eBay, Wuppertal & Co.: Woran lokale Marktplätze kranken

Mit ehrgeizigen Ambitionen hatte die Wirtschaftsförderung Wuppertal im vergangenen Herbst das Multichannel-Projekt „Online City Wuppertal“ gestartet. Auf dem gleichnamigen Online-Portal können sich seitdem stationäre Einzelhändler aus der Region präsentieren und ihr Sortiment auch online verkaufen. So sollen sich stationäre Händler neue Vertriebschancen im Internet erschließen, Verbraucher wiederum über den lokalen Marktplatz auch online bei Händlern aus der Region kaufen anstatt ihr Geld bei Amazon & Co. auszugeben (siehe Video).

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Ein gutes halbes Jahr nach dem Start fallen die Zahlen aber ernüchternd aus. Zwar sind zur Zeit knapp 60 Einzelhändler aus der Region auf dem Online-Portal vertreten, so dass sich die Zahl der teilnehmenden Händler zum Start bereits verdoppelt hat (Herbst 2014: 25 Händler).

Wenn man die Zahl der Projektpartner aber mit der Menge aller stationären Einzelhändler aus der Region vergleicht, ergibt sich ein anderes Bild. So sind in der Region nach Schätzungen zur Zeit um die 2.000 Händler aktiv (inkl. Filialisten), womit die Zahl der Projektpartner der „Online City Wuppertal“ bislang verschwindend gering ausfällt. Seit dem Start im vergangenen Herbst haben Kunden zudem gerade einmal überschaubare 100 Bestellungen online getätigt.

Als Flop werten die Verantwortlichen das Multichannel-Projekt dennoch nicht. Im Gegenteil. So liege die Konversionsrate des Online-Portals bei einem Prozent, was man durchaus als einen ordentlichen Wert interpretieren kann. Zum Vergleich: Laut einer Studie der auf Conversion Optimierung spezialisierten Web Arts AG beträgt die durchschnittliche Konversionsrate in deutschen Online-Shops etwa drei Prozent, wobei bei den meisten Web-Shops dieser Wert zwischen einem Prozent und knapp drei Prozent liegt (siehe dazu die Grafik unten).

Studie KonversionsratenNur ein Bruchteil der Besucher in Online-Shops kauft auch (Bild: Web Arts)

Die wenigen Bestellungen rühren bei der „Online City Wuppertal“ also vor allem daher, dass erst wenige Verbraucher das gleichnamige Internet-Portal aufsuchen. Das liegt wiederum mit daran, dass sich die Verantwortlichen bislang mit Werbung zurückhalten. Auf Nachfrage von neuhandeln.de begründet man das damit, dass man Nutzern kein Portal mit wenig Angebot empfehlen möchte. Zu groß sei das Risiko, dass Nutzer dann enttäuscht werden und nicht wiederkommen. Interessanter für Kunden wäre die Online City also, wenn mehr Händler darauf verkaufen. Doch genau an dieser entscheidenden Stelle krankt das Konzept.

Marktplatz-Modelle wie die „Online-City Wuppertal“ drohen jedenfalls schnell, sich in einem Teufelskreis totzulaufen. So werden Portale erst interessant, wenn dort viele Kunden sind. Diese kommen aber erst, wenn viele Händler dort verkaufen oder das Portal über eine etablierte Marke verfügt. Diese kann es bei der Online City nicht geben, da das Projekt erst wenige Monate alt ist und das Marketing noch nicht stattfindet. Folglich müsste man also die Händler mobilisieren, was aus mehreren Gründen aber kein Selbstläufer werden dürfte.

Online City Wuppertal HändlerIn der „Online City Wuppertal“ verkaufen lokale Händler (Bild: Screenshot)

Wenn stationäre Einzelhändler nämlich in den Online-Vertrieb einsteigen, müssen sie den E-Commerce zusätzlich zum Tagesgeschäft meistern. Die Projektverantwortlichen bieten zwar eine Hilfestellung, indem sie Schulungen zu Themen wie Warenwirtschaft anbieten.

Im Alltag muss sich aber jeder Händler selbst darum kümmern, dass sich seine Ware online verkauft. Das bedeutet unter anderem Aufwand für aussagekräftige Produkttexte und gute Fotos. Laut den Projektverantwortlichen müssen teilnehmende Händler daher durchaus einmal zusätzliche Nachtschichten schieben, um das Online-Geschäft voranzutreiben. Diesen Aufwand kann und will sich aber eventuell nicht jeder Einzelhändler leisten, der nach wie vor mit seinem Tagesgeschäft ausgelastet ist – vor allem wenn die Bestellungen überschaubar ausfallen. Dazu passt, dass in den vergangenen Monaten die ersten Händler auch wieder abgesprungen sind.

„Mönchengladbach bei eBay“: Neues Pilotprojekt für den lokalen Handel

Bessere Startvoraussetzungen bringt der Marktplatz-Riese eBay mit, der ab diesem Herbst ein ähnliches Modell wie die „Online City Wuppertal“ plant. Konkret sollen Einzelhändler aus der Stadt Mönchengladbach über eBay verkaufen und damit es auch Online-Kunden ermöglichen, bei lokalen Einzelhändlern einzukaufen. Geplant ist eine eigene Einstiegsseite auf dem Online-Marktplatz, auf der lokale Händler gelistet werden (Motto: „Mönchengladbach bei eBay“).

Der große Vorteil von eBay gegenüber der Online-City Wuppertal ist die etablierte Marke. So können lokale Händler über den Online-Marktplatz mehr als 17 Mio. aktive Käufer erreichen. Diese können zudem prinzipiell an Kunden aus ganz Deutschland verkaufen, während sich das Einzugsgebiet der Online-City Wuppertal auf Kunden aus der Region beschränken dürfte.

Der Pferdefuß dürfte aber auch beim eBay-Projekt sein, dass Einzelhändler den Online-Vertrieb zusätzlich zu ihrem Tagesgeschäft stemmen müssen. Zwar soll es auch hier Schulungen geben, um Händlern den Start zu erleichtern. Stationäre Einzelhändler konkurrieren auf eBay aber schnell mit Händlern, die zu den großen Multichannel-Unternehmen zählen oder sich nur auf das ECommerce-Geschäft konzentrieren. Diese können ihre ganze Energie auf den Online-Handel konzentrieren, während der lokale Händler den E-Commerce nebenher betreibt.

Bei eBay stellt sich zudem die Frage, warum man das Projekt überhaupt starten muss. Denn bereits heute verkaufen über 400 Händler aus Mönchengladbach über das Portal. Damit sind bei eBay bereits heute sechsmal so viele regionale Händler aus der entsprechenden Region aktiv als es bei der „Online City Wuppertal“ der Fall ist – ganz ohne separate Einstiegsseite.

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7 Kommentare

  1. Naja, das geschmäcklerisch ist ja, dass das Wuppertaler hobbyprojekt mit öffentlichen Geldern in sechsstelliger Höhe gefördert wird. Demzufolge dürfte der einzige der daran merkantilen Spaß hat der Initiator sein…

  2. Sinnvoller sind sicherlich kostenlose Ebay Alternativen wie beispielsweise http://www.spandooly.de
    Man erreicht mit seinen Artikeln definitiv mehr Käufer und das Einstellen kostet nix. Noch nicht einmal, wenn man sich einen netten Spandooly-Shop erstellt. Ladenlokal? Ok. Aber wenn online verkaufen, dann mit einer vernünftigen Reichweite.

  3. In Wuppertal sind übrigens auch bereits mehr als 400 Händler auf eBay aktiv. Ziel in Mönchengladbach ist es, vor allem den noch nicht aktiven Fachhändlern durch neue Umsatzpotenziale das Überleben zu sichern und ihnen den Einstieg in die digitale Welt durch pragmatische Warenwirtschafts- und Kassensystemlösungen zu erleichtern. Statt knapp 500 Artikel heute und 5000 in der Endstufe bei OCW hat dabei eBay mit mehr als 80 Mio. Artikeln genug Zugkraft für Kunden.

  4. ich freue mich über beide Initiative sehr, zeigt es doch dass Einzelhändler die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Verknüpfung der Kanäle zwischen online und offline für sich nutzen wollen. Nicht die beiden Städte sollen gegeneinander antreten, sondern beide gemeinsam gegen die fehlende Digitalisierung des Einzelhandels. Denn nur so werden wir dieses wichtige soziale Element jeder Stadt am Leben erhalten können.
    Ich wünsche beiden nur das Allerbeste und und wir von http://www.inventorum.com werden unseren Teil versuchen dazu beizutragen. Schließlich werden auch im Silicon Valley Superstars durch Ausprobieren geboren. Und diese beiden Städte machen den Anfang. Danke für den Mut. Grossartig!

  5. Privatwirtschaftlich funktioniert es besser: das renommierte Anzeigenblatt WOCHENSPIEGEL (siehe: http://www.wochenspiegel-marktplatz.de/) ist seit November 2014 mit dem Marktplatz online und stellt bereits 1.500 regionale Unternehmen und Geschäfte dar. Im nächsten Schritt folgt eine Click & Collect Lösung und später eine Shop Applikation. Programmiert wurde alles von einem inhabergeführten Unternehmen namens topQ1 (www.topq1.com). In Osnabrück startet bald das lokal-Radar mit gleicher Software und ähnlichen Prinzipien. Es geht um die Förderung des regionalen Handels. Und es geht um seine Gleichberechtigung, nämlich im Onlinebereich genauso zu agieren wie dies die großen Player namens Amazone oder eBay usw. auch tun. Dies wird dem regionalen Geschäftsleben einen entsprechenden Schub geben (können). Wenn er denn aktiv mitmacht …

  6. Wenn „Experten“ wie Heinemann, Haderten & Co. die Zukunft des stationären Einzelhandels erst schwarz malen ist es schon tragisch. Der eine ändert seine Meinung nach Windrichtung ( Publikationsliste zeigt alles), andere vernichtet Fördergelder in Wuppertal. Wer es nicht kann, soll es lieber lassen.
    Ich kann drei Projekte aufzeigen die meinen Kunden geholfen haben.

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