E-Commerce 2030: Welche Trends unsere Zukunft prägen

Auf dem E-Commerce-Tag in Sachsen habe ich gestern zum Abschluss der Veranstaltung darüber gesprochen, wie sich der Online-Handel in den kommenden 15 Jahren voraussichtlich verändern wird (Motto: „E-Commerce 2030„). Ein Blick in die Zukunft bringt natürlich das Risiko mit sich, dass bestimmte Entwicklungen anders eintreten als prognostiziert (wer hätte vor zehn Jahren damit gerechnet, dass plötzlich Smartphones die mobile Internetnutzung so befeuern). Eine seriöse Prognose ist meines Erachtens aber durchaus möglich, da man davon ausgehen kann, dass grundlegende Trends mit hoher Wahrscheinlichkeit an Bedeutung gewinnen werden.

E-Commerce 2030

Bildquelle: Komsa AG

Ein Beispiel: Obwohl sich die deutsche E-Commerce-Landschaft in den vergangenen Jahr stark verändert hat und zahlreiche neue Player im Online-Handel mitmischen, hat sich eigentlich vergleichsweise wenig getan. So basiert zum Beispiel der Shop von Amazon nach wie vor auf dem Grundkonzept, das bereits im Jahr 1998 galt (auch wenn das Design inzwischen verfeinert wurde und höhere Bandbreiten heute ermöglichen, dass Nutzer auch Videos abrufen können).

15 Jahre Amazon.de

Bildquelle: Amazon Deutschland

Das Beispiel Amazon zeigt: Eine seriöse Zukunftsprognose lässt sich durchaus ableiten, wenn man sich auf grundlegende Entwicklungen konzentriert – also beispielsweise die grundlegende Form der Kundenansprache und nicht ein spezielles Design. Im Vorfeld meines Vortrages habe ich daher analysiert, welche Trends den Online-Handel derzeit prägen beziehungsweise zu prägen beginnen. So habe ich fünf Entwicklungen identifiziert, die mit großer Wahrscheinlich die deutsche E-Commerce-Landschaft in den kommenden Jahren nachhaltig verändern werden:

  • Online- und Offline-Handel verschmelzen immer stärker
    Nach Zahlen vom Handelsverband Deutschland (HDE) verkaufen bislang nur 30 Prozent der stationären Einzelhändler über das Internet. Parallel klagen drei Viertel der Befragten darüber, dass die Kundenfrequenz im stationären Handel zurückgehen. Deshalb werden viele stationäre Händler in den kommenden Jahren nach neuen Umsatzquellen suchen und online gehen – nicht weil sie unbedingt wollen, sondern weil sie etwas tun müssen. Viele werden aber im E-Commerce scheitern, weil sie ein austauschbares Sortiment und einen austauschbaren Service haben. Damit kann man sich aber nicht in einem nationalen Wettbewerb behaupten. Das wird viele Anbieter nicht daran hindern, ihr spätes Heil doch noch im Online-Handel zu suchen. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Kunden verschärft sich daher, was unter anderem zu steigenden Werbekosten führen wird.
  • Das E-Commerce-Geschäft wird immer internationaler
    Beim Online-Shopping verschwimmen für Kunden zunehmend die Landesgrenzen. Ich sehe diese Entwicklung aber nicht unbedingt positiv. Denn deutsche Online-Händler müssen sich zunehmend damit abfinden, dass Konkurrenten aus dem Ausland in den heimischen Markt drängen und um ihre Kunden buhlen. Ein eigenes Logistikzentrum werden allerdings auch künftig nur wenige Anbieter in Deutschland eröffnen. So wird die Ware auch in Zukunft meist aus dem Ausland an deutsche Kunden verschickt. Das ist zwar mit längeren Paketlaufzeiten verbunden, die sich viele ausländische Anbieter aber leisten können. So kaufen deutsche Verbraucher bereits heute gerne bei britischen Fashion-Anbietern ein, da sie Mode von Unternehmen wie Asos oder Next eben oft nur bei diesen Händlern bekommen. Je mehr Kunden aber bei ausländischen Händlern ausgeben, umso weniger Budget steht wohl für deutsche Anbieter zur Verfügung. Ein Ausweg kann darin bestehen, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Womit wir beim nächsten Trend wären.
  • Klassische Händler werden zunehmend zu Herstellern
    Immer mehr Hersteller eröffnen eigene Online-Shops und verkaufen selbst online. Das setzt Handelspartner unter Druck, die durch den Direktvertrieb der Marken weitere Konkurrenz bekommen. Studien zeigen zudem, dass sich Verbraucher ohnehin immer öfter auf den Websites der Marken informieren, wenn sie sich für ein Produkt interessieren – was ja auch logisch ist, da man beim Markeninhaber das größte Produktwissen erwartet. Klassische Reseller müssen daher immer mehr tun, um bei Fremdmarken potenzielle Käufer auf ihre Seiten zu locken. Erschwerend kommt hinzu, dass die Transparenz vielen Händlern weiter zu schaffen machen wird und ein guter Preis für viele Kunden weiter ein entscheidendes Kaufkriterium bleibt. Um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und die Rendite wieder zu steigern, müssen Händler daher in ihr Sortiment investieren und Eigenmarken entwickeln. Dieser Prozess dauert aber und ist zunächst mit Investitionen verbunden. Viele Händler werden den Wandel zum Hersteller sich daher nicht leisten können oder scheitern, weil das nötige Wissen fehlt. Zudem halte ich den Markt für Eigenmarken begrenzt, so dass es mit hoher Wahrscheinlich nicht Platz für unendlich viele Eigenmarken geben wird. Der Wandel vom Händler zum Hersteller führt daher auch zu einer Konsolidierung, bei der einige der über 400.000 deutschen Online-Händler durchs Raster fallen.
  • Das E-Commerce-Geschäft wird granularer
    Derzeit eröffnen immer mehr Händler separate Nischen-Shops, um eine bestimmte Zielgruppe mit einem besonders spitzen Angebot zielgenauer anszusprechen. Aus diesem Grund verkauft die Otto-Gruppe beispielsweise Matratzen und Elektrogeräte in speziellen Sub-Shops, während die Internetstores GmbH wiederum Mountain-Bikes und Rennräder in unterschiedlichen Online-Shops anbietet. Das kommt nicht von ungefähr. Denn Spezialversender haben sich im klassischen Katalogversandhandel bereits über Jahrzehnte bewähren können und galten oft als Cash Cows. In Zukunft werden Multishop-Strategien wohl noch eine Spur granularer. So wären etwa Tierfutter-Shops für bestimmte Rassen denkbar, anstatt alle Hundehalter über einen einzigen Tierfutter-Shop anzusprechen. Denn mit einer besonders spitzen Ansprache kann man Kunden einen Mehrwert bieten, den ein Vollsortimenter so nicht bieten kann – auch wenn er dieselben Produkte anbietet.
  • Die Kundenansprache im E-Commerce verändert sich
    Mein Beispiel zu Beginn hat gezeigt, dass sich bei Amazon in den vergangenen 15 Jahren nichts Prinzipielles an der Kundenansprache im Online-Shop geändert hat. So ist der Shop nach wie vor eine Produktdatenbank, in der Kunden sich durch ein großes Sortiment wühlen und dazu beispielsweise die Suchmaske nutzen können. Das Prinzip auch 15 Jahre später gilt, ist kein Wunder. Denn nach wie vor sitzen viele Verbraucher beim Online-Shopping vor einem Desktop-PC oder einem Laptop, für die klassische Shopping-Seiten entwickelt worden sind. Durch die zunehmende Verbreitung von mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablet-PCs ändert sich aber die Art der Mediennutzung, die sich zunehmend von einem „Lean-Forward-Szenario“ (der Kunde geht zum PC, um online etwas zu suchen) zu einem „Lean-Back-Szenario“ wandelt (der Kunde surft auf der Couch und will sich berieseln lassen). Klassische Online-Shops sind aber für den Zielkauf optimiert und nicht für den Impulskauf. Deshalb verschenken Händler auch Potenziel, wenn sie ihr vorhandenes Shop-Frontend einfach nur auf Smartphone-Größe schrumpfen. In den kommenden Jahren werden daher Händler mit neuen Store-Frontends experimentieren, die dieser neuen Art der mobilen Internetnutzung zunehmend gerechter werden.

In den anschließenden Diskussionsrunde habe ich dann noch mit Kollegen wie Andreas Lippert (eBay Deutschland) und Swetlana Reiche (Lensspirit) darüber diskutiert, wann sich E-Commerce für Händler in Zukunft eigentlich überhaupt noch lohnt. Eine vielversprechende Zukunft haben Online-Händler meines Erachtens, wenn ihr Sortiment die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • Das Produkt muss der Anbieter exklusiv führen
  • Das Produkt muss eine ganz bestimmte Zielgruppe ansprechen
  • Das Produkt deckt einen vorhandenen Bedarf
  • Das Produkt hat für den Händler eine hohe Marge
  • Das Produkt wird vom Kunden nicht retourniert

Wer beispielsweise eigenes Hunde-Futter verkauft und mit seinem Shop nur die Halter einer bestimmten Rasse anspricht, erfüllt diese Voraussetzungen. Gerade das Thema Eigenmarken sollte man aber eher früh als spät angehen – bevor die Konkurrenten den Markt besetzen.

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