„Brillant“ oder „übel“? Neuer Werbespot von Saturn polarisiert

Alle Jahre wieder beginnt vor Weihnachten die Zeit der rührseligen Werbespots. Dann drücken Händler gerne auf die Tränendrüse, indem sie in ihren Clips auf vergleichsweise ruhige Töne setzen und lieber Geschichten erzählen anstatt konkrete Angebote zu bewerben. So wollen die Verantwortlichen ihre Marke emotional aufladen und bei Konsumenten punkten. Kein Wunder also, dass ausgerechnet jetzt auch die Elektronik-Kette Saturn auf diesen Zug aufspringt. Doch die brandneue Saturn-Kampagne verdeutlicht auch, dass Story-Telling in der Werbung schnell ein zweischneidiges Schwert sein kann.

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Denn der aktuelle Saturn-Spot „Anna“ polarisiert. Grund ist, dass in dem Werbeclip eine Geschichte von einem demenzkranken Vater erzählt wird. Dieser bekommt im Pflegeheim dann Besuch von seiner Tochter, ohne dass der Vater sie aber erkennen kann. Die Frau verlässt daher verzweifelt das Heim. Bei ihrem nächsten Besuch nimmt sie dann aber eine VR-Brille für ihren Vater mit, die er sich dann aufsetzt. Dadurch kann er Bilder aus seinem früheren Leben sehen, wodurch seine Erinnerung zurück kommt und er wieder seine Tochter erkennt. Anschließend endet der Clip mit dem Satz „Du kannst mehr“.

Manche Verbraucher empfinden diese Geschichte als „brillant“ und sehen einen „Super-Spot mit einem wichtigen gesellschaftlichen Ansatz“, wie in den Kommentaren zum Werbeclip auf YouTube zu lesen ist. Andere Verbraucher beklagen hier allerdings auch, dass man sich „an der Krankheit anderer bereichere“ und es „ziemlich übel“ sei, so Menschen auf die emotionale Schiene anzusprechen.

Auf Nachfrage von neuhandeln.de gesteht dann auch die MediaMarktSaturn-Gruppe, dass man über den Spot „intern intensiv diskutiert“ habe. Schließlich respektiere man die Gefühle von Angehörigen von erkrankten Menschen und möchte diese nicht verletzen. „Letztlich haben wir uns dazu entschieden, den Spot zu realisieren, weil wir darin aufgreifen möchten, welche Rolle Technik im Leben von Menschen spielen kann – in schönen Momenten und auch in schwierigen“, argumentiert eine Sprecherin.

Georg Blum
Georg Blum (Bild: 1a Relations)

Dass der Spot letztlich umgesetzt wurde, ist auch für Georg Blum der richtige Schritt. „Der Spagat zwischen geschmackloser Grenzüberschreitung und kreativer Story war sicher nicht einfach“, analysiert der Geschäftsführer der CRM-Beratung 1A Relations. „Aber genau das ist der Knaller: ein sensibles Thema präzise herausgearbeitet, sauber in den Produkt-Kontext gesetzt und mit einem schnörkellosen, roten Faden in der Story umgesetzt.“

Dadurch habe der Clip das „Zeug zur Viralität“, wenn der Spot die Nutzer berührt und diese dann die Geschichte an ihre Freunde weiterleiten.

Ob der Spot dadurch aber auch auf die Marke „Saturn“ einzahlt, steht auf einem anderen Blatt. Denn im dümmsten Fall beschäftigt Verbraucher die Geschichte so sehr, dass sie diese losgelöst betrachten und dann gar nicht mit der Handelsmarke verknüpfen. Saturn beugt diesem Szenario aber in gewisser Weise vor, indem weitere Clips in dieser Machart folgen sollen. Denn bis Ende Juli 2018 werden verschiedene Spots ausgestrahlt, die Geschichten erzählen und so die Marke „Saturn“ neu positionieren sollen.

Tech-Nick
Hat ausgedient: „Tech-Nick“ (Bild: Saturn)

Der neue Markenkern lautet jetzt nämlich „Technik (er)Leben“ statt wie bislang „Soo! muss Technik“. Dadurch will der Elektronik-Händler den Fokus von der Technik selbst hin zum Menschen verschieben, der Technik für sich nutzt (Motto: „Du kannst mehr“). Aus diesem Grund wurde nun auch die bisherige Werbefigur „Tech-Nick“ beerdigt (siehe Foto), mit der Saturn die vergangenen vier Jahre für sein Elektronik-Sortiment geworben hatte.

„Jetzt geht es um Menschen und ihre persönlichen Erfahrungen mit Technik“, argumentiert eine Sprecherin gegenüber neuhandeln.de. „Das lässt sich so mit einer konkreten Figur wie Tech-Nick nicht transportieren.“

Umgesetzt wurde die aktuelle Image-Kampagne durch die Werbe-Agentur Jung von Matt. Der erste Spot „Anna“ wurde am 01. November als 89-Sekunden-Kurzfilm zur besten Sendezeit um 20.13 Uhr zeitgleich auf allen privaten TV-Sendern ausgestrahlt – auch eine ungewöhnliche Maßnahme bei einem TV-Spot.

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