Lifestyle-Marken, darunter auch Eigenmarken. Zur Umsatzentwicklung im laufenden Jahr nennt Görtz auch auf Nachfrage von neuhandeln.de keine Zahlen.
Laut dem zuletzt veröffentlichten Konzernabschluss hat Görtz im Jahr 2020 einen Netto-Umsatz von 198,9 Mio. Euro erzielt. Das ist ein Minus von 22 Prozent zum Vorjahr. Begründet wurde diese Entwicklung mit den Lockdown-Phasen, die es damals ja im Frühjahr sowie im November und Dezember gegeben hatte. Zwar gab es zeitgleich mehr Verkäufe im Online-Shop. Diese konnten damals nach eigenen Angaben aber nicht die Ausfälle im Einzelhandel auffangen. 2020 gab es letztlich einen Jahresfehlbetrag von 36,3 Mio. Euro.
„Sinkende Umsätze“ und „viel zu hohe Mieten“
Auch im Geschäftsjahr 2021 habe es „deutliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe“ gegeben, wie Görtz gegenüber neuhandeln.de erklärt. Zum Jahresende hatte sich damals zwar das Geschäft wieder verbessert und stabilisiert. „Dann kam der Ukraine-Krieg und hat den Aufschwung in kurzer Zeit zunichtegemacht“, berichtet Görtz gegenüber neuhandeln.de. „Sinkende Frequenzen und Umsätze auf der einen Seite und steigende Preise sowie nach wie vor viel zu hohe Mieten auf der anderen Seite, gehen auf Dauer nicht.“
Daher müsse die Kostenstruktur grundsätzlich angepasst werden. Dabei komme alles auf den Prüfstand, wie Görtz betont. Ob im Zuge der Restrukturierung auch Filialen schließen, steht aktuell nicht fest. Im Ergebnis müsse aber jede Filiale profitabel sein. Manche Standorte wären wegen hoher Mieten zu kostenintensiv. In diesen Fällen spreche Görtz mit Vermietern, um Mieten zu reduzieren. Von September bis November 2022 übernimmt zudem die Arbeitsagentur die Gehälter der rund 1.800 Mitarbeiter, die statt des normalen Lohns dann Insolvenzgeld erhalten. Das sollte Görtz in jedem Fall dabei helfen, sich etwas Luft zu verschaffen.
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